Walter Rosenkranz musste nach dem jähen Aus der türkis-blauen Regierungskoalition seinen Sessel als Klubobmann für Norbert Hofer räumen und wurde selbst in die Volksanwaltschaft verräumt – ein Posten, der in der Regel das Ende einer Parteikarriere markiert. Nicht bei Walter Rosenkranz: 2022 nominierte ihn die FPÖ für das Amt des Bundespräsidenten, nun wird er in den Nationalrat zurückgeholt und am 24. Oktober wohl zum Ersten Nationalratspräsidenten gewählt werden und damit das protokollarisch zweithöchste Amt der Republik und viel Macht innehaben.
Der Burschenschafter
Der studierte Jurist Rosenkranz gehört zur größeren Riege der schlagenden Burschenschafter innerhalb der FPÖ. Seine pennale Verbindung ist die „Rugia Krems”. Seine akademische Verbindung, die Wiener Libertas, ist Mitglied der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft”, also des Rechtsaußen-Flügels innerhalb der ohnehin schon weit rechtsstehenden „Deutschen Burschenschaft”.
Die Libertas kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. 1860 gegründet, hat sie bereits 1878 mit einem „Arierparagrafen“, der eine Mitgliedschaft von Juden in der Verbindung ausschloss, eine Vorreiterrolle als strikt antisemitische Burschenschaft eingenommen.
Noch 1967 heißt es in der offiziellen Libertas-Festschrift, die Entnazifizierung und die Absage an die NS-Ideologie nach 1945 sei ein „Kampf gegen das Deutschtum überhaupt” gewesen. Der rassistische Antisemitismus wird von Libertas nun als „Widerstand[es] gegen die Einflüsse des Judentums auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiet” verharmlost und legitimiert. Gut 40 Jahre später behauptet der FPÖ-Nationalratsabgeordnete und Libertas-AH, Walter Rosenkranz, im Burschenschafter-Jubiläumsband von Martin Graf (aB! Olympia), der studentische Antisemitismus habe seinen Grund in der Tatsache, dass „überdurchschnittlich viele Juden Hörer an den Universitäten waren”. (doew.at, Jänner 2016)
Auch den von der Libertas 2008 an den neonazistischen „Bund freier Jugend“ (BFJ) verliehenen „Carl von Hochenegg-Preis“ verteidigte Rosenkranz. Mit dem 2005 ins Leben gerufenen Förderpreis wolle man „insbesondere Initiativen und Ideen würdigen, die bereits vollständig in die Tat umgesetzt wurden, oder kurz vor der Vollendung stehen“, ist auf der Libertas-Website zu lesen. Damit waren im Fall des BFJ die Kundgebungen und Veranstaltungen der neonazistischen Gruppierung rund um deren Kader Rene Hönig, Stefan Magnet und Michael Scharfmüller gemeint, mit denen „der BfJ in mutiger Weise ein Feld, das sonst quasi ausschließlich der Linken vorbehalten ist [, beanspruchte]; der BfJ sieht sich für seine volkstreuen Aktivitäten stärkster staatlicher Repression ausgesetzt.“
Rosenkranz empfand die heftige Kritik an der 2009 bekannt gewordenen Preisvergabe als
‚reine Diffamierung’. (…) Unsere Burschenschaft hat mit Neonazis nichts am Hut. Was die angezeigten Mitglieder des BFJ betrifft, so sind sie in erster Instanz freigesprochen worden. Den kritisierten Förderpreis gab es für Flugblätter – ‚und die waren wirklich harmlos’. (Niederösterreichische Nachrichten, 2.3.09, S. 12)
Nun war auf der Website der Liberten nichts von Flugblättern, dafür aber explizit von „Kundgebungen und Veranstaltungen” die Rede, die die Libertas als förderwürdig befunden hatte. Zu den Veranstaltungen zählte etwa der zwischen 2003 und 2007 jährlich organisierte „Tag der Volkstreuen Jugend”, bei dem reihenweise verurteilte Neonazis inklusive Holocaustleugner beteiligt waren. Die letzte Veranstaltung aus dieser Reihe im Jahr 2007 wurde nach einer Rede von Günter Rehak von der Polizei aufgelöst. „Staatliche Repression” heißt das wohl im Jargon der Libertas!

