Kirchberg am Wechsel-Wiener Neustadt/NÖ: Freispruch trotz Hitlergruß
Salzburg: Freispruch trotz Holocaustleugnung
Bez. Oberwart-Eisenstadt: Freispruch nach Schuldsprüchen
St. Veit-Klagenfurt: Schuldspruch unvermeidlich
Wels/OÖ: Ein völlig unverständliches und mildes Urteil
Wien: Schuldspruch für einen „Eisernen“
Kirchberg am Wechsel-Wiener Neustadt/NÖ: Freispruch trotz Hitlergruß
Kirchberg am Wechsel, das ist die niederösterreichische Gemeinde, in der der Norbert Burger (1929–1992), Südtirol-Terrorist, Olympia-Burschenschafter und Gründer der NDP, zuhause war. Gut, das ist schon einige Jahrzehnte her, aber die Lebensrune prangt noch immer auf seinem Wohnhaus. Dazu der rechtsextreme Spruch: „Die Männer sind des Reiches Hüter, das Volk jedoch lebt durch die Mütter.“ Die Lebensrune war nicht nur das Symbol der (verbotenen) NDP, sondern ist auch ein verbotenes NS-Symbol. Deshalb ist das öffentliche Zeigen dieser Rune nach dem Abzeichengesetz strafbar – und zwar eindeutig.
Das hat zwar nicht unmittelbar etwas mit dem Fall zu tun, der am 24.1.23 vor dem Landesgericht Wiener Neustadt verhandelt wurde, aber passt schon zu der Haltung: Ist doch nicht so schlimm, oder? Dem Angeklagten wurde jedenfalls vorgeworfen, in einem Lokal unweit des Kirchberger Freibades die rechte Hand zum Hitlergruß gehoben und „Sieg Heil“ gerufen zu haben. bezirk.at (27.1.23) fasste die Verhandlung in wenigen Sätzen zusammen: „Seine Erklärung dafür war, er sei betrunken gewesen und habe mit dieser Gesinnung nichts am Hut. Auch Zeugen bestätigten, dass der Mann nicht ins ‚rechte Eck‘ gehöre. Freispruch.“
Salzburg: Freispruch trotz Holocaustleugnung
Angeklagt war ein mäßig, aber doch Prominenter aus der Szene der Corona-Schwurbler: „Gesundheitsmechaniker“ nennt sich der Ergotherapeut Roland Karner aus dem Salzburger Lungau auf seinem Telegram-Kanal, wo er irre Sprüche wie diesen von sich gibt: „Das Gesundheitswesen ist eine der gefährlichsten Kreaturen für die eigene Gesundheit.“ Noch immer fast 14.000 Abonnent*innen folgen ihm dort.
Karner war 2021 auch MFG-Propagandist, der sich am 24.1.23 vor dem Salzburger Landesgericht wegen Verharmlosung des Holocaust nach § 3h Verbotsgesetz und auch nach § 3g verantworten musste. Unter anderem, weil er auf seinem TG-Kanal ein Video veröffentlichte, in dem er dem damaligen Gesundheitsminister Rudi Anschober einen Aufnäher mit einem gelben Judenstern und der Inschrift „ungeimpft“ vor die Kamera hielt und dazu die doofe Frage stellt: „Rudi, schon mal gesehen?“
Der „Standard“ (24.2.23) berichtet aber auch noch von den anderen Vorwürfen aus der Anklage:
Neben dem inkriminierten Video wird dem 40-Jährigen auch vorgeworfen, in einer Diskussion auf seinem Telegram-Account Holocaust-Verharmlosungen geduldet zu haben. Der Selbstständige eröffnete den Diskurs mit dem Hochladen eines Porträts von Adolf Hitler und der Aufschrift „Hitler hat nie selbst jemanden getötet. Das waren alles nur Leute, die ihren Job gemacht haben”. Daraufhin hat sich eine rege Debatte entwickelt. Ein Nutzer verbreitete darunter etwa: „Leuchters Report lesen: Hitler und die Nationalsozialisten besaßen keine Gaskammern. Zyklon B wurde zur Desinfektion genutzt.“
Kommentare, die ihn kritisierten, löschte der „Gesundheitsmechaniker“ schon, den Kommentar zum Holocaustleugner Leuchter dagegen nicht. Stattdessen postete er dazu: „‚Man darf den Mainstream nicht in Frage stellen? Das ist Blasphemie an der Schwurbler-Welt‘, und fügte noch ein Einhorn-Emoticon hinzu. „Wie anders kann man das verstehen als eine Zustimmung?”, fragte der Staatsanwalt die Geschworenen.“
Das völlig unverständliche Urteil der Geschworenen (7 zu 1): Der „Gesundheitsmechaniker“ ist unschuldig im Sinne der Anklage. Der Wahrspruch der Geschworenen wurde von den Berufsrichtern auch nicht ausgesetzt, die Staatsanwaltschaft sah keine Nichtigkeit – somit ist das Urteil rechtskräftig.
