Ein Prüfbericht der Generaldirektion Finanzen des Europäischen Parlaments belegt: Die mittlerweile verblichene rechtsextreme Fraktion „Identität & Demokratie” (ID) hat in den Jahren 2019 bis 2024 rund 4,3 Millionen Euro an EU-Geldern aus dem „Haushaltsartikel 400“ „unangemessen zu Lasten des Haushalts“ (falter.at, 3.7.25) vergeben. Nutznießer waren parteinahe Organisationen und Medien in mehreren Ländern – darunter auch in Österreich das rechtsextreme Medium „Zur Zeit“.
„Zur Zeit“, 1997 von Andreas Mölzer gegründet, erhielt laut eines Recherchesteams von „Falter“, „Die Zeit“, „Kontraste“ und „Le Monde“ knapp 600.000 Euro von der ID-Fraktion. Bei mindestens 427.045 Euro davon seien nach dem EU-Prüfbericht die EU-Vergaberegeln nicht eingehalten worden. Die Prüfer kritisieren fehlende Ausschreibungen, überhöhte Preise und unklare Leistungen.
Ohne Geldsegen aus Brüssel kein „Zur Zeit“?
Die Prüfer seien zu einem bemerkenswerten Befund gekommen: Ein Drittel der Einnahmen des Magazins „Zur Zeit“ stammte aus EU-Zuschüssen. Ohne diese Förderung, so der Bericht, könnte das Medium wirtschaftlich nicht bestehen. Ausgerechnet jenes Magazin, das regelmäßig gegen die „EU-Bürokratie“ polemisiert, lässt sich über Jahre hinweg aus Brüssel mitfinanzieren?
Ein Teil der Mittel floss laut EU-Prüfung nicht direkt an das Medium, sondern an die „Edition K3“, ein Unternehmen im Eigentum von Wendelin und Wolf-Rüdiger Mölzer (1), geführt von Vater Andreas. Diese Firma ist nur mittelbar mit „Zur Zeit“ verbunden, erhielt aber große Summen für „Anzeigen“, ohne dass laut EU-Bericht eine Leistung dokumentiert wurde.
Die Prüfer stellen fest: Es sei nicht nachgewiesen worden, dass die Firma berechtigt war, im Namen des Magazins Rechnungen zu stellen – weshalb die Zahlungen als „versteckte Subventionen“ (falter.at) gewertet wurden. Christoph Völk, Anwalt der betroffenen Firmen weist die Vorwürfe zurück und betont gegenüber dem „Falter“, es habe ordnungsgemäße Leistungen gegeben.
Ein bekanntes Muster: Die „Zur Zeit“-Förderungen seit vielen Jahren
Der aktuelle Fall steht nicht allein. Bereits 2009 deckte das Magazin NEWS (22/08, 28.5.09) auf, dass „Zur Zeit“ mindestens 122 Artikel veröffentlicht hatte, die mit EU-Mitteln bezahlt wurden. Die Finanzierung erfolgte nicht wie im neu enthüllten Fall über den Haushaltsposten 400, sondern damals mit einer Null mehr, über das „Budget 4000“. Die Artikel waren teils mit dem Logo des Europäischen Parlaments gekennzeichnet. Die Autoren? Mölzers Assistenten – etwa Bernhard Tomaschitz, der gleichzeitig Chefredakteur des Magazins war und noch immer ist, und Dimitrij Grieb, damals Chef vom Dienst. Auch Dietmar Holzfeind (1), einst Mölzers Assistent, schrieb mit.
2019 deckte „Stoppt die Rechten” auf, dass ein als „Studie” tituliertes Werk, das Harald Vilimsky bei der „Edition K3“ in Auftrag gegeben hatte, mit Plagiaten durchsetzt war – ebenfalls finanziert aus dem Haushaltsposten 400.
Bemerkenswert war auch Mölzers Umgang mit EU-Privilegien: Während er sich öffentlich gegen die „Finanzmafia“ und EU-Luxusprivilegien stellte, nahm er laut NEWS die steuerbegünstigte EU-Zusatzpension in Anspruch – ein System, das die FPÖ als „abgehobenes Elitenmodell“ kritisierte, stellte der News-Journalist Kurt Kuch fest.