Walter Rosenkranz mit dem Rassentheoretiker Kuich
Ziemlich schmerzbefreit zeigte sich der damalige FPÖ-Bildungssprecher Rosenkranz auch 2014 bei einer Veranstaltung des RFS, deren Durchführung in der Wiener TU von der Rektorin kurzerhand verboten wurde. Der Grund war ein Auftritt des Liberten Werner Kuich, der dann in ein Café verbannt seine auf der nationalsozialistischen Rassentheorie basierenden Gedanken zu Intelligenzbildung von sich gab.
Kuich bedauerte, dass Studenten und Akademiker ein familienunfreundliches Umfeld vorfänden und so daran gehindert würden, ihre Intelligenz durch Fortpflanzung weiterzuvererben. Daher sei die Politik gefordert. „Stattdessen werden besonders bildungsferne Migrantenschichten subventioniert. Umso höher der Bildungsgrad, desto geringer ist momentan die Anzahl an Kindern pro Familie“, zitiert „unzensuriert“ aus Kuichs krudem Vortrag. Der zweite Gast am Veranstaltungspodium war Walter Rosenkranz. Der sekundierte seinem Bundesbruder
mit einem Aufruf ans junge akademische Volk des Dritten Lagers, doch wieder vermehrt in den Lehrberuf zu gehen, denn dieser sei nach dem Zweiten Weltkrieg im national-freiheitlichen Lager „nicht mehr en vogue“ gewesen. „Nicht mehr en vogue“ als Synonym für die nach 1945 ausgesprochenen Berufsverbote gegen NS-belastete Lehrer? Stattdessen sei der Lehrberuf, stellte Rosenkranz bedauernd fest, von „alt 68’er[n] und andere[n] vermeintliche[n] Weltverbesserer[n]“ gestürmt worden. (haraldwalser.at, 4.12.14)
Zuvor war Kuich in derselben Publikation des Martin Graf, in der Rosenkranz den akademischen Antisemitismus rechtfertigte, sehr viel deutlicher geworden:
Das deutsche Volk ist auf der Straße zum Volkstod schon ein beträchtliches Stück fortgeschritten.“ Er konstatiert eine „Verringerung der Volkskraft durch fehlenden Nachwuchs und Überfremdung“, dunkle Mächte betrieben den „Versuch des geistigen Völkermordes durch bewußte Zersetzung des Volksbewußtseins. (zit. nach haraldwalser.at, 4.12.14)
Rosenkranz und die Identitären
Als im Februar 2016 der inzwischen zum blauen Generalsekretär aufgestiegene Michael Schnedlitz bei einer Demonstration der Identitären in Wiener Neustadt auftrat und die rechtsextreme Truppe mit „Liebe identitäre Bewegung, ich begrüße Euch recht herzlich in Wiener Neustadt! Hier seid Ihr sehr herzlich willkommen!“ anflirtete, war auch Walter Rosenkranz mit von der Partie und säuselte in Richtung Identitäre: „Landsleute, liebe Patrioten! Ich darf euch hier auch sehr herzlich begrüßen.“

Davon wollte Rosenkranz in einem ZiB 2‑Interview mit Armin Wolf im April 2019 aber nichts mehr wissen. Knapp, nachdem bekannt geworden war, dass der Christchurch-Attentäter an Martin Sellner Geld überwiesen hatte, war Rosenkranz um Abgrenzung von den Identitären bemüht. Er behauptete glatt:
Ja, ich hab sie auch nur medial so kennengelernt, dass das vor Jahren eine Gruppe von jungen Menschen waren, die eigentlich mit den Mitteln, so wie wir sie bis dato eigentlich nur von linken Aktivisten gekannt haben (…), die sich dieser Mittel bedient haben, um ihre politischen Ideen, Programme, Sorgen, Nöte in irgendeiner Form an den Mann zu bringen. Das habe ich auch ja bis vor Jahren auch für durchaus erfrischend gehalten.
