Sommerserie: Völkische Studentenverbindungen in Wien

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Som­mer­se­rie Teil 5: die aka­de­mi­sche Bur­schen­schaft Teutonia

Aus­ge­wähl­te Mitglieder

Höchst­ran­gi­ger aktu­el­ler FPÖ-Poli­ti­ker der Teu­to­nen ist Rein­hard Bösch (Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ter und Lan­des­par­tei­ob­mann Vor­arl­berg). Ihm arbei­ten im Par­la­ment meh­re­re Kor­po­rier­te zu, dar­un­ter sein Bun­des­bru­der Mal­te Eik­mei­er (gleich­zei­tig Bur­schen­schaft Nor­man­nia-Nibe­lun­gen Bie­le­feld). Der Teu­to­ne Jan Acker­mei­er schreibt regel­mä­ßig in „Der Eck­art“, „Zur Zeit“ und ande­ren rechts­extre­men Medi­en. Auf­grund sei­ner ein­schlä­gi­gen Akti­vi­tä­ten war er selbst für den Olym­pen Harald Ste­fan als Mit­ar­bei­ter nicht mehr trag­bar – den­noch werkt er nach wie vor im frei­heit­li­chen Klub. Der lang­jäh­ri­ge Alt­her­ren­ob­mann der Ver­bin­dung, Wal­ter Tri­butsch, war Pres­se­spre­cher der Deut­schen Bur­schen­schaft, ist Mit­be­grün­der von „Zur Zeit“ und lei­tet den Ver­lag („W3“), in dem die­se erscheint.

His­to­risch ist Georg von Schö­ne­rer anzu­füh­ren, der von den Teu­to­nen 1889 als Ehren­bursch auf­ge­nom­men wur­de. Auch zwei pro­mi­nen­te Natio­nal­so­zia­lis­ten hat die Ver­bin­dung vor­zu­wei­sen: SS-Ober­grup­pen­füh­rer Hugo Jury, Mit­glied des „Anschluss­ka­bi­netts“ um Arthur Seyß-Inquart und spä­ter Gau­lei­ter Nie­der­do­nau, sowie Rudolf Töp­fer, der als Chef der Wie­ner Reichs­bahn­di­rek­ti­on an einer zen­tra­len Schalt­stel­le der NS-Kriegs- und Ver­nich­tungs­lo­gis­tik saß. Umso bezeich­nen­der, was die Teu­to­nen-Chro­nik von 1968 über ihn zu ver­mel­den weiß: „Wo immer er war (…) wir wuss­ten (…), daß dort ‚die Bur­schen­schaft’ saß und sprach und dach­te und han­del­te!

Geschich­te

Die Teu­to­nia grün­de­te sich 1868 als Abspal­tung der „Brau­nen Armi­nia“ (zu deren Mit­glie­dern die von Kor­po­rier­ten gern als Ent­las­tungs­so­zia­lis­ten ange­führ­ten Vic­tor Adler und Engel­bert Per­n­erstor­fer zähl­ten), weil die­se den Spal­tern „zu wenig völ­kisch gesinnt“ war. In wei­te­rer Fol­ge beschrit­ten die Teu­to­nen einen fana­tisch völ­kisch-anti­se­mi­ti­schen Kurs und tra­ten als ent­schie­dens­te Anhän­ger Schö­ne­rers in Erschei­nung, der der pro­mi­nen­tes­te Für­spre­cher die­ses Kur­ses in der aus­ge­hen­den Mon­ar­chie war. 1888 wur­de die Ver­bin­dung wegen einer anti­se­mi­ti­schen Brand­re­de im Rah­men einer Fest­ver­an­stal­tung behörd­lich auf­ge­löst, 1896 folg­te ein erneu­tes kurz­zei­ti­ge Ver­bot wegen der Annah­me der „Waid­ho­fe­ner Beschlüs­se“, wonach Juden kei­ne Satis­fak­ti­on mehr zu gewäh­ren sei. 1910 erwar­ben die Teu­to­nen erst­mals ein Haus. Wie auch die heu­ti­ge Bude befand es sich im ach­ten Wie­ner Bezirk (Koch­gas­se 11).

