Wochenrückblick KW 4/23 (Teil 2): Diverses

Die zehn bzw. vier Jahre Haft für das unter „Mr. Bond“ und „Kikel Might“ aufge­tretene Kärnt­ner Neon­azi-Brüder­paar wur­den in ein­er Beru­fungsver­hand­lung bestätigt. Die Reue­bere­itschaft der bei­den wurde als „über­schaubar“ beze­ich­net. Im Niederöster­re­ich ist eine ÖVP-Orts­gruppe kollek­tiv über eine Hak­enkreuz­fahne „drübergestolpert“. Und die Met­al­band „Pan­tera“ darf nun auch in Wien nicht auftreten: Ein Hit­ler­gruß und ras­sis­tis­che Bemerkun­gen wirken nach.

Wien: Keine Strafver­min­derung für Neonazi-Täter
ÖVP Münichre­i­th-Laim­bach/NÖ: Über Hak­enkreuz­fahne „drübergestolpert“
Wien: „Pan­tera” wieder ausgeladen

Wien: Keine Strafver­min­derung für Neonazi-Täter

Die Beru­fungsver­hand­lung zum Urteil aus dem März 2022 dauerte nicht lang: Die zehn Jahre Haft für Philip H. und die vier Jahre für seinen Brud­er Ben­jamin wur­den am 26. Jän­ner am Ober­lan­des­gericht Wien bestätigt. Bei­de Kärnt­ner hat­ten sich auf abscheuliche Weise (wieder)betätigt: Philip unter dem Pseu­do­nym „Mr. Bond“ mit Cov­erver­sio­nen divers­er Songs, deren von ihm beiges­teuerten Texte an Wider­lichkeit kaum zu über­bi­eten sind, Ben­jamin, der als Kikel Might“ unter­wegs war und die anti­semi­tis­che Het­z­seite „judas.watch“ mit ein­er Art Fein­desliste betrieben hatte.

Dass Philip H. auch aus der Haft her­aus weit­er Kon­takt zu seinem neon­azis­tis­chen Unter­stützungskreis gehal­ten hat­te – Briefe von ihm wur­den schnipsel­weise als Mär­tyr­er-Devo­tion­alien geframed veröf­fentlicht – gere­ichte ihm im Beru­fung­sprozess erwartungs­gemäß nicht zum Vorteil, wie Christof Mackinger, der die Ver­hand­lung beobachtete, für „End­sta­tion Rechts“ (26.1.23) aufschrieb.

Die zehn­jährige Haft­strafe für Philip H. sei richtig, da von ihm tat­säch­lich eine beson­dere Gefährlichkeit aus­ge­he. Nicht nur habe er nach dem anti­semi­tisch motivierten Atten­tat von Halle zum Selb­st­bau von Waf­fen recher­chiert. Das Halle-Atten­tat zeige auch, wie H.s Musik und Texte „als ide­ol­o­gis­ch­er Hin­ter­grund für der­lei Tat­en“ dienen kann, so eine der Rich­terin­nen. Selb­st in Haft halte er den Kon­takt zu namhaften Neon­azis aufrecht, seine Reue sei also „über­schaubar“.

Doch auch Ben­jamin H.s Strafe wurde nicht ver­min­dert. Das Gericht unter­strich nicht nur die emo­tionalen Fol­gen für die über 1.000 Betrof­fe­nen der Fein­deslis­ten, wie sie H. jahre­lang aus der Anonymität betrieben hat­te. Zwar hat­te er vor Gericht die Urhe­ber­schaft zugegeben, jedoch niemals Reue gezeigt. 

Schnipsel der Briefe, die Philip H. aus der Haft an Neonazis geschickt hat

Schnipsel der Briefe, die Philip H. aus der Haft an Neon­azis geschickt hat

Ins­ge­samt zehn Pri­vat­beteiligte, die vom Wiener Recht­san­walt Clemens Lah­n­er vertreten wur­den, hat­ten sich dem Ver­fahren im März 2022 angeschlossen. Sie befan­den sich unter den auf „judas.watch“ gelis­teten Namen und wur­den völ­lig über­rascht, als am ersten Prozesstag am Wiener Lan­des­gericht auch Ben­jamin H. als Angeklagter aufge­taucht war. Nie­mand der Betrof­fe­nen war darüber informiert wor­den, dass mit H. der Urhe­ber und Betreiber der Web­site – als Zufalls­fund bei der Auswer­tung der Daten­träger von Philip H. – aus­find­ig gemacht wer­den kon­nte. Die Beschw­er­den der Pri­vat­beteiligten wur­den im Dezem­ber 2022 vom OLG Wien abgewiesen.

In Stel­lung­nah­men von Betrof­fe­nen wird der Umgang der öster­re­ichis­chen Behör­den als „skan­dalös“ beze­ich­net. Die Stan­dard-Jour­nal­istin Colette Schmidt in ihrem Statement:

Wed­er Ermit­tler, noch Jus­tiz haben mich darüber informiert, dass der Betreiber gefun­den wurde. Ich erwarte mir von den Behör­den, dass sie Wieder­betä­ti­gung und Has­sver­brechen ernst nehmen. Und ich würde mir von den Behör­den auch erwarten, dass sie Opfer dieser Ver­brechen über so wichtige Ermit­tlungsergeb­nisse informieren. Es ist eigentlich unfass­bar, wie allein gelassen ich und andere Kolleg:innen in der Medi­en­branche hier wurden.

