Schon der Veranstaltungsort der „Volition“ erweckt Assoziationen ins rechtsextreme Feld: Das Gasthaus zum Zirbenschlössl in Sipbachzell fungierte bereits mehrfach als Austragungsort von Events des rechtsextremen Internet-TV-Senders AUF1 und ist daher wohl auch auf das Publikum der „Volition“ eingestellt. Ob diese auf Natur und Natürlichkeit gepolte Klientel jedoch damit rechnet, dass direkt hinter dem Gasthaus die vielbefahrene Westautobahn verläuft und nach vorne der Blick auf einen Gewerbepark fällt, darf bezweifelt werden.
Die „Volition”
Der „Kongress“ findet nun bereits zum vierten Mal statt und feiert im Juli seine Premiere in Österreich. Das Format einer hybriden Veranstaltung, bei der eine Live-Eintrittskarte satte 144 Euro für ein Zweitagesprogramm kostet – ohne Verpflegung und Nächtigung, versteht sich – und die Online-Teilnahme 44 Euro, dürfte sich zum einträglichen Geschäftsmodell entwickelt haben. Damit es sich auszahlt, werden im Nachfeld auch noch DVDs und USB-Sticks vertickert. Bei der „Volition” im Frühjahr wurden sogar Kindertickets feilgeboten: Um 70 Euro konnten Verschwörungsideologen auch Kinder ab acht Jahren indoktrinieren. Der Umsatz dürfte sich pro Kongress auf mehrere zigtausend Euro belaufen. Immerhin wird mit den Vortragenden ein Teil der Haute Volée des deutschsprachigen Obskurantentums aufgeboten.
Die Organisation
Drei Organisationen firmieren als Veranstalter: „W14“, „Blog‑M“ und die „Akademie für BewußtseinsMedizin“. Das simuliert lediglich eine gewisse Größe, denn hinter den ersten beiden steht nur eine Person, der deutsche Esoterik-Influencer Michael Bauder. „W14“ heißt Bauders Verein, der laut Website-Impressum seinen Sitz in Graz hat, dessen erst kürzlich eröffnetes Vereinszentrum sich allerdings in Deutschland (Wendehausen, Thüringen) befindet. Auf der Website findet sich ein unter esoterischen Gemeinplätzen verschlagwortetes Kursangebot: „Mystik“, „Transformation“, „Naturkraft“; zur Zielsetzung des Vereins heißt es u.a. vage: „Beeinträchtigungen, belastende Einflüsse der Zivilisation auszuschließen, diese zu neutralisieren.“
Unter dem Namen „Blog‑M“ betreibt Bauder einen YouTube- sowie einen Telegram-Kanal, wo er eine Gefolgschaft von etwa 13.000 Abonnent*innen erreicht. Bei den Videos handelt es sich ausschließlich um Gespräche mit anderen Szene-Akteur*innen. Schnell wird dabei die enge Verbindung zu jenen Personen sichtbar, die vor kurzem das geschichtsrevisionistische Treffen „Rheinwiesen- und Ahrtaltreffen“ organisiert haben und sich mit offensiver NS-Relativierung und völkischer Verklärung immer wieder in den Nahbereich von neonazistischen Narrativen bewegen – das geht mitunter bis hin zur offenen Leugnung der Shoah, wie wir im Rahmen einer gemeinsamen Recherche mit AROB (Antifaschistische Recherche Oberberg) ausführlich berichtet haben.
Direkt aus dem Umfeld dieser Gruppe an der Organisation der „Volition“ beteiligt ist der deutsche Ex-Apotheker Carsten Pötter, Leiter der „Akademie für BewußtseinsMedizin“, die freilich mit einer universitären Akademie nichts zu tun hat, aber immerhin eine Ausbildung zum „Seelenwegbegleiter“ anbietet. Pötter ist selbsternannter „Herzblut-Alchemist“ und vertreibt über seine Firma „Resonalogic“ pseudomedizinische Präparate, sogenannte „Resonanzmittel“ oder auch „CauSolyte“.
