Wochenrückblick KW 5/23 (Teil 1): Prozesse, Prozesse

In Eisen­stadt fan­den in der let­zten Woche gle­ich sechs Prozesse nach dem Ver­bots­ge­setz statt. Betrof­fen waren eine Rei­he von Män­nern, die sich in ein­er What­sApp-Gruppe fleißig wieder­betätigt hat­ten. Und in der Bun­desheerkaserne Lan­deck ist im Zuge von Ermit­tlun­gen gegen zwei Vorge­set­zte wegen des Ver­dachts auf Wieder­betä­ti­gung gle­ich noch eine ganze Gruppe mit 15 Ange­höri­gen aufge­flo­gen. Der erste aus der Riege wurde let­zte Woche nach dem Ver­bots­ge­setz verurteilt.

Bez. Ober­wart-Eisen­stadt: Sechs Prozesse, sechs Schuldsprüche
Lan­deck-Inns­bruck: Braunes Nest in der Bundesheerkaserne

Bez. Ober­wart-Eisen­stadt: Sechs Prozesse, sechs Schuldsprüche

Es begann mit ein­er Anzeige, wonach in einem Gasthaus im Bezirk Ober­wart eine Hitler-Geburt­stags­feier stattge­fun­den habe. Auf dem Handy des Wirts seien zwar keine Belege für die Feier gefun­den wor­den, dafür aber haufen­weise Nazi-Chats, die in zwei Grup­pen geteilt wur­den. Bei bei­den Grup­pen – eine nan­nte sich „Schützen­vere­in Roten­turm“ war das „Pub­likum“ dur­chaus gemis­cht: Es war auch fed­er­führend ein Jus­tizwachebeamter dabei, der dafür bere­its 2022 verurteilt wor­den ist. 55 Per­so­n­en seien angezeigt wor­den. Es über­rascht daher nicht, dass eine Prozess­flut fol­gte, alleine in der let­zten Woche fan­den in Eisen­stadt gle­ich sechs Ver­hand­lun­gen in dieser Causa statt, die alle­samt mit Schuld­sprüchen endeten.

Am 30. Jän­ner musste ein etwa 50-jähriger Bur­gen­län­der am Lan­des­gericht Eisen­stadt auf­marschieren. Bei Fra­gen zu den wider­lichen Sujets, die er zwis­chen 2016 bis 2020 ver­schickt hat­te, zog er es vor zu schweigen. Es fol­gte ein ein­stim­miger Schuld­spruch. „14 Monate bed­ingte Haft. 3.600 Euro Geld­buße. 500 Euro Ver­fahren­skosten und das beschlagnahmte Handy wird kon­fisziert. Der Bur­gen­län­der akzep­tierte, der Staat­san­walt gab keine Erk­lärung ab. Daher nicht recht­skräftig.“ (meinbezirk.at, 30.1.23)

Am sel­ben Tag fol­gte der Prozess gegen einen weit­eren Beschuldigten aus der Chat­gruppe. 

Der Angeklagte ist eben­falls aus dem Bezirk Ober­wart, ledig, Mitte 50. Er musste sich für den Ver­sand von rund 30 ver­bote­nen Bildern, Videos und Tex­ten im Zeitraum 2017 bis 2020 ver­ant­worten. Vertreten von Recht­san­wältin Ina-Christin Stiglitz bekan­nte sich der Mann reumütig schuldig, führte es auf Dummheit zurück und meinte: „Ist halt passiert!“ (meinbezirk.at, 30.1.23)

Das Urteil mit 14 Monat­en bed­ingt, ein­er Geld­strafe über 3.000 Euro plus Über­nahme der Ver­fahren­skosten (500 Euro) ist bere­its rechtskräftig.

Am näch­sten Tag fol­gten zwei weit­ere Prozesse. Dies­mal mit einem etwa 60-jähri­gen Instal­la­teur, der zwis­chen März 2017 und 2020 34 Nachricht­en ver­schickt hat, die angeklagt wurden.

Der Angeklagte bekan­nte sich schuldig. Sprach von „Grup­pen­dy­namik“, ohne viel nachzu­denken. „Ich habe die Dateien erhal­ten und weit­ergeschickt. Im Nachhinein…eine blöde Geschichte“, recht­fer­tigte sich der Bur­gen­län­der. Auf die Frage von Präsi­dent Dr. Mit­ter­höfer: „Warum haben sie den Versendern nicht zurück­geschrieben, dass sie so einen Schwachsinn nicht erhal­ten wollen?“, gab es statt ein­er Antwort ein verzweifeltes Schul­terzuck­en, gepaart mit erkennbar­er Rat­losigkeit. (meinbezirk.at, 31.1.23)

Auch bei ihm ist das Urteil mit 14 Monat­en bed­ingt, 2.700 Euro Geld­strafe und 500 Euro Ver­fahren­skosten bere­its rechtskräftig.

