Bez. Oberwart-Eisenstadt: Sechs Prozesse, sechs Schuldsprüche
Landeck-Innsbruck: Braunes Nest in der Bundesheerkaserne
Bez. Oberwart-Eisenstadt: Sechs Prozesse, sechs Schuldsprüche
Es begann mit einer Anzeige, wonach in einem Gasthaus im Bezirk Oberwart eine Hitler-Geburtstagsfeier stattgefunden habe. Auf dem Handy des Wirts seien zwar keine Belege für die Feier gefunden worden, dafür aber haufenweise Nazi-Chats, die in zwei Gruppen geteilt wurden. Bei beiden Gruppen – eine nannte sich „Schützenverein Rotenturm“ war das „Publikum“ durchaus gemischt: Es war auch federführend ein Justizwachebeamter dabei, der dafür bereits 2022 verurteilt worden ist. 55 Personen seien angezeigt worden. Es überrascht daher nicht, dass eine Prozessflut folgte, alleine in der letzten Woche fanden in Eisenstadt gleich sechs Verhandlungen in dieser Causa statt, die allesamt mit Schuldsprüchen endeten.
Am 30. Jänner musste ein etwa 50-jähriger Burgenländer am Landesgericht Eisenstadt aufmarschieren. Bei Fragen zu den widerlichen Sujets, die er zwischen 2016 bis 2020 verschickt hatte, zog er es vor zu schweigen. Es folgte ein einstimmiger Schuldspruch. „14 Monate bedingte Haft. 3.600 Euro Geldbuße. 500 Euro Verfahrenskosten und das beschlagnahmte Handy wird konfisziert. Der Burgenländer akzeptierte, der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab. Daher nicht rechtskräftig.“ (meinbezirk.at, 30.1.23)
Am selben Tag folgte der Prozess gegen einen weiteren Beschuldigten aus der Chatgruppe.
Der Angeklagte ist ebenfalls aus dem Bezirk Oberwart, ledig, Mitte 50. Er musste sich für den Versand von rund 30 verbotenen Bildern, Videos und Texten im Zeitraum 2017 bis 2020 verantworten. Vertreten von Rechtsanwältin Ina-Christin Stiglitz bekannte sich der Mann reumütig schuldig, führte es auf Dummheit zurück und meinte: „Ist halt passiert!“ (meinbezirk.at, 30.1.23)
Das Urteil mit 14 Monaten bedingt, einer Geldstrafe über 3.000 Euro plus Übernahme der Verfahrenskosten (500 Euro) ist bereits rechtskräftig.
Am nächsten Tag folgten zwei weitere Prozesse. Diesmal mit einem etwa 60-jährigen Installateur, der zwischen März 2017 und 2020 34 Nachrichten verschickt hat, die angeklagt wurden.
Der Angeklagte bekannte sich schuldig. Sprach von „Gruppendynamik“, ohne viel nachzudenken. „Ich habe die Dateien erhalten und weitergeschickt. Im Nachhinein…eine blöde Geschichte“, rechtfertigte sich der Burgenländer. Auf die Frage von Präsident Dr. Mitterhöfer: „Warum haben sie den Versendern nicht zurückgeschrieben, dass sie so einen Schwachsinn nicht erhalten wollen?“, gab es statt einer Antwort ein verzweifeltes Schulterzucken, gepaart mit erkennbarer Ratlosigkeit. (meinbezirk.at, 31.1.23)
Auch bei ihm ist das Urteil mit 14 Monaten bedingt, 2.700 Euro Geldstrafe und 500 Euro Verfahrenskosten bereits rechtskräftig.
Der zweite Angeklagte an diesem Tag hatte nicht nur Nachrichten verschickt, sondern dem Wirt, in dessen Gasthaus die Hitler-Feier stieg, zwei Hakenkreuz-Fahnen geschenkt. Bei der Führerfeier sei er nicht dabei gewesen, betonte der Mann.
„Ich habe lediglich davon gehört!“ Im Zuge des Verfahrens bestritt er dann aber weder das Versenden und Speichern von „Hitler-Propaganda“, noch den Besitz von Devotionalien. Ganz im Gegenteil. Der Mann entschuldigte sich für seine Verfehlungen. Aufgrund der präzis aufgelisteten Vorwürfe seitens der Staatsanwältin sprachen die Geschworenen schließlich auch diesen Angeklagten einstimmig und rechtskräftig schuldig. 720 Euro Geldbuße. 12 Monate bedingte Haft. 500 Euro Gerichtskosten und Konfiszierung des Handys. (meinbezirk.at, 31.1.23)
Am 2. Februar folgten die nächsten zwei Beschuldigten. Der Anwalt des ersten, Mitte 50-jährigen Angeklagten führte die braunen Chatnachrichten auf die damalige schlechte psychische Verfassung des Burgenländers und dessen Alkoholproblem zurück. Auch bei ihm gab’s einen einstimmigen Schuldspruch. „Rechtskräftig fasste er 13 Monate bedingte Haft aus sowie eine Geldbuße von 1.800 Euro. Weiters sind 500 Euro Prozesskosten zu bezahlen und sein Handy wird vernichtet.“ (meinbezirk.at/, 2.2.23)
Seinem in dieser Causa bereits verurteilten Cousin folgte ein 38-jähriger Angeklagter, der vor Gericht nicht erklären konnte, wie es zu dem auf seinem Handy gespeicherten braunen Müll kam.