Andreas Mölzer war 2007 Mitgründer der rechtsextremen EU-Fraktion ITS. 2019 war die FPÖ Teil der Nachfolgeformation Identität & Demokratie, gemeinsam mit Le Pens „Rassemblement National“, der AfD und Matteo Salvinis Lega. Auch das „Rassemblement National“ und die AfD sind in die aktuellen Ungereimheiten verwickelt. In der neuen Formation „Patrioten für Europa“, die nach der EU-Wahl 2024 gegründet wurde, wurden wieder Inserate in „Zur Zeit“ geschaltet – laut „Falter“ erneut mit EU-Hinweis.
Öffentlich alimentierte Hetze
Seit der ersten Schwarz-Blauen Regierung erhält „Zur Zeit“ jährlich auch Presseförderung aus dem Topf der österreichischen Steuerzahler*innen. 2024 waren es 46.802,74 Euro. In den Jahren von Türkis-Blau enthielt „Zur Zeit” Inserate vom FPÖ-geführten Verteidigungsministerium. Auch aus dem Spesentopf des ehemaligen Grazer FPÖ-Vizebürgermeisters Mario Eustacchio ließ sich das Mölzer-Magazin finanzieren.
Alle Finanzierungen zeigen, wie sich das rechtsextreme Medium öffentlicher Gelder bedient, um dann just gegen den Staat und die EU anzuschreiben und „Meinungsdiktatur“ zu schreien. Es ist eine systematische Umwidmung öffentlicher Mittel in den Dienst rechtsextremer Hetzpublizistik bzw. deren Betreiber.
Zusätzlich flossen über Jahre Inserate und Großabonnements aus dem FPÖ-Parlamentsklub an das Magazin. Mölzer selbst bestätigte 2023 im „Falter“, dass bereits bei der Gründung der Zeitschrift durch den damaligen Wiener FPÖ-Chef Rainer Pawkowicz Großabos abgeschlossen wurden.
Fragen an die EU
Nun liegt es an der EU-Staatsanwaltschaft und dem Haushaltskontrollausschuss des Parlaments, die Prüfungen fortzusetzen. Sollte der Befund der Prüfer bestätigt werden, könnten an die ID-Fraktion Rückforderungen in Millionenhöhe folgen. Angesichts der jahrelangen Praxis eines seltsamen Geldgebarens insbesondere von Rechtsaußen-EU-Fraktionen, die immer wieder aufgedeckt wurden, stellt „Die Zeit“ berechtigte Fragen:
Allerdings wirft der Prüfbericht nicht nur Fragen an die ultrarechte Fraktion auf, sondern auch an das Europaparlament. Denn der Verdacht, dass die ID in Brüssel womöglich nicht sauber wirtschaftet, steht seit Jahren im Raum. Warum konnte die Fraktion dennoch ungestört Spenden und Aufträge abrechnen, die nach Ansicht des Parlaments so offenkundig gegen dessen Regeln verstoßen? Wieso überprüfte die Verwaltung die Honorarvergaben erst, nachdem sich die Fraktion im vergangenen Jahr aufgelöst hatte? Wurden die vielen Hinweise auf Unregelmäßigkeiten nicht ernst genommen? (zeit.de, 3.7.25)
Update 8.7.25: Die Europäische Staatsanwaltschaft hat mittlerweile Ermittlungen gegen die ID aufgenommen.
Kontraste, 3.7.25
➡️ 7.4.14: Eine echte Freunderlwirtschaft
➡️ 8.4.14: Das Budget 4000, Mölzer und die „Aula“
➡️ 5.5.14: Öffentliche Gelder für „Zur Zeit“ (I)
➡️ 6.5.14: Öffentliche Gelder für FPÖ-Medien (II)
➡️ 8.5.19: Vilimskys Plagiatkonglomerat: Was war die Leistung?
➡️ 8.10.19: Blaue Spesenritter (Teil 1): Andreas Mölzer
Fußnote
1 Sohn Wendelin ist seit 2024 erneut Nationalratsabgeordneter der FPÖ, Wolf-Rüdiger Mitarbeiter im FPÖ-Parlamentsklub. Dietmar Holzfeind war bis 2024 Mitarbeiter der ID und ist seit 2024 Generalsekretär der EU-Fraktion „Europa der Souveränen Nationen” (ESN), der die AfD angehört.