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Wochenschau KW 34/22

Kein Nazi will er sein, nur ein Patri­ot, sag­te ein Brau­nau­er, der wegen 24 Ankla­ge­punk­ten nach dem Ver­bots­ge­setz vor Gericht stand. Ver­ur­teilt wur­de der „Patri­ot“ den­noch. Einen Schuld­spruch ern­te­te eben­falls ein Bur­gen­län­der, der in sei­nen wider­li­chen Pos­tings „eine Gau­di“ gese­hen hat­te und auch kein Nazi sein will. Ein „Kas­perl­thea­ter“ sah wie­der­um ein selbst­er­nann­ter Ex-Prä­­si­­dent aus […]

29. Aug 2022

Braunau/Ried: Kein Nazi, nur Patriot
Bez. Güssing/Eisenstadt: Alles eine Gaudi
Wien: Selbst­er­nann­ter Prä­si­dent verurteilt
Ö: Van­da­lis­mus und Hass­bot­schaf­ten gegen jüdi­sche und mus­li­mi­sche Einrichtungen
MFG-OÖ: Mit Hit­ler verhandeln

Braunau/Ried: Kein Nazi, nur Patriot

Es sind 24 Delik­te, began­gen zwi­schen 2015 und 2021, die dem zwei­fach vor­be­straf­ten 26-jäh­ri­gen Brau­nau­er zur Last gelegt wur­den. Er habe auf Face­book NS-Inhal­te ver­öf­fent­licht und auch via Whats­App wei­ter­ge­lei­tet. Zudem hat sich der Ange­klag­te, des­sen Anwalt mein­te, er sei kein Nazi, son­dern ein Patri­ot, eine Schwar­ze Son­ne in der Ach­sel täto­wie­ren las­sen und die auch öffent­lich gezeigt.

Er habe die ange­klag­ten Sujets lus­tig gefun­den – wohl weni­ger sein Vater, der ihm lako­nisch mit „Trot­tel“ geant­wor­tet habe. Die ori­gi­nel­le Erklä­rung für sein Tat­too: „Mein gan­zer Arm ist mit geo­me­tri­schen Mus­tern täto­wiert, da hat es gut dazu­ge­passt.“ (nachrichten.at, 23.8.22) Dass er in Grup­pen mit dem Namen „88“ unter­wegs gewe­sen ist, erklär­te der „Patri­ot“ damit, es sei sei­ne Num­mer bei frü­he­ren Stock­car-Ren­nen gewesen.

Dann kon­fron­tiert der vor­sit­zen­de Rich­ter den Beschul­dig­ten noch mit Dro­hun­gen, die aber nicht in die­sem Pro­zess ange­klagt sind. (…) Dem­nach hat der Beschul­dig­te einen Jour­na­lis­ten im Inter­net mit den Wor­ten „Bit­te fin­det den Huren­sohn und bringt ihn um” bedroht. Er habe sich bei die­sem ent­schul­digt, es tue ihm leid, aber der Jour­na­list schrei­be fal­sche Din­ge. Er sei nie Teil der rech­ten Sze­ne, son­dern in der Tuning-Sze­ne unter­wegs gewe­sen. „Wenn man dort etwas bestellt, dann erhält man immer wie­der Sti­cker mit­ge­schickt”, sagt der Ange­klag­te. Einer wird mit der Auf­schrift „Deutsch­land den Deut­schen” gezeigt. „Das ist aber noch einer der harm­lo­se­ren”, sagt der Inn­viert­ler. (nachrichten.at)

Am Ende des Pro­zes­ses stan­den ein ein­stim­mi­ger Schuld­spruch in allen Ankla­ge­punk­ten und nicht rechts­kräf­ti­ge 15 Mona­te bedingt.

Bez. Güssing/Eisenstadt: Alles eine Gaudi

Die Erklä­run­gen bzw. Aus­re­den, die da am Lan­des­ge­richt Eisen­stadt bei einem Wie­der­be­tä­ti­gungs­pro­zess dürf­ten so aben­teu­er­lich gewe­sen sein, dass der Autor den Pro­zess gegen einen Pen­sio­nis­ten aus dem Bezirk Güs­sing sei­nen Arti­kel mit Bemer­kun­gen wie „Ein­fach zum Kot­zen“, „toll­küh­ne Aus­re­den“, „Frech­heit“, ob der Ange­klag­te „noch alle Tas­sen im Schrank hat“ garnierte.

