Selbst wenn einzelne Taliban-Führer derzeit noch mit Engelszungen ihre Friedlichkeit beschwören, an ihrer Ideologie, die eine islamische theokratische Herrschaft beinhaltet, kann kein Zweifel bestehen. Die Taliban-Ideologie und ‑Praxis ist eine Absage an Menschenrechte, Frauenrechte, Bildung, Rechtsstaat, kurz zusammengefasst: an so ziemlich alle zivilisatorischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte.
Wer den Taliban und ihrer Machtübernahme applaudiert, sie auch noch für den Westen, Europa und Österreich gleichermaßen oder in ähnlicher Form herbeisehnt, will den Zivilisationsbruch. Der Olympia-Burschenschafter Alexander Markovics, bis vor einigen Jahren noch einer der identitären Chefs in Österreich, jetzt nur mehr „Generalsekretär“ des rechtsextremen und russophilen Suworow-Institutes, bringt das in ganz wenigen Sätzen auf den Punkt:
Der Sieg der #Taliban in #Afghanistan bedeutet eine krachende Niederlage für den #Globalismus. Dragqueens, Homoparaden und Menschenrechtsideologie haben dort Sendepause. Wird Zeit, dass auch #Europa sich aus seinem Zustand als amerikanischer Kolonie befreit!
Da ist so ziemlich alles gesagt. Jetzt könnte man natürlich einwenden, dass von einem Alexander Markovics, dessen Idol der rechtsextreme Alexander Dugin ist und der als Chefredakteuer der neuen Zeitschrift „Agora Europa” gleich für die erste Nummer mit Per Lennart Aae einen Holocaustleugner als Beiträger an Bord geholt hat, wohl nichts anderes zu erwarten ist.
Wenn dann aber in einem Tweet das Posting von Annarita Menegus öffentlich gemacht wird, dann stellen sich doch andere Fragen. Menegus hat es schon im April dieses Jahres zu unrühmlicher öffentlicher Aufmerksamkeit geschafft, als sie einen Tränengas- und Pfefferspray-Einsatz der Wiener Polizei in einen Zusammenhang mit den Nazis und den Nürnberger Prozessen brachte. Eine ungeheure Verharmlosung: Tränengas ist gleich Zyklon B? Annarita Menegus ist die Obfrau des RFJ Wien Wieden und, wie FPÖ Fails im August mit mehreren Fotos dokumentierte, auch Aktivistin für die Identitäre Bewegung. Jedenfalls war sie bei der Identitären-Kundgebung am 31.7. zusammen mit ihrer Schwester mit einem T‑Shirt der Identitären („Wiener Widerstand“) unterwegs.
Wenn die RFJ-Funktionärin jetzt auf ihrem Instagram-Account, der zwar auf privat gestellt, aber von einigen Hundert Menschen abonniert ist, die Machtergreifung der Taliban als „Krieg der Befreiung“, mit dem die Taliban „gegen den Imperialismus, für die eigene Souveränität, Freiheit und Integrität“ kämpfen, feiert, dann ist so ziemlich jede zivilisatorische Grenze überschritten. Die Diktion, die sie in ihrer Stellungnahme verwendet („Afghanistan soll seine wahre Identität zurückerlangen und fortan nach seinen Traditionen leben …“) ist eindeutig identitär geprägt: etwas weniger offen als Markovics, aber aus dem gleichen Stall.
Auf ihrem Twitter-Account (den sie seit heute wieder einmal auf privat gestellt hat), retweetet sie bereits Propagandameldungen des Taliban-Sprechers Suhail Shaheen – kommentar- und offensichtlich kritiklos.
Der RFJ ist die offizielle Jugendorganisation der FPÖ und erhält jährlich Hunderttausende Euro aus öffentlichen Mitteln des Bundes und von Ländern. Die Grüne Jugendsprecherin Barbara Neßler fordert nun den Stopp der Förderungen an den RFJ.
Einer Jugendorganisation, die so klar wie nur irgendwie möglich, den Boden der Demokratie verlassen hat und mit einem unfassbaren Zynismus ein Gewaltregime verherrlicht, muss jegliche staatliche Förderung entzogen werden. https://t.co/lkVMMkcFii
— Barbara Neßler (@BarbaraNessler) August 17, 2021