Inzwis­chen kur­siert in neon­azis­tis­chen „Mr. Bond“-Fankreisen eine weit­ere Liste: dies­mal mit „Aus­tri­an Antifa Accounts“ – es sind 30 Twit­ter-Accounts, teils von Organ­i­sa­tio­nen, teils von Einzelper­so­n­en, die nicht nur in Öster­re­ich behei­matet sind. Die Betrof­fe­nen wur­den vom Jour­nal­is­ten Christof Mackinger informiert.

ÖVP Münichre­i­th-Laim­bach/NÖ: Über Hak­enkreuz­fahne „drübergestolpert“

Fast als Posse ist ein Vor­fall in der niederöster­re­ichis­chen Gemeinde Münichre­i­th-Laim­bach zu beze­ich­nen, wie die NÖN (23.1.23) bericht­en. Die lokale ÖVP hat­te einen Kalen­der mit his­torischen Ansicht­en des Ortes an alle Haushalte verteilen lassen. Der wurde nun aber wieder eingesammelt.

Für den Feb­ru­ar wurde näm­lich ein his­torisches Bild aus­gewählt, das an einem Kaufhaus eine wehende Hak­enkreuz-Fahne zeigt. Für die SPÖ und Nation­al­ratsab­ge­ord­neten Alois Schroll eine „erneute Ent­gleisung“: „Bedauern­swert­er­weise zeigt die ÖVP im Umgang mit Dik­taturen wieder ein­mal kein Gespür. (noen.at)

Der ÖVP-Vize­bürg­er­meis­ter Michael Weiss­gram hat­te eine orig­inelle Erk­lärung für den Griff ins braune Fotoarchiv parat: „Da sind lei­der mehrere Per­so­n­en bei der Erstel­lung und der Kon­trolle d’rübergestolpert.“ Vielle­icht wäre ein Staats­bürg­er­schaft­stest, wie ihn Per­so­n­en, die die öster­re­ichis­che Staats­bürg­er­schaft erlan­gen wollen, absolvieren müssen, auch für die „Drüber­stolper­er“ angebracht?

Wien: „Pan­tera” wieder ausgeladen

Das ging über­raschend schnell: Einen Tag, nach­dem der Auftritt der Heavy-Met­al-Band „Pan­tera” beim Fes­ti­val „Rock im Park“ und „Rock am Ring“ in Nürn­berg abge­sagt wurde, forderten die Wiener Grü­nen mit Vicky Spiel­mann und Niko­laus Kun­rath in ein­er Presseaussendung: „Keine Bühne für ‚Pan­tera‘ in Wien!“

„Wir sind schock­iert, dass das Wiener Gas­om­e­ter der Band ‚Pan­tera‘, deren Frontsänger offen Nazi-Sym­bole ver­her­rlicht, eine Bühne bietet. Wir appel­lieren daher drin­gend an den Ver­anstal­ter 80:Barracuda Music GmbH und an den Hallen-Betreiber, dieses Engage­ment zu rev­i­dieren und die Band umge­hend auszu­laden“, fordern die bei­den Grü­nen Gemeinderät:innen Vik­to­ria Spiel­mann und Niko­laus Kun­rath und ver­weisen auch auf die gestern pub­lik gewor­dene Entschei­dung in Deutschland.

Kurz vor der Aussendung äußerte sich der Chef des Ver­anstal­ters „80:Barracuda Music” gegenüber Puls 24 „und sah in den Vor­wür­fen und den Absagen auf PULS 24 Anfrage zunächst ein ‚deutsches The­ma‘, zu dem er sich ‚jet­zt nicht äußern‘ wolle“. Wie bitte? Ein Band­mit­glied, das mehrfach mit ras­sis­tis­chen Äußerun­gen und dem Zeigen des Hit­ler­grußes auf offen­er Bühne auf­fäl­lig gewor­den ist, ist ein deutsches Thema?

Wenige Stun­den später hieß es auf eine Nach­frage der APA: „Man prüfe ‚derzeit die Möglichkeit ein­er Absage der Show‘.“ Am Vor­mit­tag des näch­sten Tages hat­te „80:Barracuda Music” fer­tig geprüft und sagte den Pan­tera-Auftritt in Wien ohne nähere Begrün­dung ab. Offen­bar wollte man sich hierzu­lande die wochen­lan­gen Diskus­sio­nen, die in Deutsch­land let­ztlich zur Absage geführt hat­ten, ersparen.

Absage des Pantera-Auftritts Wien durch den Veranstalter

Absage des Pan­tera-Auftritts Wien durch den Veranstalter

Dem Thread auf „red­dit” ist nichts hinzuzufügen:

facemelto: „Nach­dem der Hit­ler­gruß schon 2016 war, hätt man sie auch gar nicht erst buchen müssen….”
ConanEx­ile­sPvP: „Genau das“
Johnny_161: Meine Mei­n­ung? Kein Fußbre­it für Nazis.“
StillBreathing80: „Nicht mal einen Quadrat­milime­ter an Bühnenfläche.“

Ausschnitt Thread auf "reddit" zur Pantera-Ausladung in Wien

Auss­chnit Thread auf „red­dit” zur Pan­tera-Aus­ladung in Wien