Wie vie­le ande­re Bur­schen­schaf­ten bega­ben sich auch die Teu­to­nen früh ins Lager der Natio­nal­so­zia­lis­ten. Ihrer Chro­nik zufol­ge schloss man 1932 ein Abkom­men mit dem Natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Deut­schen Stu­den­ten­bund (NSDStB) und ver­füg­te kurz dar­auf eine Ver­pflich­tung für Mit­glie­der, die­sem bei­zu­tre­ten. Mit dem Ver­bot der NSDAP ging man, so die Chro­nik wei­ter, in den „Unter­grund“. Die Über­nah­me des Füh­rer­prin­zips wird non­cha­lant argu­men­tiert: „Der demo­kra­ti­sche Gedan­ke der Urbur­schen­schaft hat­te sich über­lebt.“ Nach dem „Anschluss“ bestand die Ver­bin­dung als Kame­rad­schaft Georg von Schö­ne­rer wei­ter. Das Haus in der Koch­gas­se muss­te 1940 ver­kauft wer­den, als Ersatz erwarb man einen Anteil an einem Haus in der Pia­ris­ten­gas­se, der aller­dings nach dem Krieg zurück­ge­stellt wer­den muss­te. War­um, ver­rät die Chro­nik lei­der nicht …

Nach der Nie­der­wer­fung des Natio­nal­so­zia­lis­mus gin­gen die Teu­to­nen, 1952 wie­der­be­grün­det, nicht ein­fach zur Tages­ord­nung über – nein, sie unter­zo­gen unter dem Ein­druck der Ereig­nis­se ihre ideo­lo­gi­schen Grund­la­gen einer scho­nungs­lo­sen Hin­ter­fra­gung. Ergeb­nis unter ande­rem: Man müs­se in der „Juden­fra­ge (…) ver­nünf­ti­ger“ wer­den. Dass „das Juden­tum eine bio­lo­gi­sche, kul­tu­rel­le und wirt­schaft­li­che Gefahr für unser Volk bil­det“, sei „(k)eine Fra­ge“, doch die Mit­tel der Ver­gan­gen­heit zur Abwehr die­ser Gefahr hät­ten sich als untaug­lich erwie­sen (Ver­bin­dungs­chro­nik 1968). Die völ­ki­sche Kon­se­quenz, die aus sol­chen „Refor­men“ spricht, trägt man stolz vor sich her, wie ein Face­book-Pos­ting von 2015 unter­streicht: „Wir wis­sen wer wir sind, wir blei­ben wer wir waren! unge­beugt, unbe­irrt und unbe­lehr­bar.” Die Home­ba­se der Unbe­lehr­ba­ren befin­det ich seit 1959 im Roten Hof 8, einer Seiten(sack)gasse der Pia­ris­ten­gas­se. 1981 wur­de auch das Nach­bar­haus (Num­mer 10) erworben.

Akti­vi­tä­ten

Was rechts­extre­men Akti­vis­mus betrifft, ist wohl kei­ne Bur­schen­schaft in Öster­reich in den letz­ten Jah­ren quan­ti­ta­tiv wie qua­li­ta­tiv ähn­lich auf­fäl­lig gewor­den wie die Teu­to­nen. Nichts­des­to­trotz befin­den sie sich inner­halb der öster­rei­chi­schen Bur­schen­schaf­ten kei­nes­wegs in einer Außen­sei­ter­po­si­ti­on, wie ihre Vor­sitz­füh­rung in der Bur­schen­schaft­li­chen Gemein­schaft (2011), der Deut­schen Bur­schen­schaft (2013) und dem WKR (2014) unter­streicht. Bereits die Freund­schafts- bzw. „Kartell“-Beziehungen der Teu­to­nen spre­chen Bän­de, denn hier fin­den sich engs­te Kon­tak­te gera­de zu den am wei­tes­ten rechts ste­hen­den Ver­bin­dun­gen, die die Bun­des­re­pu­blik zu bie­ten hat: Danu­bia Mün­chen und die Bon­ner Rac­zeks. Selbst Bur­schen­schaf­ter äußern sich mit­un­ter kri­tisch über die poli­ti­sche Ver­or­tung der Teu­to­nen. Ein Mit­glied der „Ober­ös­ter­rei­cher Ger­ma­nen” beschrieb sie Ende der 1980er-Jah­re neben der Olym­pia als Anzie­hungs­punkt für „radi­ka­le Geis­ter“. Um 1990 konn­te die Teu­to­nia mit eini­ger Berech­ti­gung als ver­bin­dungs­stu­den­ti­scher Arm der neo­na­zis­ti­schen VAPO beschrie­ben wer­den – so umfang­reich waren die per­so­nel­len Überlappungen.