Der zweite Angeklagte an diesem Tag hat­te nicht nur Nachricht­en ver­schickt, son­dern dem Wirt, in dessen Gasthaus die Hitler-Feier stieg, zwei Hak­enkreuz-Fah­nen geschenkt. Bei der Führerfeier sei er nicht dabei gewe­sen, betonte der Mann. 

„Ich habe lediglich davon gehört!“ Im Zuge des Ver­fahrens bestritt er dann aber wed­er das Versenden und Spe­ich­ern von „Hitler-Pro­pa­gan­da“, noch den Besitz von Devo­tion­alien. Ganz im Gegen­teil. Der Mann entschuldigte sich für seine Ver­fehlun­gen. Auf­grund der präzis aufge­lis­teten Vor­würfe seit­ens der Staat­san­wältin sprachen die Geschwore­nen schließlich auch diesen Angeklagten ein­stim­mig und recht­skräftig schuldig. 720 Euro Geld­buße. 12 Monate bed­ingte Haft. 500 Euro Gericht­skosten und Kon­fiszierung des Handys. (meinbezirk.at, 31.1.23)

Am 2. Feb­ru­ar fol­gten die näch­sten zwei Beschuldigten. Der Anwalt des ersten, Mitte 50-jähri­gen Angeklagten führte die braunen Chat­nachricht­en auf die dama­lige schlechte psy­chis­che Ver­fas­sung des Bur­gen­län­ders und dessen Alko­hol­prob­lem zurück. Auch bei ihm gab’s einen ein­stim­mi­gen Schuld­spruch. „Recht­skräftig fasste er 13 Monate bed­ingte Haft aus sowie eine Geld­buße von 1.800 Euro. Weit­ers sind 500 Euro Prozesskosten zu bezahlen und sein Handy wird ver­nichtet.“ (meinbezirk.at/, 2.2.23)

Seinem in dieser Causa bere­its verurteil­ten Cousin fol­gte ein 38-jähriger Angeklagter, der vor Gericht nicht erk­lären kon­nte, wie es zu dem auf seinem Handy gespe­icherten braunen Müll kam.

Dutzend­fach hat­te er erhal­tene Fotos und Videos mit Darstel­lun­gen von Adolf Hitler und glo­ri­fizieren­den Nazi-Machen­schaften per What­sApp weit­ergeleit­et, so die Staat­san­wältin. Unter anderem auch an seinen Cousin, der in einem Vorver­fahren bere­its verurteilt wor­den ist. Der Angeklagte berichtete, dass in Grup­pen­chats mit rund 40 Mit­gliedern immer wieder solche ver­bote­nen Dateien kur­sierten. Auf die Frage der Rich­terin: „Von wem haben sie so viele Bilder und Filme bekom­men?“, sagte der Fam­i­lien­vater: „Von Fre­un­den!“ (meinbezirk.at/, 2.2.23)

Mit einem eben­falls bere­its recht­skräfti­gen Urteil endete der Nazi-Prozess­reigen der let­zten Woche in Eisen­stadt: 16 Monate bed­ingt, 1.800 Euro Geld­strafe und Über­nahme der Verfahrenskosten.

Lan­deck-Inns­bruck: Braunes Nest in der Bundesheerkaserne

Dass in der Lan­deck­er Kaserne bere­its ab 2019 wegen brauner Umtriebe gegen eine größere Gruppe aus dem Bun­desheer ermit­telt wurde, ist erst im Zuge des Prozess­es gegen einen seit Novem­ber sus­pendierten Beruf­s­sol­dat­en pub­lik gewor­den. Am 1. Feb­ru­ar musste sich der 30-jährige Mar­cel Z. vor dem Inns­bruck­er Lan­des­gericht ver­ant­worten. Der war als Aus­bild­ner Teil ein­er What­sApp-Gruppe mit 15 Sol­dat­en, in der eigentlich Schu­lung­sun­ter­la­gen geteilt wer­den hät­ten sollen. Stattdessen wurde dort zunehmend Nazi-Con­tent aus­ge­tauscht. Einen Teil davon hat­te Z. auch seinem Vorge­set­zten geschickt, der wegen ander­er Umtriebe ins Visi­er der Behör­den ger­at­en war. Z. pack­ten böse Vorah­nun­gen, die ihn ver­an­lassten, seine Nachricht­en an den Vorge­set­zten zu löschen – im Prozess meinte er dann, das Ver­bots­ge­setz nicht zu kennen.