Der Staats­an­walt warf dem Pen­sio­nist, Anfang 60, aus dem Bezirk Güs­sing, vor, im Zeit­fens­ter von rund ein­ein­halb Jah­ren, ab Febru­ar 2018, ins­ge­samt 22 x ver­werf­li­che und geschmack­lo­se „Nazi“-Nachrichten ver­sen­det zu haben. Über Whats­App und ande­re Social-Media-Platt­for­men. (…) Eine Viel­zahl der Datei­en zeig­te jun­ge, spär­lich beklei­de­te Damen mit Haken­kreu­zen quer über den Bauch sowie Schirm­kap­pen mit Reichs­ad­ler, gepaart mit Auf­schrif­ten wie „Aus­län­der­freie Zone“ oder „dem Füh­rer gefällt das!“ (meinbezirk.at, 25.8.22)

Alles sei nur „eine Gau­di“ gewe­sen, Sym­pa­thien mit dem Natio­nal­so­zia­lis­mus hege er nicht, beton­te der Bur­gen­län­der. Er muss­te den­noch einen ein­stim­mi­gen Schuld­spruch, zwölf Mona­te beding­ter Haft, eine unbe­ding­te Geld­stra­fe über 1.800 Euro sowie die Über­nah­me der Pro­zess­kos­ten über 500 Euro hin­neh­men. Das akzep­tier­te der Ange­klag­te, die Staats­an­walt­schaft gab kei­ne Erklä­rung ab, daher ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Wien: Selbst­er­nann­ter Prä­si­dent verurteilt

Ein 59-jäh­ri­ger Wie­ner, der sich vor fünf Jah­ren zum Prä­si­den­ten des „Staa­tes der Wie­ner Her­zen“, einem Able­ger des „Staa­ten­bund Öster­reich“ ernannt hat­te, muss­te in der letz­ten Woche vor Gericht auf­mar­schie­ren. Dort beteu­er­te er, im staats­feind­li­chen Gefü­ge nichts zu sagen gehabt habe. Er sei für ein vom Staa­ten­bund ange­streng­ten „Völ­ker­rechts­ge­richt“, das in Graz tagen und dem die auf Lebens­zeit ernann­te Staa­ten­bund-Prä­si­den­tin Moni­ka Unger vor­sit­zen hät­te sol­len, zum Schöf­fen erko­ren worden.

„Das war alles Kas­perl­thea­ter“, bemerk­te dazu der Ange­klag­te, „ich hab’ das alles nicht ernst genom­men.“ In einem Semi­nar in Tsche­chi­en sei er auf sei­ne Schöf­fen­tä­tig­keit vor­be­rei­tet wor­den – dabei sei haupt­säch­lich mit ver­schie­den fär­bi­gen Kärt­chen han­tiert wor­den: „Das Gericht hab’ ich nicht ernst genom­men. Man muss in einer Orga­ni­sa­ti­on ja nicht alles ernst neh­men. Ich habe es nicht für mög­lich gehal­ten, dass man ein­fach in ein Gericht rein­mar­schie­ren und ver­han­deln kann.“ Er sei ein­fach neu­gie­rig gewe­sen: „Ich wollt’ mir das anschau­en.“ (wien.orf.at, 24.8.22)

Der sich vor Gericht als geläu­tert geben­de Nicht­mehr-Prä­si­dent kas­sier­te rechts­kräf­tig 24 Mona­te beding­ter Haft.

Ö: Van­da­lis­mus und Hass­bot­schaf­ten gegen jüdi­sche und mus­li­mi­sche Einrichtungen

In den letz­ten Wochen muss­ten meh­re­re Angrif­fe gegen mus­li­mi­sche und jüdi­sche Ein­rich­tun­gen ver­zeich­net wer­den. In Wien wur­de am „Cam­pus der Reli­gio­nen“ die Fah­ne der jüdi­schen Glau­bens­ge­mein­schaft her­un­ter­ge­ris­sen. Auf einem Video sind drei Per­so­nen zu sehen, die die Fah­ne gezielt ent­fer­nen und dann flüch­ten. 