Unter dem Vor­sitz der Teu­to­nen erar­bei­te­te die Bur­schen­schaft­li­che Gemein­schaft 2012 eine Grund­satz­schrift, in der Völ­ker – und nicht etwa Indi­vi­du­en – als ent­schei­den­de Ein­hei­ten der evo­lu­tio­nä­ren Ent­wick­lung bezeich­net wur­den. Wei­ters behaup­te­te die Schrift „Unter­schie­de in Fähig­kei­ten und Ver­hal­tens­wei­sen (…) zwi­schen Män­nern und Frau­en” wie auch „zwi­schen Ange­hö­ri­gen ver­schie­de­ner Ras­sen” und beklag­te die „Ein­schrän­kung der Mei­nungs­frei­heit in bezug auf Ereig­nis­se im soge­nann­ten Drit­ten Reich, die nach wie vor der objek­tiv­his­to­ri­schen Auf­ar­bei­tung bedür­fen“.

Immer wie­der tra­ten die Teu­to­nen in den ver­gan­ge­nen Jah­ren auch mit Flug­blät­tern ein­schlä­gi­gen Inhalts in Erschei­nung. 2010 gei­fer­ten sie über die „Schand­ver­trä­ge“ von Ver­sailles und St. Ger­main und for­der­ten nichts ande­res als eine Wie­der­her­stel­lung Groß­deutsch­lands. „Noch heu­te wer­den Süd­ti­rol, Deutsch­böh­men, Süd­kärn­ten, die Süd­stei­er­mark, Tei­le des Bur­gen­lan­des, das Elsaß, ganz Ost­deutsch­land und vie­le ande­re Gebie­te von den Sie­ger­mäch­ten und ihren Vasal­len besetzt gehal­ten.“ Da Unrecht nicht ver­jäh­re, lau­te die Losung: „Gebiets­ab­tre­tun­gen revi­die­ren! Zah­lun­gen refun­die­ren!“ Ein Flug­blatt von 2012 nahm den dama­li­gen Prä­si­den­ten der Israe­li­ti­schen Kul­tus­ge­mein­de, Ari­el Muzi­cant, ins Visier. Die­ser habe eine Ein­la­dung zum WKR-Ball aus­ge­schla­gen, weil er „eine ande­re Art von Logen – Frei­mau­rer­lo­gen!“ bevor­zu­ge. Im sel­ben Jahr sah man hin­ter der Errich­tung eines Deser­teurs­denk­mals in Wien „die will­fäh­ri­gen Zer­set­zer von Volks­tum und Natio­nal­be­wußt­sein“ am Werk. Zwei Jah­re spä­ter leg­te man in der­sel­ben Ange­le­gen­heit noch ein­mal nach und wet­ter­te in alt­be­kann­ter Anti­se­mi­ten­ma­nier gegen die inter­na­tio­na­le Hoch­fi­nanz. 2015 lud man ein publi­zis­ti­sches Lieb­kind der deut­schen extre­men Rech­ten, Akif Pirincci, als Vor­tra­gen­den ein und doku­men­tier­te via Face­book die eige­ne Hal­tung zum Tag der Befrei­ung vom Natio­nal­so­zia­lis­mus: „8. Mai 2015 — kein Fest der Freu­de!

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