Die zehn bzw. vier Jahre Haft für das unter „Mr. Bond“ und „Kikel Might“ aufgetretene Kärntner Neonazi-Brüderpaar wurden in einer Berufungsverhandlung bestätigt. Die Reuebereitschaft der beiden wurde als „überschaubar“ bezeichnet. Im Niederösterreich ist eine ÖVP-Ortsgruppe kollektiv über eine Hakenkreuzfahne „drübergestolpert“. Und die Metalband „Pantera“ darf nun auch in Wien nicht auftreten: Ein Hitlergruß und rassistische Bemerkungen wirken nach.
Wien: Keine Strafverminderung für Neonazi-Täter
ÖVP Münichreith-Laimbach/NÖ: Über Hakenkreuzfahne „drübergestolpert“
Wien: „Pantera” wieder ausgeladen
Wien: Keine Strafverminderung für Neonazi-Täter
Die Berufungsverhandlung zum Urteil aus dem März 2022 dauerte nicht lang: Die zehn Jahre Haft für Philip H. und die vier Jahre für seinen Bruder Benjamin wurden am 26. Jänner am Oberlandesgericht Wien bestätigt. Beide Kärntner hatten sich auf abscheuliche Weise (wieder)betätigt: Philip unter dem Pseudonym „Mr. Bond“ mit Coverversionen diverser Songs, deren von ihm beigesteuerten Texte an Widerlichkeit kaum zu überbieten sind, Benjamin, der als Kikel Might“ unterwegs war und die antisemitische Hetzseite „judas.watch“ mit einer Art Feindesliste betrieben hatte.
Dass Philip H. auch aus der Haft heraus weiter Kontakt zu seinem neonazistischen Unterstützungskreis gehalten hatte – Briefe von ihm wurden schnipselweise als Märtyrer-Devotionalien geframed veröffentlicht – gereichte ihm im Berufungsprozess erwartungsgemäß nicht zum Vorteil, wie Christof Mackinger, der die Verhandlung beobachtete, für „Endstation Rechts“ (26.1.23) aufschrieb.
Die zehnjährige Haftstrafe für Philip H. sei richtig, da von ihm tatsächlich eine besondere Gefährlichkeit ausgehe. Nicht nur habe er nach dem antisemitisch motivierten Attentat von Halle zum Selbstbau von Waffen recherchiert. Das Halle-Attentat zeige auch, wie H.s Musik und Texte „als ideologischer Hintergrund für derlei Taten“ dienen kann, so eine der Richterinnen. Selbst in Haft halte er den Kontakt zu namhaften Neonazis aufrecht, seine Reue sei also „überschaubar“.
Doch auch Benjamin H.s Strafe wurde nicht vermindert. Das Gericht unterstrich nicht nur die emotionalen Folgen für die über 1.000 Betroffenen der Feindeslisten, wie sie H. jahrelang aus der Anonymität betrieben hatte. Zwar hatte er vor Gericht die Urheberschaft zugegeben, jedoch niemals Reue gezeigt.
Insgesamt zehn Privatbeteiligte, die vom Wiener Rechtsanwalt Clemens Lahner vertreten wurden, hatten sich dem Verfahren im März 2022 angeschlossen. Sie befanden sich unter den auf „judas.watch“ gelisteten Namen und wurden völlig überrascht, als am ersten Prozesstag am Wiener Landesgericht auch Benjamin H. als Angeklagter aufgetaucht war. Niemand der Betroffenen war darüber informiert worden, dass mit H. der Urheber und Betreiber der Website – als Zufallsfund bei der Auswertung der Datenträger von Philip H. – ausfindig gemacht werden konnte. Die Beschwerden der Privatbeteiligten wurden im Dezember 2022 vom OLG Wien abgewiesen.
In Stellungnahmen von Betroffenen wird der Umgang der österreichischen Behörden als „skandalös“ bezeichnet. Die Standard-Journalistin Colette Schmidt in ihrem Statement:
Weder Ermittler, noch Justiz haben mich darüber informiert, dass der Betreiber gefunden wurde. Ich erwarte mir von den Behörden, dass sie Wiederbetätigung und Hassverbrechen ernst nehmen. Und ich würde mir von den Behörden auch erwarten, dass sie Opfer dieser Verbrechen über so wichtige Ermittlungsergebnisse informieren. Es ist eigentlich unfassbar, wie allein gelassen ich und andere Kolleg:innen in der Medienbranche hier wurden.
