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Wochenrückblick KW 5/23 (Teil 2): 1 Nazi, 3 Staatsverweigerer und Blood & Honour

Vom „Deut­schen Kai­ser­reich“, das wie im Fall eines Ober­ös­ter­rei­chers ganz schön braun sein kann über zwei Pro­zes­se gegen ehe­ma­li­ge Akti­ve im staats­feind­li­chen „Staa­ten­bund“ bis zu einer Bür­ger­ver­samm­lung im Vor­arl­ber­ge­ri­schen Kob­lach, die durch die Betei­li­gung von (amts)bekannten Neo­na­zis ziem­lich kipp­te, rei­chen Mel­dun­gen aus der ver­gan­ge­nen Woche. Schlier­­bach-Stey­­r/OÖ: Das „Kai­ser­reich“ von Neo­na­zis St. Johann-Inns­­bruck: Der phan­tas­ti­sche Mikro­staat Tirol […]

9. Feb 2023

Schlier­bach-Stey­r/OÖ: Das „Kai­ser­reich“ von Neonazis
St. Johann-Inns­bruck: Der phan­tas­ti­sche Mikro­staat Tirol des „Staa­ten­bun­des“
Bez. Amstet­ten-St. Pöl­ten: Staa­ten­bund – Pen­sio­nis­ten-Ehe­paar droht Richter
Koblach/Vbg: Rechts­extre­me Ran­da­le gescheitert

Schlier­bach-Stey­r/OÖ: Das „Kai­ser­reich“ von Neonazis

Es war eine Whats­App-Grup­pe, die sich zwar „Deut­sches Kai­ser­reich“ nann­te, aber in Wirk­lich­keit Hit­ler und des­sen Ver­bre­cher­reich hul­dig­te, in der sich pri­mi­tivs­ter mör­de­ri­scher Anti­se­mi­tis­mus („Genie­ße das Leben in vol­len Zügen“, „Anne Frank, die cools­te Jüdin im Dusch­raum“ usw.) paar­te mit Nick­na­mes wie „Rom­mel“ usw.. 80 Per­so­nen tausch­ten in der Grup­pe brau­nem Dreck aus: Haken­kreu­ze, Hit­ler­bil­der, brau­ne „Wit­ze“, mit­ten­drin der 23-Jäh­ri­ge aus Schlier­bach im Bezirk Kirch­dorf, der sich vor dem Lan­des­ge­richt Steyr in der Vor­wo­che wegen NS-Wie­der­be­tä­ti­gung ver­ant­wor­ten musste.

Sei­ne „Ver­ant­wor­tung“ bestand dar­in, dass eigent­lich die Freun­din Schuld hat­te an sei­nen poli­ti­schen Über­zeu­gun­gen – weil sie ihn näm­lich ver­las­sen hat­te. Rund vier Mona­te brauch­te er, um die Whats­App-Grup­pe, der er im März des Vor­jah­res bei­getre­ten war, wie­der zu verlassen:

Weil Fami­lie und Freun­de ihn dann dazu gedrängt hät­ten, sag­te er zu Rich­te­rin Chris­ti­na Forst­ner auf die Fra­ge, war­um er so lan­ge für die­sen über­fäl­li­gen Abschied gebraucht habe. Sei­ne bei der Poli­zei getä­tig­te Aus­sa­ge wie­der­hol­te er vor Gericht: „Es war ja nicht alles schlecht, was Hit­ler gemacht hat. Die Leu­te hat­ten etwas zu essen und Arbeit.“ Und die Auto­bahn sei eben­falls gebaut wor­den. (nachrichten.at 1.2.23)

Das war noch nicht alles. In einer ande­ren Whats­App-Grup­pe ver­schick­te er Fotos von selbst­ge­bas­tel­ten Haken­kreu­zen, bei sich zuhau­se hat­te er „eine üppi­ge Samm­lung von Andenken an die Nazi­zeit“.

Das Urteil der Geschwo­re­nen war zwar klar, die Stra­fe aber mil­de: 12 Mona­te bedingt auf drei Jah­re und dann noch die Auf­la­ge eines „Gedenk­päd­ago­gi­schen Rund­gan­ges im KZ Maut­hau­sen“, den es in betreu­ter Form für erwach­se­ne Straf­fäl­li­ge gar nicht gibt.

