Am 5.3. wurden fünf Klimaaktivist*innen der „Letzten Generation“ am Landesverwaltungsgericht Steiermark zu Strafzahlungen verurteilt. Sie hatten sich im Frühjahr am Grazer Kaiser-Josef-Platz festgeklebt. Die Verwaltungsstrafe gegen die Aktivist*innen fiel relativ hoch aus: zwischen 500 und 550 Euro Strafe pro Person. Die „Letzte Generation“ hatte laut eigenen Angaben bereits vor der Urteilsverkündung mehrmals Einspruch gegen den Richter erhoben, und zwar wegen dessen mutmaßlicher Befangenheit.
So hatte der Richter in einem – schriftlich ausgefertigten – Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2023 den menschengemachten Klimawandel als eine „umstrittene Hypothese“ und eine „politische Ideologie“ bezeichnet, die vor allem von „sogenannten grünen und anderen Parteien und politischen Gruppierungen vertreten“ werde. (derstandard.at, 5.3.24) Beides ist objektiv falsch: Der Klimawandel ist keine „umstrittene Hypothese“, sondern ein Sachverhalt, der von einem überwältigenden wissenschaftlichen Konsens bestätigt wird. Eine „politische Ideologie“ ist er schon gar nicht, vielmehr wird er seitens der Vertreter*innen einer politischen Ideologie verleugnet. Es fragt sich, ob eben der betreffende Richter dieser Ideologie anhängt? Sein Name ist Gerhard Maier, Ex-Direktor des steirischen FPÖ-Landtagsklubs.
Blauer Richter als Resultat von politischer Postenbesetzung?
Über die Verurteilung der fünf Klimaaktivist*innen durch Maier gab es etliche Medienberichte. Sie alle erwähnten nicht, dass bereits seine Bestellung zum Richter umstritten war, denn diese war eine von mehreren politischen Besetzungen – nicht nur durch die FPÖ – im Jahr 2013, als die neu gegründeten Landesverwaltungsgerichte aufgebaut wurden, die mit Anfang 2014 den Betrieb aufnahmen. Damals gab es heftige Kritik seitens der Richtervereingung:
Christa Hanschitz, Vorsitzende der Richtervereinigung an den unabhängigen Verwaltungssenaten, kritisiert im Ö1-Morgenjournal die Personalbesetzung: „Das macht vom Anschein her ein verheerendes schlechtes Bild in der Öffentlichkeit.“ Der Anschein der Parteilichkeit sei gegeben, ein Richter sollte jedoch unparteilich und unabhängig sein, sagte Hanschitz. (derstandard.at, 8.7.13)
Der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser bezeichnete die steirischen Postenbesetzungen damals als einen „schweren Sündenfall“, der das „Ansehen der Verwaltungsgerichtsbarkeit“ beschädigen werde. (news.at, 8.7.13)
Ein Skandal
Die parteipolitische Vergabe von Richter*innenstellen erweckt nun den Anschein, als resultiere sie tatsächlich in der politischen Befangenheit eines Richters, die möglicherweise so weit geht, dass die blaue Realitätsverweigerung hinsichtlich der Klimakrise auch in Urteilen Fuß fassen kann. Reinhard Steurer, renommierter Professor für Klimapolitik, fand Worte in angebrachter Schärfe für diesen Skandal:
Die Verleugnung der Klimakrise durch Politiker in der Exekutive und Legislative ist ein bekanntes Problem, vor allem bei Parteien am rechten Rand. Dass es nun auch in der Judikative Personen gibt, die nicht nur unter dieser Realitätsverweigerung leiden, sondern damit auch noch über das Schicksal von Klimaaktivist:innen entscheiden, ist im Grunde ein Skandal, der eine politische Korrektur erfordert. (grazer.at, 5.3.24)
Eine andere Sicht auf das Erkenntnis vom 24.10.23 hat der Jurist Hans Peter Lehhofer in einem Tweet geäußert:
Die im Artikel [gemeint ist ein Artikel der „Kleinen Zeitung“, Anmk. SdR] zitierten Ausschnitte dürften, soweit das nachvollziehbar ist, nicht entscheidend für die Bestätigung der Verwaltungsstrafe gewesen sein. Das objektive Tatbild dürfte unstrittig verwirklicht worden sein. (…) Das Gericht hat damit nicht ausgesprochen, dass der Klimawandel nicht existiert oder nicht menschgemacht wäre, sondern es hat in einer konkreten Verwaltungsstrafsache das Vorliegen entschuldigenden Notstands ausgeschlossen, vielleicht mit unglücklich formulierter Begründung.
Ob das nun wirklich nur eine „unglücklich formulierte Begründung“ ist, können wir als juristische Laien nicht einschätzen. Feststeht: Maiers Formulierungen irritieren und appellieren an bekannte rechte Ideologeme. Dies tun sie auch, wenn sie nicht direkt die Urteilsbildung hinsichtlich des „objektiven Tatbildes“ (also hinsichtlich des Festklebens am Boden) begründen. Maiers Formulierungen transportieren kaum verdeckt einen spezifischen politischen Spin und haben daher in einem Erkenntnis eines österreichischen Gerichtshofes nichts verloren.