Das Handy
Die beiden stehen vor Gericht, weil sie auf dem Handy des bereits verurteilten Neonazis A.L. mit Nachrichten und Bildchen gut vertreten waren. Sozusagen braune Variante von Thomas Schmid und Co. Nur, dass am Handy von Wotan nicht so viel Prominenz mitgemischt hat und die Bilder, die da getauscht wurden, eine andere Qualität haben. Viel Adolf Hitler nämlich. Eigentlich fast nur Adolf Hitler-Bilder und anderer brauner Schund. Antisemitisches wie das vom „Volk, das sein Blut judenfrei“ hält oder ein Zitat von Himmler.
Der Waffenpass
Das alles erfahren ist erst nach der Feststellung der Personalien zu erfahren, die sehr kurz ausfällt, weil beide Angeklagten, die auch sonst häufig als Duo auftreten, nähere Angaben zur Person verweigern und auf ihren Anwalt verweisen. Immerhin wissen wir: Beide sind Security-Mitarbeiter und einer von ihnen ist mit einem Waffenpass ausgestattet. Das ist sozusagen eine amtliche Feststellung: Ein Nazi darf einen Waffenpass besitzen und damit auch Waffen bei sich tragen. Schon wieder eine Überraschung, auf die wir allerdings gerne verzichtet hätten.
Aber sind die beiden auch wirklich Nazis? Zunächst müht sich der Verteidiger Martin Mahrer ab, diese Frage zu entkräften. Nicht sehr überzeugend. Mahrer stellt zu den verschiedenen Anklagepunkten hauptsächlich fest, dass die Ereignisse zwar so stattgefunden haben, aber daraus keine Schuld, kein Vorsatz, sich nationalsozialistisch wiederbetätigt zu haben, abgeleitet werden könne.
Die Tanzbrigade
Damit sind wir beim eigentlichen Problem: Wenn die einzelnen Anklagepunkte nicht oder kaum inhaltlich vorgestellt werden, sondern nur ihre Nummerierung, dann wird es für ungeübte Zuhörer*innen, aber vor allem für die Geschworenen schwierig, sich ein umfassendes Bild von den Angeklagten zu machen. Wer von ihnen weiß denn schon, was die einzelnen politischen Stationen, die den beiden Braunen zugeordnet werden, wirklich bedeuten: Unwiderstehlich, Unsterblich, Ferialverbindung Imperia, Tanzbrigade, Identitäre? Woher sollen die Geschworenen wissen, dass die Nazi-Barden, mit denen die beiden abgefeiert haben bzw. deren Bildchen sie verschickt oder auf T‑Shirts getragen haben, wirklich Nazis sind und nicht, wie die beiden flöten („mir ist kein Lied bekannt, das nationalsozialistisch wäre“), „nur“ Rechtsextreme?
Die beiden Angeklagten bemühen sich nämlich in ihren persönlichen Erklärungen, die sie nach den Eingangsplädoyers von Anklage und Verteidigung dann doch abgeben, jeden Verdacht zu zerstreuen, bei ihnen könnte es sich um Neonazis handeln. Rechtsextrem, ja, aber Neonazis? Nur weil man mit Küssel befreundet ist? Weil man in der Küssel‘schen Ferialverbindung Imperia, vormals „Reich“ benannt, aktiv ist? Weil man Hitler-Bildchen über soziale Medien und Messengerdienste verschickt oder erhält? Und wenn schon etwas anbrennen sollte bei den Fakten, dann sagt man vorsichtshalber, es ist im Ausland passiert. Die beiden kennen sich beim Verbotsgesetz aus. Die Novelle, die auch Wiederbetätigung im Ausland unter Strafandrohung stellen soll, kommt ja erst.
Was aber ist mit dem Nazi-Schrott, der bei den Hausdurchsuchungen in ihren Wohnungen gefunden wurde? Kaum angeschaut, von Dritten zur Verwahrung übernommen und außerdem: Beide wollen die beschlagnahmten braunen Devotionalien nicht mehr zurückfordern, sondern sie der Justiz überlassen.