Bez. Oberwart-Eisenstadt: Freispruch nach Schuldsprüchen
Im März des Vorjahres berichteten wir über die im Burgenland ausgehobenen braunen WhatsApp-Chatgruppen, die im Burgenland ausgehoben wurden. An die 20 bis 30 Personen, darunter ein Polizist, tauschten sich mit braunen Postings und Fotos aus. Es gab auch schon Anklagen, die bisher – nach unserem Kenntnisstand – allesamt mit Verurteilungen endeten. Nicht so die Verhandlung vor dem Geschworenengericht Eisenstadt am 24.1., bei der ein Mechaniker aus dem Bezirk Oberwart angeklagt war, weil er zwischen März 2015 und November 2020 „eine Vielzahl an ‚Nazi-Dateien‘ versendet hat. Von Abbildungen des Hakenkreuzes und Sieg-Heil Sprüchen bis hin zu Darstellungen des Hitler-Grußes“, wie meinbezirk.at (25.1.23) berichtete: „Zudem eine Unmenge an derben, rassistischen Texten sowie Dokumentationen über Holocaust-Verharmlosungen — die hier bewusst nicht näher erläutert bzw. aufgelistet werden.“
Der Angeklagte bekannte sich auch schuldig, wollte aber mit dem Nationalsozialismus nichts im Sinn gehabt haben dabei: „Es war halt lustig!“ Erst nach fünf Jahren will er von seinem Schwiegervater, einem Polizisten, erfahren haben, dass das Versenden solcher Postings und Fotos verboten sei;dann habe er aufgehört.
Die Geschworenen nahmen ihm das alles ab und sprachen ihn einstimmig von jeder Schuld frei. Die Berufsrichter wollten nicht dagegenhalten. Das Urteil ist daher rechtskräftig.
St. Veit-Klagenfurt: Schuldspruch unvermeidlich
In seiner Wohnung fanden sich ein beleuchtetes Hakenkreuz, ein Hitler-Gemälde, Nazi-Musik und sogar ein Hitler-Bier. Außerdem auf seinem rechten Oberschenkel ein Tattoo mit den SS-Runen, das er laut Anklage öffentlich zur Schau gestellt hatte. Dazu noch Nazi-Propaganda in sozialen Medien. Das reicht für eine Anklage und den Prozess am 24.1. wegen NS-Wiederbetätigung gegen den 26-Jährigen aus St. Veit. „Weil er ‚mit dem ganzen Blödsinn‘ nichts mehr zu tun haben wolle, habe er sich das Tattoo inzwischen entfernen lassen, so der 26-Jährige. Sein Verteidiger forderte ihn daraufhin dazu auf, die Hose herunterzulassen, „damit jeder sehen kann, dass die Nazi-Symbole weg sind.” (heute.at, 25.1.23)
Die vorsitzende Richterin verzichtete darauf. Die Geschworenen waren sich in diesem Fall ziemlich rasch einig: Schuldspruch! Die Strafe: 2.000 Euro Geldstrafe und 14 Monate bedingt. Rechtskräftig.
