Graz: Vor dem großen Neonazi-Prozess

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Die Ver­zö­ge­rungs­tak­tik eini­ger Ange­klag­ter hat nichts gefruch­tet. Das Ober­lan­des­ge­richt Graz hat die Ein­sprü­che von Richard P., Mar­kus L. und Ger­hard T. bzw. von Franz R. gegen ihre Ankla­ge durch die Staats­an­walt­schaft abge­wie­sen und die Rechts­wirk­sam­keit der Ankla­gen bestä­tigt. Wie der „Stan­dard“ berich­tet, gibt es noch kei­nen fixen Ter­min für das Ver­fah­ren, das vor einem Schwur­ge­richt statt­fin­den wird.

Es wird ein lan­ger Pro­zess wer­den, weil etli­che Zeu­gen befragt wer­den müs­sen. Die Lis­te der Ange­klag­ten ist eben­so lang wie die Lis­te der vor­ge­wor­fe­nen Delik­te: meh­re­re Ver­bre­chen nach § 3g Ver­bots­ge­setz, das Ver­bre­chen der absicht­lich schwe­ren Kör­per­ver­let­zung und das Ver­ge­hen der schwe­ren Kör­per­ver­let­zung. Ange­klagt sind auch drei (mitt­ler­wei­le aus­ge­schlos­se­ne?) Funk­tio­nä­re des Rings Frei­heit­li­cher Jugend (RFJ) bzw. des RFS.

Der Pro­zess wird aber auch des­halb umfang­reich, weil unter­schied­li­che Vor­fäl­le bzw. Delik­te abge­han­delt wer­den, denen eines gemein­sam ist: die NS-Wie­der­be­tä­ti­gung: Sie­ben Ange­klag­te, dar­un­ter Richard P., Mar­kus L. und Ger­hard T., die die Ankla­ge beein­sprucht haben, haben am 30.1.2010 im Lokal Zep­pe­lin eine Geburts­tags­run­de über­fal­len, etli­che Per­so­nen schwerst ver­letzt und Nazi-Lie­der gegrölt. Am 23.6. 2010 hat sich Richard P. gemein­sam mit wei­te­ren drei Per­so­nen bei der Live­über­tra­gung des WM-Fuß­ball­spiels Deutsch­land-Gha­na laut Ankla­ge neu­er­lich wie­der­be­tä­tigt. Bei dem Vor­fall wur­de eine Per­son durch einen Nazi schwer verletzt.

Richard P. und Ger­hard T. haben in ihrer Beru­fung ver­sucht, den Vor­wurf der NS-Wie­der­be­tä­ti­gung zu beein­spru­chen und dabei gel­tend gemacht, dass das Ver­bots­ge­setz nicht nach demo­kra­ti­schen Grund­sät­zen zustan­de­ge­kom­men sei. Das Ober­lan­des­ge­richt ver­warf die Ein­sprü­che, in denen sogar die Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on bemüht wur­de, und stell­te fest: „Dass es zur Delikts­ver­wirk­li­chung nach § 3g Ver­botsG kei­ner die Ideo­lo­gie des Natio­nal­so­zia­lis­mus in ihrer Gesamt­heit beja­hen­den Täter­ver­hal­tens – umso weni­ger der Mit­glied­schaft zur NSDAP- bedarf, ist gesi­cher­te Recht­spre­chung (…), wes­we­gen der Rekurs dar­auf ins Lee­re geht.“

Der Ange­klag­te Mar­kus L. hat­te in sei­ner Beru­fung gegen die Ankla­ge betr. schwe­rer Kör­per­ver­let­zung gel­tend gemacht, dass ihn der eben­falls ange­klag­te Chris­toph G. in sei­ner Aus­sa­ge ent­las­tet habe und ihn eini­ge der Zeu­gen auf Licht­bil­dern nicht wie­der­erkannt hät­ten. Auch die­sen Ein­spruch ver­warf das Ober­lan­des­ge­richt und ver­wies dar­auf, dass eini­ge der Zeu­gen ihn sehr wohl iden­ti­fi­ziert hät­ten und die Klä­rung der Schuld­fra­ge Auf­ga­be des Schwur­ge­richts sei.

Ein­sprü­che gegen die zwei­te Ankla­ge gab es aber auch durch die nach § 3g Ver­bots­ge­setz ange­klag­ten Franz R., Ger­hard T. und Mar­kus L., die zusam­men mit einem wei­te­ren Betei­lig­ten zahl­rei­cher Ver­stö­ße nach dem Ver­bots­ge­setz ange­klagt wur­den, weil sie in der Stei­er­mark etli­che NS-Pro­pa­gan­da-Aktio­nen unter­nom­men hat­ten. Der Ein­spruch von Franz R. bezog sich dar­auf, dass das Ver­bots­ge­setz nicht ver­fas­sungs­kon­form sei und dem Fol­ter­ver­bot der MRK zuwi­der­lau­fe. Auch die­ser Ein­spruch wur­de so wie jener von Ger­hard T. der sich spe­zi­ell auf den § 3g des Ver­bots­ge­set­zes bezog, abge­wie­sen. Mar­kus L. beein­spruch­te sei­ne Ankla­ge, weil er kei­nen hin­rei­chen­den Tat­ver­dacht gegen sich begrün­det sah. Auch die­sen Ein­spruch ver­warf das OLG und hielt ihm ent­ge­gen, dass allein schon die auf sei­nem MySpace-Kon­to gefun­de­ne Text­pas­sa­ge „’stoppt die poli­ti­sche Ver­fol­gung in Öster­reich!! Wo sind Eure Bewei­se für Eure Behaup­tun­gen? 6 Mil­lio­nen? HAHA’ die ‚Ver­dachts­dich­te einer im Sin­ne des § 3g Ver­botsG tat­be­stand­li­chen, im Kern auf eine den Holo­caust leug­nen­de (…) Wie­der­be­tä­ti­gungs­ten­denz im objek­ti­ven Sinn” rechtfertige.

Da, wie schon mehr­fach berich­tet, anschei­nend die bei­den Ankla­gen in einem Pro­zess abge­han­delt wer­den (eini­ge der Ange­klag­ten fin­den sich in bei­den Ankla­gen wie­der), wer­den hof­fent­lich dem­nächst neun Per­so­nen wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung (bzw. eini­ge wegen wei­te­rer Delik­te) in Graz vor Gericht stehen.

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