Hitlergruß oder Tanzbewegung?
Der 22-jährige Marcel C. musste sich am 10.1.24 vor dem Landesgericht Graz in einem Prozess nach dem Verbortsgesetz verantworten. Aufgrund einer bereits am 5.5.2023 erfolgten Verurteilung wegen leichter Körperverletzung ging es bei dem Prozess, der dann vertagt wurde, um eine Zusatzstrafe.
Laut Anklage soll er in der Nacht von 15. auf 16.4.23 im Lokal „Spargo“ in Deutschlandsberg drei Mal einen Hitlergruß getätigt und „Heil Hitler“ sowie „Sieg Heil“ gerufen haben. Ein Überwachungsvideo sollte dies bestätigen. Zum Beleg dafür, dass es sich hier um ein Muster handle, zeigte die Staatsanwaltschaft ein Foto, das in Ungarn aufgenommen wurde, auf dem C. mit anderen aus einer GAK-Fangruppe den Hitlergruß auf einer Balustrade machte.
Laut Verteidigung habe C. in der inkriminierten Nacht lediglich Tanzbewegungen gemacht. Zudem seien die Aussagen der Zeug*innen widersprüchlich. Der Angeklagte plädierte auf „nicht schuldig“ und blieb auch während der Befragung dabei, dass er nur getanzt habe. Das später in Ungarn aufgenommene Foto sei im Rahmen eines „Saufurlaubs“ entstanden. Von der auf dem Bild ersichtlichen Fahne mit Sigrune sowie der Aufschrift „Division 84“ wollte er nichts gewusst haben, auch nicht, warum er den rechten Arm gehoben hatte. Die „84“ leitete der Angeklagte von der Postleitzahl her und nicht etwa von dem bekannten Neonazi-Code, der für „Heil Deutschland“ steht.
Ein Zeuge, der C. im Lokal zur Rede gestellt hatte, weshalb es zu einer Rangelei gekommen war, belastete C.. Ein zweiter Zeuge, ein Freund des Angeklagten, sagte, er hätte keine Wiederbetätigung wahrgenommen.
Andere geladene Zeug*innen, auch der Besitzer des Lokals, blieben der Verhandlung fern. Deshalb wurde der Prozess vertagt und am 12.3. fortgesetzt. Der Angeklagte blieb auch hier bei seiner Tanz-Version. Diesmal kam es zu einem Urteil. Nach weiteren Zeug*innen-Aussagen, wobei insbesondere eine Zeugin den Angeklagten sehr dezidiert belastete, wurde Marcel C. von den Geschworenen für schuldig befunden. Er erhielt sechs Monate bedingt als Zusatzstrafe zu der vorangegangenen Verurteilung. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
„Stolzem“ Neonazi sind Gesetze „scheißegal”
Am 13.3. wurde einem 40-jährigen Tiroler in Klagenfurt der Prozess nach dem Verbotsgesetz gemacht. Der Mann war 2021 aus seinem letzten Haftaufenthalt entlassen worden und stand insgesamt bereits elf Mal vor Gericht, u.a. wegen Wiederbetätigung und Körperverletzung. Diesmal ging es u.a. um zahlreiche Besuche in verschiedenen Schwimmbädern vergangenen Sommer, wo er sein SS-Tattoo auf der linken Schulter öffentlich zur Schau stellte. Ebenfalls im Sommer 2023 bereitete der Mann der Polizei einen
Wegen lauter Musik rief eine Nachbarin die Polizei. Als die Beamten in der Wohnung eintrafen, hob der Angeklagte die rechte Hand zum Hitlergruß, zog sein T‑Shirt aus, um ein Tattoo eines SS-Totenkopfsymbols auf seinem linken Schulterblatt zu zeigen und erklärte dann, dass er ein stolzer Nazi sei. (orf.at, 13.3.24)
Zu Beginn des Prozesses erklärte der „stolze Nazi“, dass ihm die Gesetze „scheißegal“ seien. Dies brachte ihm eine scharfe Verwarnung durch den Richter ein. Im Verlauf des Prozesses änderte sich das Verhalten des Mannes.
„Ich bin kein Nazi und lasse das Tattoo entfernen, wenn ich Geld dafür habe. Außerdem möchte ich mich in Therapie begeben“, sagt der Angeklagte kleinlaut. Die Geschworenen sprechen ihn dennoch der Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes schuldig. Zum zweiten Mal nach 2016. Damals hatte er Hitler-Bilder mit dem Text „Dem Führer die Treue“ versendet und in sozialen Medien einen Bericht über verstorbene Flüchtlinge mit „endlich“ kommentiert. (kleinezeitung.at, 13.3.24)
Das Urteil lautete zwei Jahre unbedingter Haft. Es ist nicht rechtskräftig.