Lesezeit: 6 Minuten

Wochenschau KW 27 bis 32/21, Teil 1: News aus dem identitären Lager

Sie ver­su­chen sich gegen ihren Unter­gang zu stem­men: Die Iden­ti­tä­ren, auch unter dem Namen „Die Öster­rei­cher“ unter­wegs oder nach Her­bert Kickl eine „NGO von rechts”, mobi­li­sier­ten Ende Juli für eine Demo gegen das Sym­­­bo­­le-Gesetz. Etwa 500 Per­so­nen betei­lig­ten sich am Auf­marsch. Knapp davor war bekannt gewor­den, dass die neo­fa­schis­ti­sche Trup­pe in Steyr­egg eine Immo­bi­lie erstanden […]

16. Aug 2021

Steyregg/OÖ: Identitäre „Burg“ in Steyregg
Wien: Identitärer Aufmarsch mit internationaler Beteiligung
Brandenburg/D: Jörg Dittus Pressesprecher der AfD Brandenburg
NRW/D – OÖ: AfD-Landtagsabgeordneter finanziert identitären Spieleentwickler

Steyregg/OÖ: Identitäre „Burg“ in Steyregg

Mit den iden­ti­tä­ren Zen­tren im ost­stei­ri­schen Eich­kögl und in der Ram­perstorf­fer­gas­se in Wien-Mar­ga­re­ten haben die Iden­ti­tä­ren im ober­ös­ter­rei­chi­schen Steyr­egg ihr nun­mehr drit­tes Domi­zil inner­halb von Öster­reich eingerichtet.

Nach dem Raus­flug aus der „Vil­la Hagen“ in Linz war über das in Ros­tock ansäs­si­ge iden­ti­tä­re Immo­bi­li­en-Inves­ti­ti­ti­ons­pro­jekt „Schan­ze Eins“ ursprüng­lich für ein Zen­trum in Linz gesam­melt wor­den. Dar­aus wur­de nichts. 2019 hat­te der für das Pro­jekt ver­ant­wort­li­che und in Ober­ös­ter­reich leben­de Kon­takt­mann Ste­ve Henschke ein ehe­ma­li­ges Bier­lo­kal in Steyr­egg erstan­den. Die Gemein­de gab sich über­rascht, als bekannt wur­de, dass hier die Iden­ti­tä­ren eine wei­te­re Home­ba­se mit dem Namen „Cas­tell Auro­ra“ errich­tet hat­ten, obwohl eine Goog­le-Suche nach dem Käu­fer schnell gezeigt hät­te, wer sich im Orts­zen­trum ein­ge­nis­tet hat. 

Die­se selbst­er­nann­ten ‚Patrio­ten‘ haben zu kei­nem Zeit­punkt – bis heu­te nicht — offen­ge­legt, zu wel­chem Zweck sie die Lie­gen­schaft erwor­ben haben. Eine Pri­vat­per­son gab der Ver­käu­fe­rin gegen­über an, mit dem Erwerb des Hau­ses das frü­he­re Bier­lo­kal wei­ter­füh­ren zu wol­len. So hat sich die­se Grup­pie­rung arg­lis­tig ein­ge­schli­chen ins Zen­trum unse­rer Stadt. Wohl ahnend, dass sie hier alles ande­re als will­kom­men sind. Die Empö­rung der Steyr­eg­ge­rin­nen und Steyr­eg­ger ist groß, eben­so die Sor­ge, dass die unse­li­gen Umtrie­be der Iden­ti­tä­ren hier wie sonst­wo zuneh­men könn­ten. Als Bür­ger­meis­ter wie auch als Pri­vat­mensch und im Namen des gesam­ten Gemein­de­ra­tes möch­te ich die­sen unge­be­te­nen Neu­an­kömm­lin­gen aus­rich­ten, dass wir sie hier nicht wol­len. Es gibt viel­fäl­ti­ge Über­le­gun­gen, die­se Ableh­nung auch deut­lich sicht­bar zum Aus­druck zu brin­gen. (tips.at, 20.7.21)

Als Reak­ti­on ließ die Gemein­de einen Zebra­strei­fen in Regen­bo­gen­far­ben direkt vor der neu­en iden­ti­tä­ren Zen­tra­le auf­pin­seln und mon­tier­te zwei über der Stra­ße ange­brach­te Trans­pa­ren­te mit der Auf­schrift „steyr­egg IST BUNT“.