Z. beken­nt sich zwar zum Ver­sand der Bilder schuldig, leugnet aber, dass er damit den Nation­al­sozial­is­mus ver­harm­losen oder ver­her­rlichen wollte. (…) „All­ge­mein”, wisse er, dass das Versenden solch­er Bilder ver­boten ist, sagt Z. Genauere Gedanken habe er sich allerd­ings erst im Feb­ru­ar des Vor­jahres gemacht. Damals rück­te sein Vorge­set­zter ins Visi­er der Ver­fas­sungss­chützer. Z. löschte daraufhin die Nachricht­en an den Verdächti­gen. Im Zuge der Ermit­tlun­gen stießen die Beamten aber auf den Chatver­lauf mit Z.. Anfang Okto­ber klin­gelte die Polizei, am 8. Novem­ber wird Z. schließlich des Dien­stes enthoben. Vom Ver­bots­ge­setz habe er „noch nie etwas gehört”, sagt der ehe­ma­lige Beruf­s­sol­dat am Mittwoch vor Gericht. (derstandard.at, 1.2.23)

Unter den von Z. geteil­ten Inhal­ten befand sich auch ein Foto, das einen Pol­ster mit Hak­enkreuz mit­samt sein­er fün­fjähri­gen Tochter zeigte. Am Ende der Ver­hand­lung set­zte es einen Schuld­spruch, 18 Monate Haft bed­ingt und 1.440 Euro Geld­strafe – nicht recht­skräftig. Sollte das Urteil recht­skräftig wer­den, muss sich Mar­cel Z. nach einem neuen Job umschauen, denn einen automa­tis­chen Rauss­chmiss aus dem Bun­desheer gibt’s bere­its ab ein­er Strafhöhe von mehr als 12 Monaten.

Am 3. März muss Z. dem Inns­bruck­er Gericht nochmals einen Besuch abstat­ten, dies­mal als Zeuge gegen seine dama­li­gen Vorge­set­zten. In der Zugskan­zlei seien Devo­tion­alien wie die Hochzeit­saus­gabe von Hitlers „Mein Kampf aus­gestellt gewe­sen, der Hit­ler­gruß getätigt, Nazi-Musik abge­spielt und ein rotes Holzei mit Hak­enkreuz herumgezeigt wor­den mit der Auf­forderung, es zu küssen. „Ein­er der nun angeklagten Neon­azis soll während seines Dien­sts ein Wehrma­cht-Sol­dbuch in sein­er Brust­tasche getra­gen — und dies als Dien­stvorschrift beze­ich­net haben.“ (Tirol­er Tageszeitung, 2.2.23, S. 6)

Auf die Vor­fälle in der Lan­deck­er Kaserne ange­sprochen, meinte der Press­esprech­er des Vertei­di­gungsmin­is­teri­ums: 

Im let­zten Jahr sei es lediglich zu „drei bis vier Fällen gekom­men”. Es herrsche eine „Null-Tol­er­anz-Poli­tik”, ver­sichert Bauer. Natür­lich sei „ein Fall ein­er zu viel”. Man könne „den Leuten das allerd­ings auch nicht ins Hirn dreschen”. Das Bun­desheer sei mit seinen rund 55.000 Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­ern eben ein „repräsen­ta­tiv­er Grund­schnitt durch die öster­re­ichis­che Gesellschaft“. (derstandard.at, 1.2.23)

Das ist eine bemerkenswerte Aus­sage, nach­dem ger­ade in Insti­tu­tio­nen wie dem Bun­desheer mit waf­fen­tra­gen­den Ange­höri­gen der Tauglichkeit des Per­son­als beson­dere Aufmerk­samkeit geschenkt wer­den sollte. Wenn in ein­er einzi­gen Kaserne gle­ich mehr als zehn Per­so­n­en in neon­azis­tis­chen Umtrieben involviert sind, müssten die Alar­m­glock­en läuten, denn die Zahl liegt sog­ar ein­deutig weit über dem öster­re­ichis­chen Schnitt.