Inzwischen kursiert in neonazistischen „Mr. Bond“-Fankreisen eine weitere Liste: diesmal mit „Austrian Antifa Accounts“ – es sind 30 Twitter-Accounts, teils von Organisationen, teils von Einzelpersonen, die nicht nur in Österreich beheimatet sind. Die Betroffenen wurden vom Journalisten Christof Mackinger informiert.
Seit gestern kursiert in #Neonazi-Zirkeln ein etwas wirres Sammeldokument namens „Antifa Twitter Austria”. Alle Gelisteten wurden schon informiert
Unter ‚Eigenschaften’ ist ersichtlich wer Erstellerin ist.
Die war auch hier Thema: https://t.co/DVEYywalUP#antifa pic.twitter.com/pdBaLetF1s— Christof Mackinger (@McGinger666) January 27, 2023
ÖVP Münichreith-Laimbach/NÖ: Über Hakenkreuzfahne „drübergestolpert“
Fast als Posse ist ein Vorfall in der niederösterreichischen Gemeinde Münichreith-Laimbach zu bezeichnen, wie die NÖN (23.1.23) berichten. Die lokale ÖVP hatte einen Kalender mit historischen Ansichten des Ortes an alle Haushalte verteilen lassen. Der wurde nun aber wieder eingesammelt.
Für den Februar wurde nämlich ein historisches Bild ausgewählt, das an einem Kaufhaus eine wehende Hakenkreuz-Fahne zeigt. Für die SPÖ und Nationalratsabgeordneten Alois Schroll eine „erneute Entgleisung“: „Bedauernswerterweise zeigt die ÖVP im Umgang mit Diktaturen wieder einmal kein Gespür. (noen.at)
Der ÖVP-Vizebürgermeister Michael Weissgram hatte eine originelle Erklärung für den Griff ins braune Fotoarchiv parat: „Da sind leider mehrere Personen bei der Erstellung und der Kontrolle d’rübergestolpert.“ Vielleicht wäre ein Staatsbürgerschaftstest, wie ihn Personen, die die österreichische Staatsbürgerschaft erlangen wollen, absolvieren müssen, auch für die „Drüberstolperer“ angebracht?
Wien: „Pantera” wieder ausgeladen
Das ging überraschend schnell: Einen Tag, nachdem der Auftritt der Heavy-Metal-Band „Pantera” beim Festival „Rock im Park“ und „Rock am Ring“ in Nürnberg abgesagt wurde, forderten die Wiener Grünen mit Vicky Spielmann und Nikolaus Kunrath in einer Presseaussendung: „Keine Bühne für ‚Pantera‘ in Wien!“
„Wir sind schockiert, dass das Wiener Gasometer der Band ‚Pantera‘, deren Frontsänger offen Nazi-Symbole verherrlicht, eine Bühne bietet. Wir appellieren daher dringend an den Veranstalter 80:Barracuda Music GmbH und an den Hallen-Betreiber, dieses Engagement zu revidieren und die Band umgehend auszuladen“, fordern die beiden Grünen Gemeinderät:innen Viktoria Spielmann und Nikolaus Kunrath und verweisen auch auf die gestern publik gewordene Entscheidung in Deutschland.
Kurz vor der Aussendung äußerte sich der Chef des Veranstalters „80:Barracuda Music” gegenüber Puls 24 „und sah in den Vorwürfen und den Absagen auf PULS 24 Anfrage zunächst ein ‚deutsches Thema‘, zu dem er sich ‚jetzt nicht äußern‘ wolle“. Wie bitte? Ein Bandmitglied, das mehrfach mit rassistischen Äußerungen und dem Zeigen des Hitlergrußes auf offener Bühne auffällig geworden ist, ist ein deutsches Thema?
Wenige Stunden später hieß es auf eine Nachfrage der APA: „Man prüfe ‚derzeit die Möglichkeit einer Absage der Show‘.“ Am Vormittag des nächsten Tages hatte „80:Barracuda Music” fertig geprüft und sagte den Pantera-Auftritt in Wien ohne nähere Begründung ab. Offenbar wollte man sich hierzulande die wochenlangen Diskussionen, die in Deutschland letztlich zur Absage geführt hatten, ersparen.
Dem Thread auf „reddit” ist nichts hinzuzufügen:
facemelto: „Nachdem der Hitlergruß schon 2016 war, hätt man sie auch gar nicht erst buchen müssen….”
ConanExilesPvP: „Genau das“
Johnny_161: „Meine Meinung? Kein Fußbreit für Nazis.“
StillBreathing80: „Nicht mal einen Quadratmilimeter an Bühnenfläche.“