Wer in den Archiven stöbert, kann gut feststellen, dass die FPÖ lange an dem Begriff und der Forderung nach „Minuszuwanderung“ festgehalten hat, während außerparteiliche Rechtsextreme wie die Identitären bereits für die „Remigration“ trommelten.
„Minuszuwanderung“ und Schädling Borkenkäfer
Noch im Jahr 2021 wurde in der offiziellen blauen Sprachregelung die „Minuszuwanderung“ als Forderung deponiert. So sprach der damalige FPÖ-NÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl von der Notwendigkeit einer „Minuszuwanderung“ nach der Pandemie und verglich in diesem Zusammenhang Geflüchtete mit Borkenkäfern. Was macht man mit Borkenkäfern? Nach einer sehr kurzen Phase der Aufregung über diese unfassbare Entgleisung durfte Waldhäusl im „Kurier“ (25.2.21) ausführlich darlegen, dass er das alles anders gemeint habe. Der FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sprach 2021 von der „Minuszuwanderung“, die auch die Lösung für das Problem der Frauenmorde sei. (vgl. OTS, 3.5.2021)
Nachdem 2022 die Freiheitliche Jugend, die starke personelle Verschränkungen mit Identitären aufweist, deren Slogan von der Remigration aufgegriffen und in Oberösterreich in einer Kampagne durch das Land getragen hatte, schwenkte auch die Partei um. Besonders rabiat zeigte sich der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger, der einen „Remigrations-Booster“ durch einen starken Ausreise-Landesrat forderte. Die Parole der „Remigration“ hat seit 2022 bei der FPÖ die „Minuszuwanderung“ abgelöst – ohne jegliche inhaltliche Neudeutung bzw. Änderung.
Die Umdeutung der „Remigration“
Warum ist es dazu gekommen? Ist es denkbar, dass die sprachliche Widersprüchlichkeit der „Minuszuwanderung“ den Ausschlag gegeben hat? Für sprachliche Finessen sind die Rechtsextremen eher nicht bekannt. Fakt ist, dass die „Minuszuwanderung“ als Parole und Forderung in Deutschland nicht gebräuchlich war – nicht zuletzt mangels einer geeigneten Partei, die sie transportiert hätte. Die Neonazis der NPD hielten sich mit Umschreibungen für gewaltsame und massenhafte Abschiebungen nie auf und forderten immer Deportationen. Den Verbotsantrag, den die deutschen Bundesländer 2013 gegen die NPD gestellt hatten, begründeten sie neben dem zentralen Vorwurf, das NS-Ideologem der Volksgemeinschaft zu vertreten, mit dem Vorwurf, „Ausländer und Migranten aus Deutschland gewaltsam deportieren zu wollen“ (zeit.de, 2.12.13). Die AfD, gegründet 2013, vertrat in ihren ersten Jahren eher neoliberale Positionen zur Zuwanderung, bis sie 2018 über Björn Höcke zu klar völkisch-rassistischen und neofaschistischen Positionen von der „Säuberung“ Deutschlands mit „wohltemperierter Grausamkeit“ von „kulturfremden“ Elementen fand.
Bis ungefähr 2015 war der Begriff „Remigration“ nicht mit Zuwanderung bzw. gewaltsamer Abschiebung verbunden, sondern im deutschen Sprachraum faktisch ausschließlich mit der Heimkehr von – vorwiegend jüdischer Emigrant*innen – nach der gewaltsamen Vertreibung durch die Nazis. Noch 2015 beschäftigte sich ein dreitägiges Symposium der Uni Wien mit der „Remigration“ des vertriebenen Lehrpersonals. Das war quasi auch der Schlusspunkt für diesen Sprachgebrauch, denn die Identitären waren zu dieser Zeit schon eifrig mit der Umdeutung des von ihnen gekaperten Begriffs unterwegs.
Ende November 2015 durfte Alexander Markovics, damals noch Sprecher der Identitären Österreichs, in einem ORF-Bürgerforum öffentlich und unwidersprochen die „Remigration“ bereits hier aufhältiger Geflüchteter einfordern. In der Folge war der Slogan von der Remigration bei allen von den Identitären mitveranstalteten oder besuchten Demos vertreten, bis er schließlich von der FPÖ ganz offiziell übernommen wurde und die „Minuszuwanderung“ ablöste. Im November 2023 tauchte dann bei dem Potsdamer Treffen von Rechtsextremen ein Masterplan für „Remigration“ auf, der fatal an die Deportationsphantasien österreichischer Blauer erinnerte.
