Wenn das Oberlandesgericht München nicht eine weitere Panne produziert, dann beginnt der Prozess zum „NSU“ am 6. Mai. Schon jetzt ist sicher, dass das Verfahren selbst die zahlreichen Pannen, Widersprüche und Verstrickungen, die vor allem auf das Konto des deutschen Verfassungsschutzes gehen, nicht klären kann. Klar ist schon vor Beginn, dass die ursprüngliche Annahme eines isolierten Neonazi-Trios mit der Realität nichts zu tun hat. Vor Gericht stehen neben Beate Zschäpe, der Überlebenden des „Trios“ noch Ralf Wohlleben, Holger Gerlach, Andre Eminger und Carsten S.. In den Ermittlungsakten zum NSU werden rund 130 Kontaktpersonen angeführt, der Leiter des Bundeskriminalamtes rechnet mit weiteren Prozessen gegen Unterstützer des NSU. Der Blog „Publikative“ beschäftigt sich in seinem Beitrag „Terror-Trio mit vier Köpfen?“ mit anderen, bisher ungeklärten Aspekten, den Hinweisen auf ein viertes Mitglied, die sich nicht nur aus dem Bekennervideo ergeben.
Während Antifa-Gruppen, parlamentarische Untersuchungsausschüsse und polizeiliche Ermittlungsgruppen den Wust an Ermittlungsergebnissen und ‑pannen abzüglich des vernichteten Materials durchpflügen, um zu Erkenntnissen über Strukturen und Umfang des Neonazi-Netzwerks zu gelangen, hat das Gericht „nur“ die Aufgabe, die Frage der persönlichen Verantwortung der Angeklagten hinsichtlich der ihnen zu Last gelegten Delikte zu überprüfen.
Umso überraschender mutet es deshalb an, dass bei dem Arbeitstreffen österreichischer und deutscher Polizisten keine Spur „von Österreich nach Deutschland oder umgekehrt“ (derstandard.at) festgestellt wurde. Die Aussage, die bei einem Treffen von österreichischen und deutschen Verfassungsschützern sowie Vertretern des deutschen Bundeskriminalamtes getroffen wurde, bezieht sich nicht nur auf angeblich fehlende Spuren zum NSU, sondern auch auf „Objekt 21”.
Wie bitte?
Bei „Objekt 21” haben die Ermittler selbst von grenzüberschreitenden Kontakten gesprochen und auf Stoppt die Rechten wurden zuletzt die Kontakte nach Thüringen dokumentiert. Zumindest eine der Personen in Untersuchungshaft , Andreas P. , ist ein Neonazi aus Thüringen – und das läuft dann unter „keine Spur“?
Beim NSU ist die Lage unübersichtlicher. Über Küssels Auftritt beim „Fest der Völker“ 2007 hinaus seien der Exekutive „keine Kontakte zur hiesigen einschlägigen Szene“ bekannt, so der Linzer Polizeisprecher zum „Standard“.
Das Neonazi-„Fest der Völker“ wurde von Ralf Wohlleben, Thomas Gerlach und Andre Kapke organisiert. Alle drei standen in Kontakten zum „NSU“. Thomas Gerlach hatte beste Beziehungen zur österreichischen Neonazi-Szene und war auch im „Heimatschutzforum“ unter seinem Nickname „Ace“ vertreten. Für das „Fest der Völker“ 2009 in Pößneck war ein anderer Neonazi aus Österreich als Redner gemeldet: Andreas Mayerhofer. Er hatte sich zuvor durch seine intensiven Kontakte zu Südtiroler Neonazis ausgezeichnet, was ihm im Jahr 2008 eine Hausdurchsuchung und später ein Verfahren wegen NS-Wiederbetätigung bescherte.
Nun sind aber gerade im Zuge der NSU- Ermittlungen die intensiven Kontakte von Ralf Wohlleben mit italienischen Neonazi-Gruppen bekannt geworden – inkl. Geldübergaben. 2012 wurde ein Neonazi, der jahrelang in Österreich gelebt hatte, ohne größeres Aufsehen an die italienischen Behörden überstellt – auch er offensichtlich ein Mitglied der Skinheads Tirol Sektion Meran, die im Blood & Honour-Umfeld tätig war. All das fällt nach Ansicht der österreichischen Ermittler unter „keine Kontakte“?