Der Wider­stand in Steyr­egg wird sich wohl deut­li­cher mani­fes­tie­ren müs­sen; Anlei­he könn­te man in Hal­le neh­men, wo es einem brei­ten Bünd­nis aus Anrainer*innen und zivil­ge­sell­schaft­li­chen Initia­ti­ven gelun­gen ist, die Neo­fa­schis­ten nach drei Jah­ren zum Aus­zug aus ihrem dama­li­gen Zen­trum zu bewegen.

Wien: Identitärer Aufmarsch mit internationaler Beteiligung

Am 31.7. rie­fen die neo­fa­schis­ti­schen Iden­ti­tä­ren zu einer „Groß­de­mo“ auf, um gegen die Novel­lie­rung des Sym­bo­le-Geset­zes zu pro­tes­tie­ren. Die war zwar mit 28.7.21 in Kraft getre­ten, die für eine Umset­zung not­wen­di­ge Ver­ord­nung des Innen­mi­nis­ters liegt jedoch bis heu­te nicht vor.

Sehr groß ist der Auf­marsch, der just beim „Mahn­mal gegen Krieg und Faschis­mus“ neben der Alber­ti­na begon­nen hat, dann doch nicht gewor­den. Rund 500 Teil­neh­men­de, dar­un­ter vie­le aus dem Aus­land ange­reis­te Neofaschist*innen und Neo­na­zis, zogen durch die Wie­ner Innen­stadt. Neben den bekann­ten iden­ti­tä­ren Kadern rund um Mar­tin Sell­ner betei­lig­ten sich auch Per­so­nen aus der FPÖ wie etwa die Vor­sit­zen­de der RFJ Wie­den, Anna­ri­ta Mene­gus, und eine Mit­ar­bei­te­rin des FPÖ-Par­la­ments­klubs, die ihre iden­ti­tä­re Ver­bun­den­heit auch mit dem Tra­gen einer Fah­ne zum Aus­druck brach­te. Aus dem Küs­sel-und Coro­na-Pro­test-Umfeld waren Harald Schmidt und Han­nes Bre­jcha anwe­send und auch der 82-jäh­ri­ge Neo­na­zi-Unter­stüt­zer Her­bert Fritz. Aus Deutsch­land waren der Münch­ner Pegi­da-Chef Heinz Mey­er ange­reist, der sei­tens der Sicher­heits­be­hör­den als rechts­extre­mer Gefähr­der geführt wird und gegen den seit 2012 wegen Bil­dung einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung ermit­telt wird.

Aus Fran­ken sind der frü­he­re NPD-Lan­des­vor­sit­zen­de und Stadt­rat in Nürn­berg Ralf Ollert (Son­nen­bril­le) und der Sze­ne­an­walt Frank Miksch (aus Fürth; mit karier­tem Hemd) ange­reist“, wie „End­sta­ti­on Rechts“ dokumentierte.

Frank Miksch ist der­zeit einer der Ver­tei­di­ger von Betei­lig­ten aus der „Grup­pe S.“, Sze­ne­an­walt aus Nürn­berg und einst Akti­vist der NPD-Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on »Jun­ge Natio­nal­de­mo­kra­ten«. Er ver­trat zuletzt Susan­ne G., eine Heil­prak­ti­ke­rin, die Spreng­mit­tel beschafft, Mord­dro­hun­gen gegen Poli­ti­ker aus­ge­spro­chen sowie einen Anschlag auf eine Moschee geplant haben soll.“ (spiegel.de, 14.4.21)

Brandenburg/D: Jörg Dittus Pressesprecher der AfD Brandenburg

Wenn die Mär­ki­sche All­ge­mei­ne schreibt, der neue Pres­se­spre­cher der AfD Bran­den­burg, Jörg Dit­tus, „soll Kon­tak­te zur rechts­extre­men Iden­ti­tä­ren Bewe­gung haben“, dann ist „soll“ über­flüs­sig, denn er hat. Sein Weg führ­te von den Gra­zer Iden­ti­tä­ren direkt zu jenen nach Hal­le. Im Jän­ner 2019 mar­schier­te der Bur­schen­schaf­ter Dit­tus mit Tau­sen­den Anhänger*innen der neo­fa­schis­ti­schenen „Casa Pound“ und iden­ti­tä­ren Kame­ra­den in Rom auf. Dit­tus scheint auch auf der öffent­lich gewor­de­nen BVT-Lis­te der Spen­der an die Iden­ti­tä­ren auf. Bell­tower berich­tet im März zu Dit­tus: 