Der Krug und die Kerzen mit der Sig-Rune
Unter den beschlagnahmten „Gütern“ befinden sich so wertvolle Dinge wie ein Krug mit der Inschrift „Imperia“ und einer Sig-Rune; nach Meinung der beiden braunen Rechtsexperten nicht strafbar, weil nur eine Sig-Rune darauf ist. Das gilt ihrer Meinung nach auch für die Kerzen mit einfacher Sig-Rune. Dann kommt ein schöner Satz: „So eine Kerze können Sie auf jedem Wintermarkt, wenn Sie jetzt ins Heeresgeschichtliche Museum gehen, kaufen.“ Wir merken an: Die Nazis sagen Wintermarkt statt Christkindlmarkt! Im Heeresgeschichtlichen Museum gibt’s allerdings einen Adventmarkt.
Die braune Hochzeit
Die Kerzen mit der Sig-Rune befinden sich vermutlich höchstens als Stummel unter den braunen Reliquien, die jetzt der Justiz gehören. Abgebrannt wurden sie nämlich bei einer Hochzeit. Bei einer braunen Hochzeit. Die war das „Highlight“ der Verhandlung, obwohl sie kaum näher beleuchtet wurde. Schließlich hätten auch wir gerne gewusst, wie so eine germanisch-völkische Hochzeit abläuft. Viel haben wir durch die Verhandlung nicht erfahren darüber, nur, dass der Zeremonienmeister für alles verantwortlich war: für die Kerzen mit der Sig-Rune und für das zusammengefaltete Tuch, hinter dem die Ermittlungsbehörden eine Hakenkreuzfahne vermutet haben.
Vermutlich musste sich das germanisch-völkische Brautpaar ewige Treue schwören auf dem Tuch. Auf einem leeren Fetzen? Der Zeremonienmeister, der da mehr wüsste, kann nicht mehr befragt werden, weil er schon in einem Gerichtsverfahren als unzurechnungsfähig ausgeschieden wurde. Auch, wo sich der Event abspielte, war dem braunen Duo nicht mehr erinnerlich. Sicher nicht auf einer Hütte in Österreich. Theoretisch, meinte Paul B., könnte es Ungarn gewesen sein (wir erinnern uns: Verbotsgesetz gilt – noch – nicht für Taten im Ausland), aber wo, das weiß auch er nicht mehr. Der Staatsanwalt weiß dafür, dass man einen Wald mit so prächtiger Fichtenmonokultur im Hintergrund in ganz Ungarn nicht finden könne.
Die Schlussplädoyers
Natürlich könnte man noch einige Details anführen – wir haben ja brav mitgeschrieben. Aber Angesichts des Umstandes, dass hier gegen Hardcore-Neonazis verhandelt wurde (Staatsanwalt: „Mehr Neonazi geht nicht in Österreich!“), die in Gruppen aktiv waren, von denen über Jahre echte rohe Gewalt ausgegangen ist, über die in dem Prozess kein Sterbenswörtchen gefallen ist, läuft die Verhandlung ziemlich emotionslos und inhaltsleer ab. B. lobt in seinem kurzen Schlusswort das Schlussplädoyer des Staatsanwalts („sehr gut vorgetragen“), C. hält sich noch kürzer, dann ziehen sich die Geschworenen zur Beratung der 21 Fragen, mit denen über Schuld oder Unschuld entschieden wird, zurück.
Die Urteile
Fünf Stunden später dann die Urteile. Paul B. wird zu 18, Thomas C. zu 15 Monaten verurteilt. Beide Urteile werden bedingt auf drei Jahre ausgesprochen. Für die braunen Reliquien in den Wohnungen gibt’s keine Schuld, auch nicht für die Teilnahme an der Hochzeit, bei der die beiden nur unbeteiligt herumgestanden sein wollen. Mit dem Urteil der Geschworenen sind die beiden also nicht nur Rechtsextreme, sondern Neonazis. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
➡️ Thomas C. als Parlaments-Security: „Baldur Wien“ im Parlament
➡️ Zur Neonazi-Gruppe „Unwiderstehlich”: Unwiderstehlich ist nicht unsterblich