Der von der neofaschistischen Truppe „nur medial” erfrischte Rosenkranz zeigte in dem Interview gleich mehrfach sein schlappes Gedächtnis. Obwohl er ab 2013 Mitglied des Ausschusses für innere Angelegenheiten und ab Juli 2016 Mitglied des für die Geheimdienste und den Verfassungsschutz der Republik zuständigen ständigen Unterausschusses war, verblüffte er, konfrontiert mit dem Verfassungsschutzbericht 2014, in dem bereits zu lesen war, dass sich bei den Identitären amtsbekannte Neonazis fänden und Kontakte in andere rechtsextremistische Szenebereiche bestünden, mit der Antwort: „Das schreibt der Verfassungsschutz, mir hat er es nicht geschrieben.“
Als Draufgabe bestritt Rosenkranz auch noch vehement die Tatsache, dass sich das identitäre „Khevenhüller-Zentrum“ in der Linzer Villa „Hagen“ des FPÖ-nahen Studentenvereins befunden habe. „Weil es einfach nicht richtig ist, dass dort die Identitären Mieter waren, einen Sitz haben etc. (…) Dann dürfte ein Mieter, welcher auch immer von diesen vielen, oder jemand anderer das fälschlich angegeben haben. Es stimmt nur nicht.“
Nachsichtig mit Neonazi im Parlament
Als der Fall jenes Neonazi, der im Parlament als Security beschäftigt war und just beim BVT-Untersuchungsausschuss Dienst machte, publik wurde, meinte Rosenkranz im Nationalrat:
Es dürfte sich um einen jungen Menschen handeln. Ich kenne ihn nicht, ich war nicht beim BVT-Untersuchungsausschuss, ich weiß nicht, wer er ist. Es ist jedenfalls ein junger Mensch, wo man vielleicht landläufig sagen kann, wenn er dort mit Küssel und Konsorten herumgehüpft ist, das nennt man auch einen bledn Bua, der vielleicht vom Leben noch nicht so viel erfahren hat. Ich weiß nur eines: dass der jetzt auf jeden Fall einmal seinen Job los ist, dass der jetzt in der Arbeitslosigkeit ist. Und wir wissen ganz genau: Was ist der Nährboden speziell für Extremismus? (…)
Das ist keine Entschuldigung, aber wir wissen ganz genau, dass sein Leben jetzt einmal so ruiniert ist, dass es mich nicht wundern würde, wenn er am Nährbusen dieser krausen Ideologien weiter gestillt wird. Das sehe ich auf jeden Fall auch als problematisch an. (parlament.gv.at, 21.11.18)
Tatsächlich ist der „blede Bua”, der mit damals 24 Jahren so jung nicht mehr war, wie ihn Rosenkranz darstellen wollte, Ende 2022 nach dem Verbotsgesetz verurteilt worden – allerdings nicht, weil er durch den Vorfall im Parlament „ruiniert” wurde, sondern auch für Delikte, die er vor und rund um die Zeit seines Engagements im Parlament begangen hatte. Wenn Rosenkranz nun als Präsident des Nationalrats das Hohe Haus quasi als Resozialisierungsanstalt für Neonazis sieht, dürfen wir uns auf einiges gefasst machen.