St. Johann-Inns­bruck: Der phan­tas­ti­sche Mikro­staat Tirol des „Staa­ten­bun­des“

Sie war dabei und doch nicht wirk­lich – nach eige­nen Anga­ben. Beim „Staat Tirol“, einem Able­ger des „Staa­ten­bun­des“ von Moni­ka Unger. Moni­ka K. (39) war zwar nicht die Che­fin im „Staat Tirol“, aber durch­aus flei­ßig, etwa bei der Aus­stel­lung von „Lebend­mel­dun­gen“. An die 60 „Lebend­mel­dun­gen“ soll sie aus­ge­stellt haben, nach eige­nen Anga­ben aller­dings nur 15. Kos­tet natür­lich etwas, so eine „Lebend­mel­dung“, mit der man bewei­sen kann, dass man nicht nur eine Per­son, son­dern ein „Mensch“ ist und so ver­meint­lich Zugang zu gro­ßen Geld­sum­men hat. Außer­dem kann einem „Men­schen“ mit „Leben­der­klä­rung“ die Repu­blik mit ihren Geset­zen und Vor­schrif­ten den Buckel run­ter­rut­schen. Wenn man etwa bei einer Geschwin­dig­keits­über­tre­tung erwischt und zu einer Ver­wal­tungs­stra­fe ver­don­nert wird, dann droht Moni­ka K. eben mit einer saf­ti­gen Scha­den­er­satz­kla­ge. Die Jus­tiz der ech­ten Repu­blik Öster­reich nennt das dann tro­cken: Ver­bre­chen der ver­such­ten Bestim­mung zum Miss­brauch der Amts­ge­walt nach §§ 15, 12 zwei­ter Fall, 302 Abs. 1 StGB.

Urkunde der "Lebendmeldung" des Staatenbundes
Urkun­de der „Lebend­mel­dung” des Staatenbundes

Moni­ka K. ver­sucht sich gegen­über den Geschwo­re­nen ganz klein zu machen, ihre Rol­le im „Staat Tirol“ her­un­ter­zu­spie­len: „War zwei bei drei Vor­trä­gen wegen der Unger, hät­te aber kei­ne Ahnung gehabt, was Unger da erzählt hat. Sie hat zwar gewusst, dass Unger einen ‚Staat im Staa­te‘ grün­den woll­te, habe das aber für uto­pisch gehal­ten. An 8 bis 10 Stamm­ti­schen habe sie teil­ge­nom­men“, wird sie in dem uns vor­lie­gen­den Pro­zess­be­richt zitiert. Dabei war sie auch für höchs­te Auf­ga­ben im „Staa­ten­bund“ vor­ge­se­hen, war Mit­glied im „Wei­sen­rat“ des „Staa­ten­bun­des“ und als Schöf­fin im Pro­zess, den der „Staa­ten­bund“ gegen Ver­ant­wort­li­che der Repu­blik füh­ren woll­te, vorgesehen.

Im „Staat Tirol“, der, im März 2016 gegrün­det, bis zu sei­ner Auf­lö­sung 2017 durch Ver­haf­tun­gen und Ermitt­lun­gen 170 Mit­glie­der hat­te, war Moni­ka K. eine der Aktivs­ten, sagen Zeug*innen aus. Die Moni­ka K. sieht das zwar ganz anders, nützt ihr aber nichts. Die Geschwo­re­nen befin­den sie nicht nur bei der ver­such­ten Bestim­mung zum Amts­miss­brauch, son­dern auch bei der ver­such­ten Nöti­gung und beim Ver­bre­chen der staats­feind­li­chen Ver­bin­dung (§ 246 StGB) für schul­dig. Das Straf­aus­maß von zwei Jah­ren wird für ein hal­bes Jahr in eine Geld­stra­fe umge­wan­delt (1.440 Euro) und für die rest­li­chen ein­ein­halb Jah­re zur Bewäh­rung aus­ge­setzt. Rechtskräftig.

Wir dan­ken für die Prozessbeobachtung!

Bez. Amstet­ten-St. Pöl­ten: Staa­ten­bund – Pen­sio­nis­ten-Ehe­paar droht Richter

Hin­ter der Ankla­ge gegen das Pen­sio­nis­ten­ehe­paar wird das eigent­li­che Dra­ma kurz sicht­bar. Ein Rich­ter hat 2012 den Antrag einer Bank auf Ver­stei­ge­rung der land- und fort­wirt­schaft­li­chen Lie­gen­schaft des Paa­res bewil­ligt. Die Exe­ku­ti­ons­for­de­rung der Bank beläuft sich auf 2,1 Mil­lio­nen Euro.

Es han­del­te sich dabei um den elter­li­chen Bau­ern­hof der 69-Jäh­ri­gen, den das Ehe­paar belehnt hat­te, um den land­wirt­schaft­li­chen Betrieb des 70-jäh­ri­gen Ehe­man­nes zu moder­ni­sie­ren. Die Schul­den häuf­ten sich und – schlecht bera­ten hin oder her – die Bank woll­te Geld sehen, das man mit­tels Zwangs­ver­stei­ge­rung in Nie­der­ös­ter­reich ein­trei­ben woll­te. (meinbezirk.at, 3.2.23)

Das Ehe­paar kon­tak­tiert auf Emp­feh­lung von Bekann­ten Moni­ka Unger, die damals noch „amtie­ren­de Prä­si­den­tin“ des „Staa­ten­bun­des“, und die Sache nimmt ihren gewohn­ten Ver­lauf. Die bei­den wer­den gegen gerin­ge Gebühr Mit­glie­der des „Staa­ten­bun­des“, Unger setzt ein Droh­schrei­ben an den Rich­ter auf, die bei­den unter­schrei­ben, der Rich­ter wird mit mas­si­ven Scha­den­er­satz­for­de­run­gen via Mal­ta-Masche bedroht.

