Kickl und der Kirchenbeitrag
Vor einigen Tagen hat Kickl der katholischen Kirche den „Vorschlag“ gemacht, angesichts der Teuerungswelle den Kirchenbeitrag auf unbestimmte Zeit auszusetzen – als „Akt der christlichen Nächstenliebe“, wie Kickl ganz süß flötete. Im Sommergespräch schlug Moderator Tobias Pötzelsberger das vor, was schon in den sozialen Medien zuvor gefordert wurde. Wie wär’s denn, wenn die FPÖ im Gegenzug auf ihre Mitgliedsbeiträge verzichten würde?
Kickl antwortete so: „Der durchschnittliche Kirchenbeitrag in Österreich beträgt 500 Euro im Jahr. Der FPÖ-Mitgliedsbeitrag beträgt zwischen 11 und 22 Euro im Jahr. Wenn jemand das nicht zahlen kann, dann muss er es nicht zahlen, wir schicken niemandem das Inkassobüro hinterher.“
Das mit dem durchschnittlichen Kirchenbeitrag von 500 Euro jährlich ist natürlich ein Holler. Wir haben uns in diesem für uns fremden Metier kundig gemacht: Ein Prozent vom Nettoeinkommen wird in etwa für die Berechnung des Kirchenbeitrags herangezogen. Das würde in Kickls Erzählung bedeuten, dass die Beitragszahler*innen im Durchschnitt 50.000 Euro pro Jahr verdienen. Schön wär’s (für die Beitragszahler*innen)! Im Durchschnitt sind es so um die 200 Euro Kirchenbeitrag. Die 500 Euro sind ein Kickl-Märchen!
Die katholische Kirche nahm im Jahr 2020 484 Millionen Euro über Kirchenbeiträge ein, das waren rund 75 Prozent der Gesamteinnahmen. 404 Millionen betragen die Personalkosten- für Klerus und Laienmitarbeiter*innen. Das unbefristete Aussetzen der Beiträge würde wohl bedeuten, dass die 8.150 Beschäftigten kein Einkommen hätten – unbefristet. Man kann und darf die katholische Kirche oder auch jede Religion kritisch sehen, auch ablehnen, aber dann soll man das aussprechen. Jedoch eine Kritik, die von hintenherum kommt, ist mies.
Ganz anders schaut die Sache bei der FPÖ aus. Die Gesamteinnahmen der Partei (Bund und Länder) lagen 2020 offiziell bei 39 Millionen Euro. Aus der staatlichen Parteienförderung stammen 82 Prozent (31,9 Mio €), aus Mitgliedsbeiträgen 393.000 Euro, das sind kümmerliche ein Prozent der Gesamteinnahmen. Laut Rechenschaftsbericht 2020 erzielen zwei Bundesländer, nämlich Wien und Niederösterreich, nicht einmal einen Cent Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen. Die FPÖ könnte den Ausfall von einem Prozent Einnahmen daher locker wegstecken.
Kickl, der Putin-Versteher
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine war natürlich auch Thema. Einmal mehr gab Kickl den Putin-Versteher, während er österreichische Politiker streng tadelte, weil sie „federführend“ Vertrauen zerstört hätten: „Da ist viel Vertrauen zerstört worden, übrigens federführend von österreichischen Politikern, die vergessen haben, dass sie Repräsentanten eines neutralen Landes sind. Man muss den Versuch unternehmen, auch die andere Seite zu verstehen, und das ist etwas, was völlig fehlt.“
Als ihm der Moderator entgegenhält, dass Putin Macron und Scholz „ins Gesicht gelogen“ hat, indem er den bevorstehenden Angriff auf die Ukraine abstritt, antwortet Kickl: „Waren Sie dabei? (…) Wenn Sie glauben, dass die Dinge tatsächlich so einseitig sind, dann lasse ich Sie in dem falschen Glauben.“
Kickl, Experte in Deeskalation oder Desinformation?
Bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele war Kickl zwar auch nicht dabei, aber er behauptet genau zu wissen, dass der Bundespräsident dort Leute, die für Frieden und Neutralität eintreten, als Kollaborateure Russlands bezeichnet habe:
Es geht jetzt darum, zu deeskalieren, und dann kann die Zeit auch viele Wunden heilen. Da geht es aber darum, Vertrauen aufzubauen, und das wäre aus meiner Sicht der österreichische Zugang, der Zugang eines neutralen Staates, das erwarte ich mir von einem Bundespräsidenten, nicht dass der dann bei den Festspielen, die Leute die für Frieden und für Neutralität eintreten, als Kollaborateure Russlands bezeichnet. Der ist doch vollkommen am falschen Gleis, wahrscheinlich hat man ihn deshalb auch schon vom Wahlkampf abgezogen.
Klassische Desinformation, die sich leicht überprüfen lässt. Die „Kleine Zeitung“ hat die gesamte Rede von Bundespräsident Van der Bellen abgedruckt. Keine Denunziation von Friedensfreunden und Neutralität, aber Sätze, die für Kickl passen: „All jene, die jetzt insgeheim oder ganz ungeniert mit den Interessen Putins sympathisieren oder tatsächlich oder vermeintlich mit ihm kollaborieren, gefährden unseren Zusammenhalt doppelt. Wir dürfen uns nicht spalten lassen! Denn das ist eine uralte Despotenpraxis: teilen und herrschen.“ (A. Van der Bellen, 26.7.22 zit. nach Kleine Zeitung).