Wels: Ein völlig unverständliches und mildes Urteil
Am 25.1.23 fand vor dem Welser Landesgericht eine Verhandlung statt, die angekündigt war „wegen Verbrechen nach dem Verbotsgesetz und Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung im Zeitraum Anfang 2020 bis Mitte 2021 in Grünau im Almtal u. a. Orten“. Angeklagt war ein 59-Jähriger, der „seinen Sohn mit Nazidrillmethoden gepeinigt, ihn geschlagen und auf den Buben sogar mit einer Luftdruckpistole geschossen haben soll“. Die „Krone“ schrieb vor dem Prozess, dass der Angeklagte seine Erziehungsmaßnahmen „wohl aus der Zeit seiner offensichtlichen Gesinnung entlehnt“ habe. Das ist zwar eine etwas umständliche Beschreibung für die Nazidrillmethoden, aber man versteht. Nicht aber das Gericht und/oder die Geschworenen! Wir waren leider nicht bei diesem Prozess vertreten, drum können wir nur neuerlich die „Krone“ zitieren, die am 27.1. über den Prozess berichtete:
Seine Gesinnung soll der Vater während eines Familienausflugs in den Tierpark Grünau im Almtal offen zur Schau gestellt haben, als er plötzlich vom gemütlichen Gehen in den Stechschritt gewechselt und auch den Hitlergruß gezeigt haben soll. Und daheim habe er sich auch entsprechend benommen und die NS-Zeit verherrlichende Phrasen gedroschen haben. Eineinhalb Jahre soll laut Anklage das Martyrium des Buben gedauert haben.
NS-Wiederbetätigung wird mit einer Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn Jahren geahndet, die „fortgesetzte Gewaltausübung“ gegen unmündige Personen (§ 107b StGB) mit einer Strafandrohung zwischen sechs Monaten und fünf Jahren.
Was aber ist am Landesgericht Wels passiert? Die Anklagepunkte wegen NS-Wiederbetätigung wurden „fallen gelassen“ (Krone), die fortgesetzte Gewaltausübung mit nicht nachvollziehbaren drei Monaten bedingt, also unter dem Mindeststrafsatz, beurteilt. Das Urteil war laut „Krone“ noch nicht rechtskräftig – vermutlich, weil sich die Staatsanwaltschaft nicht sofort dazu geäußert hat.
Wien: Schuldspruch für einen „Eisernen“
Der Angeklagte Roman P., der sich am 26.1. vor dem Landesgericht wegen NS-Wiederbetätigung nach § 3g Verbotsgesetz verantworten musste, ist ein alter Bekannter aus der Szene. Zehn Vorstrafen zwischen 1992 und 2011 (Sachbeschädigung, schwere Körperverletzung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Waffengesetz usw.) hat er schon am Buckel, 2012 gab es dann ein Strafverfahren nach dem Verbotsgesetz wegen eines Hitlergrußes (vermutlich beim Begräbnis seines Nazi-Protegés „Uwe“. Wurde aber eingestellt. Eigentlich wurde er in der rechtsextremen Hooligan-Szene von Rapid-Wien sozialisiert, über „Eisern Wien“ gab es dann aber auch die Connections zu den nach der Lesart von Hooligans Todfeinden von „Unsterblich“, der weitgehend aus Neonazis bestehenden Fan-Gruppe rund um die Austria Wien. Schließlich hat die Nazi-Ideologie bei P. über die Hooligan-Regeln gesiegt.
Aufgeflogen ist er, weil er im Zeitraum vom 11.06.2017 bis 12.04.2019 in Baden und im Bundesland Salzburg seine neonazistischen Tattoos (Schwarze Sonne am Ellbogen, SS-Totenkopf auf der Brust) offen zur Schau gestellt sowie einen Ring mit Schwarzer Sonne in Wien vor dem Schloss Schönbrunn, getragen hatte. Die Fotos dazu fanden die Ermittler auf dem Handy seiner Ex-Freundin, den braunen Rest fand man dann bei der Hausdurchsuchung. Irgendwann in diesen Jahren will der Roman dann aus der Szene ausgestiegen sein, was er den Geschworenen dadurch glaubhaft machen wollte, dass er sich seine Nazi-Tattoos covern ließ. Sein FB-Konto hat er auch gelöscht, nicht jedoch seinen Account bei VKontakte. Dort gibt es zwar keine öffentlichen neuen Einträge, aber in den alten gratuliert ihm der Braune von Wels 2017 zum Geburtstag und ein anderer fragt ihn 2016 bewundernd: „bist du der p… vom rapid-Stadion, der legendäre p…?“. Der Roman wiederum folgte den Identitären (Salzburg) und dem „III. Weg“, einer klar neonazistischen Gruppe in Deutschland.
Die Geschworenen waren von Läuterung und Unschuld auch nicht so leicht zu überzeugen und befanden ihn in 20 Fragen für schuldig, in einer für nicht schuldig. Ergebnis: 24 Monate bedingt auf drei Jahre.
Wir danken prozess.report für die Prozessbeobachtung!