Der aus Öster­reich zuge­wan­der­te Jörg Dit­tus, der dort zur „Iden­ti­tä­ren Bewe­gung“ zähl­te, arbei­tet für das neu­rech­te „Insti­tut für Staats­po­li­tik“ um Götz Kubit­schek. Im Okto­ber 2018 berich­te­te die Mit­tel­deut­sche Zei­tung, dass Dit­tus eine neue Anstel­lung im Wahl­kreis­bü­ro von Robert Far­le, dem par­la­men­ta­ri­schen Geschäfts­füh­rer der AfD-Land­tags­frak­ti­on gefun­den hat­te. 

Kurz: Viel mehr iden­ti­tär als Dit­tus kann kaum noch jemand sein!

NRW/D – OÖ: AfD-Landtagsabgeordneter finanziert identitären Spieleentwickler

Roger Beck­amp, AfD-Abge­ord­ne­ter im Land­tag von Nord­rhein-West­fa­len und Kan­di­dat für die kom­men­de Bun­des­tags­wahl will Gutes tun, bzw. das, was er dar­un­ter ver­steht: Er ali­men­tiert mit einem Jah­res­sti­pen­di­um über monat­lich 500.- rech­te Akti­vis­ten, die mit­wir­ken, eine „patrio­ti­sche Gegen­öf­fent­lich­keit“ (zdf.de, 14.8.21) zu schaf­fen. Pro­fi­teur ist Roland Moritz, der mit „KVLTGAMES“ ein Spiel ent­wi­ckel­te, das wegen sei­ner rechts­extre­men Inhal­te von der Platt­form Steam ent­fernt und in Deutsch­land inde­xiert wurde.

So steu­ert man unter ande­rem den Spre­cher der rechts­extre­men Iden­ti­tä­ren Bewe­gung Mar­tin Sell­ner und bekämpft dabei das „Glo­bo Homo”-Regime. Ein Spiel­bö­se­wicht sieht zudem dem unga­ri­schen Mil­li­ar­där Geor­ge Sor­os sehr ähn­lich, der zum Feind­bild von Rechts­extre­men sowie Anti­se­mi­ten gehört.
Außer­dem ist das Spiel von dif­fa­mie­ren­den Bil­dern durch­zo­gen. In einem Level taucht etwa auf dem Völ­ker­schlachts­denk­mal, einer bei Rechts­extre­men belieb­ten Land­mar­ke, eine anti­zi­ga­nis­ti­sche Kari­ka­tur einer Roma-Frau auf. (watson.de, 24.9.20)

Moritz hat sich mit sei­ner Fir­ma in der neu­en iden­ti­tä­ren Immo­bi­lie in Steyr­egg ein­quar­tiert. Damit ist auch räum­lich zusam­men­ge­wach­sen, was zusam­men­ge­hört. Moritz beweist aller­dings Humor, indem er dem ZDF schreibt: „Ich bin nicht mehr bei der Iden­ti­tä­ren Bewe­gung aktiv.“ Und wie recht­fer­tigt er sei­ne Aus­sa­ge auf Twit­ter? „Es gibt nicht ‚die iden­ti­tä­re Bewe­gung’. Es ist eine Idee, kei­ne Orga­ni­sa­ti­on.“ Das soll er mal der „iden­ti­tä­ren Bewe­gung“ samt ihrem Füh­rer Sell­ner sagen, dass es sie gar nicht mehr gibt – etwa bei der nächs­ten Demons­tra­ti­on, an der Moritz mög­li­cher­wei­se wie bei jener am 31. Juli wie­der dabei sein wird.

➡️ Wochen­schau KW 27 bis 32/21, Teil 2: Prozesse
➡️ Wochen­schau KW 27 bis 32/21, Teil 3: Blaue Geschichten
➡️ Wochen­schau KW 27 bis 32/21, Teil 4: Gemischtes