„Heilung der deutschen Volksseele“
Neben seiner Akademie bietet Pötter gemeinsam mit Nancy Mandody und deren Lebensgefährten Oliver Kloth auch Schulungen zum „Veritas-Begleiter“ an. Kloth und Mandody waren im engen Organisationsteam für das „Rheinwiesen- und Ahrtaltreffen“ aktiv, wobei sich insbesondere Kloth durch explizite Holocaustleugnung hervorgetan hat. Mandody wird bei der „Volition“ sprechen und zwar über ihr „Fachgebiet“, die „Heilung der deutschen Sprache“.
Die Website zu dem gemeinsamen Projekt – „friedensprojekt.info“ – ist außerordentlich erhellend hinsichtlich des fluiden Zusammenspiels von esoterischen und völkisch-deutschnationalen Ideologemen. Man will an „der Heilung der Deutschen Volkseele“ mitwirken, hin zur „Ganzwerdung des Deutschen Geistes“, was nur gelinge, wenn wir uns mit „unseren Ahnen rückverbinden“.
Pötter scheint seit wenigen Tagen nicht mehr als Mitbegründer und Betreiber des Projekts auf der Website auf. In der Homepage-Präambel war Pötter vor kurzem noch als Mitbegründer genannt:
Wir, Nancy und Carsten, haben gemeinsam das Veritas Begleiter-Portal ins Leben gerufen, um an der Heilung der deutschen Volkseele mitzuwirken. Unser Ziel ist die Ganzwerdung des Deutschen Geistes. Dies kann nach unserem Verständnis nur gelingen, wenn wir uns in Liebe und Wohlwollen auch wieder mit unseren Wurzeln und unseren Ahnen rückverbinden.
Pötter verkündete im Zuge eines Seminars in Österreich Anfang Mai seinen Rückzug. Seinen Platz nimmt nun Oliver Kloth ein. Zudem wurden zwei ganze Rubriken von der Homepage entfernt, etwa jene, die bis vor kurzem unter dem Titel „Die wahren Viren“ die verschwörungsphantastische und NS-affine Ideologie dieser Gruppe ungeschminkt gezeigt hat. Dort wurde zu den „Viren“ etwa die „Frankfurter Schule“ gezählt, also jene vornehmlich jüdischen Intellektuellen um Max Horkheimer und Theodor W. Adorno, die vor dem NS-Terror fliehen mussten und von denen die völkischen Heiler*innen die antisemitisch grundierte Behauptung aufstellen, sie würden „als intellektuelle Basis der Bundesrepublik Deutschland“ gelten, und es ginge ihnen darum „den Geist der Menschen unter Kontrolle zu bringen“. Die Entfernung wird vermutlich eine Reaktion auf unsere Veröffentlichungen sein.
Wichtiger noch für die Gruppe ist der vom US-Amerikaner William Toel erfundene Verschwörungsmythos um „Bletchley Park“, wo während des zweiten Weltkrieges angeblich der geheime Plan zur Zerstörung Deutschlands ausgeheckt wurde; Mandody moderiert eine inzwischen 17-teilige Videoserie namens „Es war einmal in Bletchley-Park“, wo nahe am Guru Toel mit unterschiedlichen Akteur*innen über das seit 1945 geknechtete Deutschland sinniert wird.
Auch zum engen Kreis um die Veranstalter zählt die pensionierte Salzburger Kunsthistorikerin Catherine T., die mit ihrem YouTube-Kanal immerhin 26.600 und über Telegram fast 30.000 Follower erreicht. T., die bei „Volition“ ebenfalls sprechen wird und auch zum Orga-Team des „Rheinwiesen“-Events gehörte, tritt regelmäßig sowohl mit Bauder als auch mit Mandody in Gesprächsformaten auf. Ebenso wie Letztere und deren Holocaustleugner-Partner fungiert auch sie als Sprachrohr einer verschwörungsideologischen und braunen Esoterik.
Davon zeugt nicht nur eine rechtskräftige Verurteilung wegen Holocaustverharmlosung von Februar 2022 durch das Salzburger Landesgericht, sondern etwa auch ein Interview mit dem erwähnten William Toel, das im November 2022 stattgefunden hat. Das Gespräch mit dem Titel „Lass uns über Liebe sprechen“ wird getragen von der Behauptung, dass Deutschland zuerst ein geblendetes Opfer von Hitler war und dann der Alliierten. Der grob NS-relativierende Grundton des Gesprächs entsteht durch die fortwährende Suggestion, die alliierte Herrschaft sei noch schlimmer als die NS-Herrschaft gewesen; dazu die Behauptung, Deutschland sei nach 1945 seiner „Männlichkeit“ beraubt worden.