Dutzendfach hatte er erhaltene Fotos und Videos mit Darstellungen von Adolf Hitler und glorifizierenden Nazi-Machenschaften per WhatsApp weitergeleitet, so die Staatsanwältin. Unter anderem auch an seinen Cousin, der in einem Vorverfahren bereits verurteilt worden ist. Der Angeklagte berichtete, dass in Gruppenchats mit rund 40 Mitgliedern immer wieder solche verbotenen Dateien kursierten. Auf die Frage der Richterin: „Von wem haben sie so viele Bilder und Filme bekommen?“, sagte der Familienvater: „Von Freunden!“ (meinbezirk.at/, 2.2.23)
Mit einem ebenfalls bereits rechtskräftigen Urteil endete der Nazi-Prozessreigen der letzten Woche in Eisenstadt: 16 Monate bedingt, 1.800 Euro Geldstrafe und Übernahme der Verfahrenskosten.
Landeck-Innsbruck: Braunes Nest in der Bundesheerkaserne
Dass in der Landecker Kaserne bereits ab 2019 wegen brauner Umtriebe gegen eine größere Gruppe aus dem Bundesheer ermittelt wurde, ist erst im Zuge des Prozesses gegen einen seit November suspendierten Berufssoldaten publik geworden. Am 1. Februar musste sich der 30-jährige Marcel Z. vor dem Innsbrucker Landesgericht verantworten. Der war als Ausbildner Teil einer WhatsApp-Gruppe mit 15 Soldaten, in der eigentlich Schulungsunterlagen geteilt werden hätten sollen. Stattdessen wurde dort zunehmend Nazi-Content ausgetauscht. Einen Teil davon hatte Z. auch seinem Vorgesetzten geschickt, der wegen anderer Umtriebe ins Visier der Behörden geraten war. Z. packten böse Vorahnungen, die ihn veranlassten, seine Nachrichten an den Vorgesetzten zu löschen – im Prozess meinte er dann, das Verbotsgesetz nicht zu kennen.
Z. bekennt sich zwar zum Versand der Bilder schuldig, leugnet aber, dass er damit den Nationalsozialismus verharmlosen oder verherrlichen wollte. (…) „Allgemein”, wisse er, dass das Versenden solcher Bilder verboten ist, sagt Z. Genauere Gedanken habe er sich allerdings erst im Februar des Vorjahres gemacht. Damals rückte sein Vorgesetzter ins Visier der Verfassungsschützer. Z. löschte daraufhin die Nachrichten an den Verdächtigen. Im Zuge der Ermittlungen stießen die Beamten aber auf den Chatverlauf mit Z.. Anfang Oktober klingelte die Polizei, am 8. November wird Z. schließlich des Dienstes enthoben. Vom Verbotsgesetz habe er „noch nie etwas gehört”, sagt der ehemalige Berufssoldat am Mittwoch vor Gericht. (derstandard.at, 1.2.23)
Unter den von Z. geteilten Inhalten befand sich auch ein Foto, das einen Polster mit Hakenkreuz mitsamt seiner fünfjährigen Tochter zeigte. Am Ende der Verhandlung setzte es einen Schuldspruch, 18 Monate Haft bedingt und 1.440 Euro Geldstrafe – nicht rechtskräftig. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, muss sich Marcel Z. nach einem neuen Job umschauen, denn einen automatischen Rausschmiss aus dem Bundesheer gibt’s bereits ab einer Strafhöhe von mehr als 12 Monaten.
Am 3. März muss Z. dem Innsbrucker Gericht nochmals einen Besuch abstatten, diesmal als Zeuge gegen seine damaligen Vorgesetzten. In der Zugskanzlei seien Devotionalien wie die Hochzeitsausgabe von Hitlers „Mein Kampf ausgestellt gewesen, der Hitlergruß getätigt, Nazi-Musik abgespielt und ein rotes Holzei mit Hakenkreuz herumgezeigt worden mit der Aufforderung, es zu küssen. „Einer der nun angeklagten Neonazis soll während seines Diensts ein Wehrmacht-Soldbuch in seiner Brusttasche getragen — und dies als Dienstvorschrift bezeichnet haben.“ (Tiroler Tageszeitung, 2.2.23, S. 6)
Auf die Vorfälle in der Landecker Kaserne angesprochen, meinte der Pressesprecher des Verteidigungsministeriums:
Im letzten Jahr sei es lediglich zu „drei bis vier Fällen gekommen”. Es herrsche eine „Null-Toleranz-Politik”, versichert Bauer. Natürlich sei „ein Fall einer zu viel”. Man könne „den Leuten das allerdings auch nicht ins Hirn dreschen”. Das Bundesheer sei mit seinen rund 55.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eben ein „repräsentativer Grundschnitt durch die österreichische Gesellschaft“. (derstandard.at, 1.2.23)
Das ist eine bemerkenswerte Aussage, nachdem gerade in Institutionen wie dem Bundesheer mit waffentragenden Angehörigen der Tauglichkeit des Personals besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Wenn in einer einzigen Kaserne gleich mehr als zehn Personen in neonazistischen Umtrieben involviert sind, müssten die Alarmglocken läuten, denn die Zahl liegt sogar eindeutig weit über dem österreichischen Schnitt.