Offene blaue Deportations- und KZ-Phantasien
2015 hatten Freiheitliche laut und öffentlich darüber phantasiert, wie mit Geflüchteten und „kulturfremden legalen (!) und illegalen Zuwanderer[n]“ zu verfahren sei. Die FPÖ Landstraße, immerhin jener Bezirk, in dem der damalige FPÖ-Parteiobmann Strache auch als Bezirksparteiobmann fungierte, war diesbezüglich ganz offen. Da gab’s kein Herumgedruckse von „Minuszuwanderung“ oder „Remigration“, sondern die klare braune Ansage: Ausländer raus!
- Sämtliche (!) bisherigen Zuerkennungen eines Asylstatus sind aufzuheben – ausgenommen davon Angehörige angrenzender Staaten sowie von Kronländern der ehemaligen Habsburger Monarchie.
- Sämtliche (!) Aufenthalts- und Beschäftigungsbewilligungen bisher legal aufhältiger „Fremder“ – wieder mit den irren Ausnahmen des vorigen Punktes und von Schlüsselkräften – sind ausnahmslos nicht mehr zu verlängern.
- Wer Vermögen erworben hat, das nicht in das Herkunftsland transferiert werden kann, kann einen Antrag zur Aufenthaltsverlängerung um maximal sechs Monate stellen – zur „Vermögensveräußerung“. Dann geht’s nach Vorstellung der Verfasser dieses Fascho-Papers unwiderruflich raus aus Österreich.

Dass dies alles verfassungs- (rechtliche Rückwirkung) und völkerrechtswidrig wäre, hat die Blauen in der FPÖ Landstraße ebenso wenig gekümmert wie die vom Freiheitlichen Akademikerverband (FAV) Salzburg, deren rassistische Hetze noch widerlicher war. Während die FPÖler von der Landstraße eine zeitlich unbegrenzte Schubhaft forderten, trat der FAV Salzburg ganz offen dafür ein, ausweislose Geflüchtete in Arbeitslagern zu internieren. Der „Phasenplan“ des FAV Salzburg war übrigens ab 2009 im Umlauf, bis er dann 2015 – nach öffentlicher Empörung – wieder vom Netz genommen wurde (wie auch die Pläne der FPÖ Landstraße). Ermittlungen gegen Verantwortliche des FAV Salzburg wegen des Verdachts der Verhetzung führten zwar zu einer Anklage gegen dessen Obmann, der Prozess endete allerdings mit einem völlig unverständlichen Freispruch.
Die offenen Deportations- und KZ-Phantasien sind gelöscht – wie auch das „Handbuch Freiheitlicher Politik“, dessen Online-Version als „vergriffen“ bezeichnet wird. Hat die FPÖ deshalb Abstand genommen von ihren Vorstellungen über „Minuszuwanderung“ bzw. „Remigration“? Sicher nicht.
Gerade vor wenigen Tagen hat Harald Vilimsky, Spitzenkandidat der FPÖ bei der Europawahl, seine kruden Vorstellungen über Abschiebungen und Entzug der Staatsbürgerschaft gelüftet. Vilimsky stellt sich eine Probezeit von drei Jahren bei der Neuzuerkennung von Staatsbürgerschaften vor: „Bei Neo-Österreichern, die den österreichischen Staat ablehnen und abendländische Werte ignorieren, sollte der Staat die Möglichkeit haben, die Verleihung der Staatsbürgerschaft als Fehlentscheidung anzuerkennen.“ (Die Presse, 16.3.24) Menschen, die keinen Aufenthaltstitel haben oder am Arbeitsmarkt trotz Aufenthaltstitel „nicht gebraucht werden, sollte man ebenfalls intensiv zur Rückkehr bewegen“ (Die Presse).
Auf die Nachfrage, was er unter „intensiv“ verstehe, antwortet Vilimsky zynisch: „Gegebenenfalls unter Durchsetzung rechtsstaatlicher Methoden.“ – Die haben auch die Kameraden von der FPÖ Landstraße und vom FAV Salzburg für ihre Pläne behauptet.
Egal, ob „Minuszuwanderung“ oder „Remigration“: Beide Parolen und Forderungen unterscheiden sich nicht und laufen auf zwangsweise und gewaltsame Vertreibungen hinaus.
➡️ FPÖ immer dabei: Minuszuwanderung, Remigration, Deportation (Teil 1)
➡️ Die Pläne der FPÖ Landstraße 2015: Die braune Spur der FPÖ Landstraße
➡️ Die Pläne des FAV Salzburg 2009–2015: Kaum Distanz zwischen FAV und FPÖ