T. greift in dem Gespräch die von Toel entwickelte, sexistische Schwurbel-Metapher von Deutschland als „junge, naive Frau“ auf, und sie streicht nochmals hervor, wie unschuldig diese daran war, an den falschen Liebhaber (Hitler) gekommen zu sein: Die unschuldige Frau „gibt ihre ganze Liebe dem verkehrten Mann, jemandem, der sie gefangen nahm; es ist ein Raub“. Dann komme der Retter: „der Brite, der Ami“. Die Frau sei aber „immer noch gefangen, mehr als davor“. Dann sehe die Frau, was „der Beschützer anrichtet: er entfernt die Männer, den Mann; die Rheinwiesen (…), es war wie eine Kastration des Männlichen, der dann die Frau nicht mehr beschützen kann“.
Das Stichwort von der Rheinwiese nimmt Toel gerne auf: Dort seien 800.000 Menschen ermordet worden, darunter 40 % Kinder, denn laut der „neu auferlegten Geschichtsschreibung“, also jener der Alliierten, seien Deutsche „keine echten Menschen“. Dabei handelt es sich um eben jene Neonazi-Lüge, die auch der Anlass für das besagte „Rheinwiesen- und Ahrtaltreffen“ war. (1)
Delirierender Verschwörungsglaube
Zur deutschnationalen und NS-revisionistischen Stoßrichtung kommt eine scheinbar bodenlose Faszination für Verschwörungsideologen, die sich bei T. völlig ungehalten bahnbricht, was immer wieder im (nicht immer kodierten) Antisemitismus mündet. So will sie in Ausgabe fünf des gemeinsam mit Bauder veranstalteten YT-Talkformat „Zeit für Drei“ etwa der Frage nachgehen „wer die Strippenzieher sind“ und zwar „ein bissl feiner als nur unterteilen in Deep State und die vom gelobten Land“.
Dass es auch noch wirrer geht, zeigt T. in einem Gespräch mit dem QAnon-Verschwörungshändler Traugott Ickeroth, das sie auf YouTube wegen seines krassen Inhalts nur ankündigt und stattdessen auf der Plattform „Rumble“ veröffentlicht. Unter dem Titel „Das Ende des Empires“ kommen die beiden schnell zu blutrünstigsten Wahnbehauptungen aus dem QAnon-Universum, das insgesamt ein durchgeknalltes Aufkochen der ur-antisemitischen Erzählung von systematischen Kinderopferungen durch eine jüdische Elite ist. Ickeroth schildert seinen Wahn in drastischen Details, wenn er ausführt, dass die Weltbeherrscher bei ihren „satanischen Ritualen“ spätestens „beim finalen Kehlschnitt“ dann „so drei Meter bis drei Meter fünfzig groß“ werden und sich „auf die totgefolterten Opfer“ stürzen.
Die Verstrickung mit der extremen Rechten liegt auch mit Bezug auf die USA völlig offen zutage. Ickeroth bezeichnet „Black Lifes Matter“ und die „Antifa“ als „die Gegenseite“. Alle Quellen, auf die die beiden sich positiv beziehen, sind rechte Verschwörungsideologen von Donald Trump abwärts, bis hin zu den übelsten Hetzern wie etwa Alex Jones und Tucker Carlson.
Die Affinität für Trump und dessen MAGA-Bewegung ist so groß, dass T. gar zu der Einschätzung gelangt, die USA sei Europa „in Bezug auf den Aufwachprozess“ voraus. Das sagt schon viel eingedenk des milieutypischen Antiamerikanismus. Der Vollständigkeit halber: T. schätzt auch Putin freilich sehr. „Trump ist wie Putin, die versprechen nichts, was sie nicht halten.“ Mehr Unsinn in einem kurzen Satz verpackt ist kaum noch möglich!
➡️ Teil 2: Ein Blick auf weitere Vortragende
Fußnoten:
1 Zur Nachlese, was an den Rheinwiesen tatsächlich passiert ist, siehe etwa dieser „Spiegel“-Bericht!