Nazis als „Leistungsträger”
Ein Auftritt von Walter Rosenkranz im September 2022 bei Corinna Milborn auf Puls 24 (ausführlich im Kurier wiedergegeben) geriet zum Desaster, denn Milborn redete den blauen Präsidentschaftskandidaten nicht nur auf dessen Beitrag an, den er für Martin Grafs oben genannten Sammelband geschrieben und in dem er Nazis als „Leistungsträger“ hochgeschrieben hatte, sondern auch noch auf die Förderung der „Libertas“ für den „BfJ“. Rosenkranz kam schon hier kräftig ins Trudeln, aber als Milborn dann quasi als Abrundung auch noch einen identitären Türsteher beim FPÖ-Bundesparteitag und seinen Leibwächter aus dem Küssel-Umfeld ansprach, wurde er zusehends unwirscher. Wenn es eng wurde, wusste er fast zu allem nichts, um dann beim Türsteher hinzuraunen: „Mich interessiert das wirklich nicht.“
Wer ist #WalterRosenkranz?
Nazis als Leistungsträger?#Rosenkranz #FPÖ #Rechtsextremismus #Nationalsozialismus #Wiederbetätigung #Austria #FarRight
—
Videoquelle: @puls24news [ab 09’12] https://t.co/sz4JlMIkT0 https://t.co/SuMnxL85BG pic.twitter.com/rZWRljWKNV— @[email protected] @timgrecco.bsky.social (@timgrecco) October 20, 2024
Rosenkranz mit Russland-Propagandisten
Wenige Wochen vor der Bundespräsidentschaftswahl possierte Rosenkranz mit Patrick Poppel, der zu den übelsten Putin-Propagandisten Österreichs zählt. Poppel gründete knapp nach dem russischen Überfall auf die Krim und den Donbass zusammen mit dem einstigen Identitären-Kader Alexander Markovics das „Suworow Institut”, ein Standbein der fünften Kolonne Putins in Österreich. Poppel hat mittlerweile das von ihm veröffentlichte Posting samt Foto mit Rosenkranz von seinem Telegram-Kanal gelöscht.
Hoppla! Walter Rosenkranz soll vor 2 Wochen den üblen Putin-Propagandisten Patrick Poppel, der 2018 den Wien-Besuch des Faschisten Alexander Dugin eingefädelt hat, getroffen haben. Poppel ist mit Alexander Markovics Begründer des rechtsextremen prorussischen Suworow Instituts. pic.twitter.com/kzRp4pVIvm
— stopptdierechten.at (@stopptrechte) October 6, 2022
Burschensause im bayerischen Landtag
Im Juni 2023 luden die AfD-Burschenschafter Christoph Maier (Danubia München), mit dessen rechtsextremen Ausfällen im bayerischen Landtag sich viele Seiten füllen ließen, und Ferdinand Mang (Franco Bavaria) zu einer „Festkneippe” ausgerechnet in die Räumlichkeiten des bayerischen Landtags, was für jede Menge Wirbel bis in den Boulevard hinein und für eine Strafanzeige wegen Nötigung des Journalisten Robert Andreasch sorgte. Sowohl Maier als auch Mang wurden dem inzwischen aufgelösten völkischen „Flügel” der AfD zugerechnet. Als Festredner war ausgerechnet Walter Rosenkranz nach München angereist. Befragt wurde er zu diesem dubiosen Auslandsauftritt nie.
„White Power” im Landtag. Rechte aus der IB #Bayern, der #AfD, der Münchner #Burschenschaften Danubia, Alemannia, Cimbria, Stauffia, Sudetia und der Gothia Berlin, der Frankonia Erlangen u.a. versammelten sich im Maximilianeum Ich war vor Ort. Meine Recherche und Foto bei @br24: https://t.co/28TI23uEun
— Robert Andreasch (@robertandreasch) June 20, 2023
Hinweis: Teile dieses Beitrags wurden anlässlich der Kandidatur von Walter Rosenkranz für das Bundespräsidentenamt vom „Stoppt die Rechten” bereits 2022 veröffentlicht.
➡️ derstandard.at (23.10.24): Lob für einen Nationalsozialisten disqualifiziert Rosenkranz
➡️ DÖW – Neues von ganz rechts — Juli 2022: Zur politischen Biografie von Walter Rosenkranz