Rassismus-Report 2011: Aufhängen , Lippen und Wangen

1999 wurde ZARA, die Ini­tia­tive für Zivil­courage und Anti-Ras­sis­mus-Arbeit, gegrün­det. Seit dem Jahr 2000 wird Ras­sis­mus in Öster­re­ich von ZARA jährlich im „Ras­sis­mus Report“ doku­men­tiert. Jet­zt ist der neue Bericht für das Jahr 2011 erschienen. Lei­der kein Anlass, um Ent­war­nung zu geben.

706 ras­sis­tis­che Vor­fälle doku­men­tierte ZARA für das Jahr 2011. Das wäre zwar ein Rück­gang, denn für das Jahr 2011 wur­den 745 Vor­fälle gemeldet. ZARA ist aber so wie Stoppt­dierecht­en auf frei­willige Mel­dun­gen und eigene Recherche angewiesen und keine „amtliche“ oder offizielle Doku­men­ta­tion­sstelle. Im Unter­schied zu amtlichen Meldestellen wie der des Innen­min­is­teri­ums für NS-Wieder­betä­ti­gung oder hal­bof­fiziellen wie stopline.at zu NS-Wieder­betä­ti­gung im Inter­net wer­den ras­sis­tis­che Vor­fälle von ZARA aber „begleit­et“ und auch exem­plar­isch im „Ras­sis­mus-Report“ dokumentiert.99 dieser“ Vor­fälle“ wer­den im Report auch beschrieben. Es ist ein qual­i­ta­tiv­er Report, kein quan­ti­ta­tiv­er. Alleine die Beobach­tung von HC Stra­ches Face­book-Seite über ein ganzes Jahr würde quan­ti­ta­tiv alles sprengen!

Am Beispiel ras­sis­tis­ch­er Beschmierun­gen im öffentlichen Raum macht der Report klar, dass „die rück­läu­fi­gen Zahlen (…) lei­der kein Indiz dafür (sind), dass es tat­säch­lich weniger ras­sis­tis­che Beschmierun­gen gibt“. 2006 wur­den in Koop­er­a­tion mit SOS Mit­men­sch durch die Kam­pagne „Ras­sis­mus stre­ichen“ ins­ge­samt 793 ras­sis­tis­che, anti­semi­tis­che und neon­azis­tis­che Schmier­ereien doku­men­tiert und an die Exeku­tive gemeldet. In der offiziellen Sta­tis­tik des Ver­fas­sungss­chutzes für das Jahr 2006 fan­den sich nur die wenig­sten davon wieder. 2009 wur­den in einem Mon­i­tor­ing-Pro­jekt von ZARA bes­timmte Areale sys­tem­a­tisch kon­trol­liert: „Inner­halb weniger Tage wur­den allein bei dieser Aktion 30 ras­sis­tis­che Beschmierun­gen ent­deckt“. Für das Jahr 2011 wur­den ins­ge­samt an ZARA nur 54 Mel­dun­gen erstat­tet, davon nur sieben von außer­halb Wiens.

Ein starkes Indiz dafür, wieviel Arbeit auf ZARA noch wartet! Oder ist es der Ein­druck der Zivilge­sellschaft, dass ZARA und Ini­tia­tiv­en wie Stoppt­dierecht­en ohne­hin Alarm schla­gen wür­den? Das wäre allerd­ings ein falsch­er Eindruck!

Der Report doku­men­tiert nicht nur jene – lei­der sel­te­nen – Beispiele, wo die engagierte Arbeit von ZARA tat­säch­lich Verän­derun­gen bewirkt hat, son­dern auch die vielfälti­gen Pro­jek­te, mit denen ZARA Ras­sis­mus bekämpfen will.

Wie schwierig das dann im Detail sein kann, soll exem­plar­isch Vor­fall 16 im Report dokumentieren:

„An einem Jän­ner­a­bend geht Frau A. in Graz spazieren. Als sie zur Radet­zky­brücke kommt und an ein­er Fußgänger­am­pel anhält, beobachtet sie auf der gegenüber­liegen­den Straßen­seite eine junge schwarze Frau, die sich mit ein­er Sol­datin in Uni­form unter­hält. Sie fragt die Sol­datin, wie der Dienst als Frau beim Bun­desheer sei und erhält die Antwort:“Ja eh gut!“ Als es Grün wird, berührt die schwarze Frau die Sol­datin an der Schul­ter und wün­scht ihr alles Gute. Als sie den Satz been­det hat, schre­it die Sol­datin die Frau an und sagt:“Du hast mich nicht zu berühren!“. Als die junge Frau „Wie bitte?“ erwidert, schre­it die Sol­datin sie aber­mals an:“Halt’s Maul, Du dreck­ige ‚N….‘-Hure“. Frau A. spricht die Sol­datin an:“Wie heißen Sie, ich möchte mich beschw­eren über Sie“. Die Sol­datin zeigt Frau A. den Dien­stausweis und sagt:“Gegen mich kann man nicht gewin­nen, ich bin ein Wacht­meis­ter! Also pro­bier es gar nicht!“ Der Brud­er von Frau A. meldet den Fall an ZARA. Auf die Frage, ob ZARA eine Beschw­erde an die Kaserne richt­en soll, erfol­gt keine Rück­mel­dung. Da Frau A. anonym bleiben möchte, doku­men­tiert ZARA den Vor­fall lediglich.“

Die in unserem Titel genan­nten Stich­worte „Aufhän­gen, Lip­pen und Wan­gen“ find­en sich in den Beispie­len 18, 19 und 20.