Für Staats­an­walt Bernd Schnei­der han­del­te es sich dabei um die Ver­bre­chen der ver­such­ten Bestim­mung zum Amts­miss­brauch und der ver­such­ten Erpres­sung. Gleich­zei­tig wur­de dem Ehe­paar das Ver­ge­hen der staats­feind­li­chen Ver­bin­dung zur Last gelegt, wobei der 70-Jäh­ri­ge sich doch wesent­lich weni­ger an den Akti­vi­tä­ten betei­ligt hat­te. Dass sich das Paar nach der Zwangs­ver­stei­ge­rung noch am Hof auf­hielt und zwei Rin­der schlach­ten ließ, wur­de der 69-Jäh­ri­gen dar­über hin­aus noch als Dieb­stahl ange­las­tet. (meinbezirk.at)

Die Geschwo­re­nen erkann­ten bei bei­den auf Schuld, das Straf­aus­maß (15 Mona­te für die Frau, zehn für den Mann, Bewäh­rungs­frist) fiel mil­de aus und ist bereits rechtskräftig.

Koblach/Vbg: Rechts­extre­me Ran­da­le gescheitert 

Für den 20. Jän­ner war in Kob­lach die Demons­tra­ti­on einer Bür­ger­initia­ti­ve ange­sagt, die damit im Vor­feld einer Bür­ger­ver­samm­lung gegen die Unter­brin­gung von 30 bis 45 Geflüch­te­ten in zwei leer­ste­hen­den Gebäu­den pro­tes­tie­ren woll­te. In der Gemein­de, die knapp 5.000 Bewohner*innen zählt, waren bis zu die­sem Zeit­punkt 77 Geflüch­te­te untergebracht.

Die Fron­ten schie­nen klar: Die FPÖ, die Freie Bür­ger­par­tei (FBP) und Neo­na­zis aus dem Blood & Honour-Umfeld woll­ten die Bür­ger­initia­ti­ve unter­stüt­zen. Dann folg­te aber die posi­ti­ve Über­ra­schung: Die Bür­ger­initia­ti­ve sag­te ihre Demo ab, weil sie sich nicht von Rechts­extre­men miss­brau­chen las­sen woll­te. Gemeint waren damit in ers­ter Linie die Typen von der FBP und von B & H.

Zur Bür­ger­ver­samm­lung erschie­nen dann an die 400 Per­so­nen. Eine „emo­tio­na­le Debat­te“ sei es gewe­sen, berich­te­te der ORF Vor­arl­berg (20.1.23), mit „aggres­si­vem Ton“, die „Vor­arl­ber­ger Nach­rich­ten“ schrie­ben von „teils beängs­ti­gen­den Szenen“:

Der Grund dafür: Unter den Besu­chern waren Mit­glie­der des mili­tan­ten Neo­na­zi-Netz­wer­kes Blood & Honour, die Stim­mung gegen Flücht­lin­ge gemacht haben. Auch rechts­extre­me Paro­len wur­den skan­diert. Wie die Poli­zei auf VN-Anfra­ge mit­teil­te, sind des­we­gen Ermitt­lun­gen im Gan­ge. Details wur­den nicht genannt.“ (vn.at, 31.1.23)

Zwi­schen der FBP, B & H und den sons­ti­gen Über­bleib­seln rechts­extre­mer Erre­gun­gen (Pegi­da, Coro­na und Alko­hol) dürf­te es einen regen Aus­tausch geben. Die FBP hat gera­de das BZÖ Kärn­ten inha­liert und tritt als BFK (Bünd­nis für Kärn­ten) bei der Land­tags­wahl in Kärn­ten an. Neo­na­zis von Blood & Honour, die in Vor­arl­berg bes­tens ver­an­kert sind, wur­den zuletzt 2019 bei einer bun­des­wei­ten Raz­zia häus­lich besucht, die Ermitt­lun­gen sind allem Anschein nach aber noch immer nicht abgeschlossen.

Die FPÖ Kob­lach fin­det die auf der Bür­ger­ver­samm­lung prä­sen­tier­te Lösung für die Unter­brin­gung von 30 Geflüch­te­ten mitt­ler­wei­le in Ord­nung. Blaue in Vor­arl­berg ticken manch­mal doch noch anders als im Rest des Bundesgebiets!

Ein Vorarlberger B&H (= Combat 18)-Neonazi aus Koblach (Screenshot YT 2009)
Ein Vor­arl­ber­ger B&H (= Com­bat 18)-Neonazi aus Kob­lach (Screen­shot YT 2009)