Zudem erfolg­ten drei Angrif­fe Wie­ner Moscheen.

In zwei Fäl­len han­delt es sich um Beschmie­run­gen an den Außen­wän­den. So wur­de zuerst eine Moschee in Otta­kring mit rechts­extre­mis­ti­schen Bot­schaf­ten beschmiert. In Favo­ri­ten wur­de eine Moschee der bos­nia­ki­schen Gemein­de (Mos­lems aus u. a. Bos­ni­en-Her­ze­go­wi­na, Anm.) mit ser­bisch-natio­na­lis­ti­schen Bot­schaf­ten besprüht. (…) Außer­dem wur­den an einer wei­te­ren Moschee in Flo­rids­dorf mehr­fach gewalt­ver­herr­li­chen­de Droh­n­ach­rich­ten am Ein­gangs­be­reich ange­bracht, die auch natio­nal­so­zia­lis­ti­sches Gedan­ken­gut beinhal­ten. Eine der Droh­n­ach­rich­ten, die der Bezirks­Zei­tung vor­liegt, beinhal­tet auch meh­re­re reli­giö­se Belei­di­gun­gen sowie homo­pho­be Äuße­run­gen. Die Nach­richt wur­de mit „Heil Hit­ler” been­det. (meinbezirk.at, 23.8.22)

Angrif­fe gab es auch auf isla­mi­sche Ein­rich­tun­gen außer­halb von Wien.

MFG-OÖ: Mit Hit­ler verhandeln

Dass sich bei der MFG eine Rei­he von Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gien getrie­be­ne Per­so­nen befin­den, ist bekannt. Einen wah­ren Tief­punkt lie­fer­te der ober­ös­ter­rei­chi­sche Par­tei­ob­mann Joa­chim Aigner aller­dings in einem Inter­view mit den Ober­ös­ter­rei­chi­schen Nach­rich­ten (23.8.22).

Dort mein­te er zu Russ­lands Angriffs­krieg auf die Ukrai­ne befragt, Öster­reich müs­se als neu­tra­les Land mit den Streit­par­tei­en (…) spre­chen und (…) sagen: Bit­te kommt nach Öster­reich auf neu­tra­len Boden und ver­han­delt dort.“ Auf die Fra­ge, „Hät­ten ande­re Staa­ten im Zwei­ten Welt­krieg auch sagen sol­len: Hit­ler ist zwar in Polen ein­mar­schiert, in Frank­reich – wir hal­ten uns da aber raus, wir sind neu­tral?“, mein­te Aigner zwar, er wis­se nicht, ob es damals Bemü­hun­gen von neu­tra­len Staa­ten gege­ben hät­te, zwi­schen den Alli­ier­ten und den Natio­nal­so­zia­lis­ten zu ver­han­deln, aber: „Gesprä­che sind immer sinn­vol­ler als Gewalt. Krieg ist kein Mit­tel, nicht ein­mal ein letz­tes Mittel.“

Als abstrus und inak­zep­ta­bel bezeich­ne­ten Ver­tre­ter ande­rer Par­tei­en Aigners Aus­sa­gen. Dar­auf, dass er im sel­ben Inter­view auch en pas­sant, den Kli­ma­wan­del leug­ne­te, reagier­te dann nie­mand mehr:

Was sind die Rezep­te der MFG gegen den Klimawandel?
Das Kli­ma hat sich immer schon ver­än­dert. Dass die kli­ma­ti­sche Ver­än­de­rung jetzt schnel­ler ist und ob das men­schen­ge­macht ist oder nicht, sei dahin­ge­stellt. Das kann und will ich nicht beurteilen.

Die ein­zi­ge Fra­ge, die sich uns noch stellt, wäre, war­um dem Mann fast eine gan­ze Sei­te einer Zei­tung gege­ben wur­de, um einen der­ar­tig hane­bü­che­nen Unsinn zu verbreiten?