Kickl und die Klimakrise
Eine Klimakrise kann Kickl natürlich nicht erkennen, nur „Veränderungen“ , die einmal so und einmal anders von der Wissenschaft interpretiert würden. Auf die sei kein Verlass:
Wir haben vor gar nicht allzu langer Zeit, das war glaube ich, vor 40 oder 50 Jahren, von den damaligen Experten, von den damaligen Fachleuten, genau die gegenteilige Prognose bekommen. Das waren die Besten der Besten der Wissenschaft. Damals hat man gesagt, seit den 40er-Jahren ist die durchschnittliche Temperatur um 1,4 Prozent zurückgegangen, und wir marschieren in eine neue Eiszeit. Es ist dann ganz anders gekommen. Danach war es das Waldsterben, und jetzt müssen wir alle verglühen.
Ja, so ist das mit der Wissenschaft laut Kickl. Da kann man sich dann ein bisschen lustig machen über die Hascherl von der Wissenschaft: vorher Eiszeit, jetzt Verglühen, haha! Aber es waren nicht die Besten der Besten der Wissenschaft, die vor 40 oder 50 Jahren eine Temperaturrückgangprognose abgaben, sondern nur einige wenige. Sehr wenige. „Wer heute öffentlich die Existenz des Klimawandels anzweifelt, verweist gern auf das angebliche Hin und Her in der Beurteilung des Weltklimas durch die Wissenschaft,“ schrieb der „Spiegel” 2008 und auch für Herbert Kickl ins Stammbuch: „Doch der verbreitete Eindruck, Forscher hätten mehrheitlich die globale Abkühlung prophezeit, ist laut einer neuen Studie ein Irrglaube: Die meisten Fachleute gingen schon damals von einer Erwärmung aus.“
Kickl, das Opfer
Als Kickl seine hetzerische und herabwürdigende Sprache vorgehalten wird (Ministerin Gewessler ist für ihn eine „Zwiderwurzn“, Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat für ihn mehr Haare auf den Zähnen als auf dem Kopf, der Bundespräsident ist für ihn eine „Mumie“, die Grünen seien zu „kompostieren“), wird Kickl fast weinerlich. Seine Sprache sei eben eine bildhafte, die Kritik gehe immer nur in eine, nämlich seine Richtung, Meinl-Reisinger habe ihn als „fetzendeppert“ bezeichnet und Ariel Muzicant habe ihn mit einem der größten Verbrecher der Menschheitsgeschichte, mit Joseph Goebbels, verglichen.
Aber: Die Neos-Chefin Meinl-Reisinger hat nicht Kickl, sondern die Polarisierung durch die FPÖ als „fetzendeppert“ bezeichnet. Ein großer Unterschied! Bei Ariel Muzicant muss man ausholen. Kickl gilt als Erfinder des antisemitisch codierten Spruchs von Jörg Haider im Jahr 2001, wonach er (Haider) nicht verstehe, wie einer, der Ariel heiße, soviel Dreck am Stecken haben könne (dazu: „Dreck am Stecken” — Haiders Rede als Prototyp des Antisemitismus). Muzicant, der frühere Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (die Kickl unwissend oder bewusst im Sommergespräch als „israelische“ Kultusgemeinde titulierte), hat später mehrmals erklärt, dass ihn die Sprache und die Hetze Kickls an Goebbels erinnere, ihn als eine Art Mini-Goebbels bezeichnet. Das vermeintliche sprachliche Sensibelchen Kickl ist nicht das Opfer, sondern der sprachliche Täter!
Kickl und Haider
Fast schon amüsant war Kickls Antwort auf die Frage der Moderatorin Julia Schmuck, welche Politikerin, welchen Politiker er bewundere. Die knappe Antwort Kickls, „Jörg Haider“, lässt uns vermuten, dass tief in seinem Innersten auch noch eine Flamme für Heinz-Christian Strache, dem er mindestens so viele Jahre ergeben gedient hat, glimmen könnte. Aber da war doch auch was mit Haider? Eine Entfremdung, ein Bruch. Richtig!
Als Jörg Haider 2005 das BZÖ gründete und damit die FPÖ spaltete, ging Kickl nicht mit. Obwohl: Der damalige Geschäftsführer der Freiheitlichen in Kärnten (die zu dieser Zeit noch auf BZÖ-Linie lagen) behauptete in einer Aussendung, dass Kickl „wenige Tage vor der Gründung des BZÖ um politisches Asyl in Kärnten bei Landeshauptmann Haider angesucht“ habe, weil „das politische Umfeld von HC Strache dilettantisch und deren politische Forderungen absurd“ (OTS 0033 vom 11.6.2005) seien. Wenn das stimmen sollte, hat Kickl seinen Widerwillen gegen das Projekt FPÖ mit HC Strache die nächsten 14 Jahre perfekt verborgen.
Jedenfalls hat Kickl Haider damals auch ganz anders beurteilt als jetzt: „Letztklassig, grotesk und eigentlich tragisch – ein weiteres Kapitel einer politisch-moralischen Bankrotterklärung“, beschimpfte er sein heutiges Idol in einer Presseaussendung vom 26.6.2005 und fügte dann Sätze hinzu, die, wenn man Haider durch Kickl und BZÖ durch FPÖ ersetzt, tatsächlich in die Zukunft weisen:
Haider solle zur Kenntnis nehmen, daß inzwischen jeder vernünftige Mensch erkannt habe, daß er mit seinen Abqualifizierungen und Verunglimpfungen weit mehr über sich selbst und seine jeweiligen Befindlichkeiten verrate als über jene, die er damit verunglimpfen wolle, aber nicht könne, sagte Kickl. Mit seinen verbalen Ausritten werde Haider jedenfalls die rasante Talfahrt des BZÖ weiter beschleunigen.
Ginge doch mit der Wahrheit, Herr Kickl!