Sommerserie: Völkische Studentenverbindungen in Wien

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Som­mer­se­rie Teil 6: Im sechs­ten Teil unse­rer Serie wid­men wir uns einer der ältes­ten Bur­schen­schaf­ten Öster­reichs: der Wie­ner Liber­tas. Zuhau­se am Spit­tel­berg im Her­zen von Neu­bau, grü­ne Müt­zen – poli­tisch aber mit aus­ge­präg­ter Affi­ni­tät zu ande­ren Farbtönen.

Aus­ge­wähl­te Mitglieder

Wal­ter Rosen­kranz hält als Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ter und nie­der­ös­ter­rei­chi­scher Lan­des­par­tei­ob­mann die Liber­ten-Fah­ne in der FPÖ hoch. Zu sei­nen Bun­des­brü­dern zäh­len der ehe­ma­li­ge ober­ös­ter­rei­chi­sche FPÖ-Lan­des­rat Hans Achatz, der lang­jäh­ri­ge Obmann des Frei­heit­li­chen Aka­de­mi­ker­ver­ban­des Wien/Niederösterreich/Burgenland Rei­mer Tim­mel, der eme­ri­tier­te Pro­fes­sor der Wie­ner Tech­ni­schen Uni­ver­si­tät Wer­ner Kuich und Peter Weiß, der in sei­nem Karo­lin­ger-Ver­lag aller­lei Rechts­rech­tes publi­ziert und 2003 am Ran­de eines Bur­schen­schaf­ter­auf­marschs einen Foto­gra­fen tät­lich attackierte.

Von his­to­ri­schem Inter­es­se – auch auf­grund sei­ner zen­tra­len Rol­le inner­halb der Bur­schen­schaft nach 1945 – ist Gün­ther Ber­ka: Der war im Natio­nal­so­zia­lis­mus Vize­prä­si­dent der Reichs­bahn­di­rek­ti­on Wien und damit direk­ter Unter­ge­be­ner eines wei­te­ren Bur­schen­schaf­ters, des Teu­to­nen Rudolf Töp­fer. Ber­ka war Trä­ger höchs­ter Aus­zeich­nun­gen sei­ner Ver­bin­dung, des Wie­ner Kor­po­ra­ti­ons­rings (WKR) und des Ver­ban­des Deut­sche Bur­schen­schaft in Öster­reich (DBÖ).

Johann Stich wie­der­um wirk­te unter der Nazi-Herr­schaft als Gene­ral­staats­an­walt am Wie­ner Ober­lan­des­ge­richt und erwirk­te dort noch in der End­pha­se des Krie­ges in Stand­ge­richts­pro­zes­sen Todes­ur­tei­le am lau­fen­den Band. Als ein­zi­ger NS-Staats­an­walt über­haupt brach­te er es fer­tig, von der öster­rei­chi­schen Nach­kriegs­jus­tiz nach­hal­tig ver­ur­teilt zu wer­den. Sei­ne Bun­des­brü­der fei­er­ten ihn den­noch  oder gera­de des­we­gen 1957 als „Sym­bol für Cha­rak­ter­stär­ke und ech­ten Glau­bens­sinn“, wie der Poli­tik­wis­sen­schaf­ter Wei­din­ger in sei­nem Stan­dard­werk über Bur­schen­schaft in Öster­reich dokumentiert.

Geschich­te

Die Liber­tas wur­de 1860 gegrün­det und erklär­te sich 1861 zur Bur­schen­schaft. Da die Wie­ner Olym­pen die­sen Schritt erst ein Jahr spä­ter setz­ten, bezeich­nen die Liber­ten sich selbst als ältes­te noch bestehen­de Bur­schen­schaft Öster­reichs. Pio­nie­re waren sie auch in ande­ren Belan­gen: Schon 1878 führ­ten sie einen „Arier­pa­ra­gra­phen“ ein und stie­ßen damit eine ver­häng­nis­vol­le Ent­wick­lung an, der sich vie­le wei­te­re Bur­schen­schaf­ten in den Fol­ge­jah­ren anschlos­sen. Zwi­schen 1901 und 1938 resi­dier­te die Ver­bin­dung in der Pia­ris­ten­gas­se 20, nach dem Krieg erwar­ben sie nach erfolg­ter Neu­grün­dung bald (1956) das heu­ti­ge Haus in der Guten­berg­gas­se. In die­sen Jah­ren der Wie­der­erste­hung wur­den intern auch Über­le­gun­gen ange­stellt, wie eine Bur­schen­schaft in der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts auf­ge­stellt sein müss­te. Frei­lich: Gewis­se ele­men­ta­re Grund­sät­ze war man nicht bereit preis­zu­ge­ben. Der unter sei­nen Bun­des­brü­dern hoch­an­ge­se­he­ne Liber­te Gün­ther Ber­ka hielt etwa fest, dass die Mit­glied­schaft sich wei­ter­hin „selbst­ver­ständ­lich (…) auf Ari­er zu beschrän­ken“ habe, berich­tet Weidinger.

Akti­vi­tä­ten

Der poli­ti­sche Akti­vis­mus der Liber­ten voll­zog sich in den letz­ten Jah­ren eher in im Schrift­li­chen als in Form von völ­ki­schem Akti­vis­mus, sieht man von bemüh­tem Uni­po­li­tik-Enga­ge­ment ein­zel­ner im Rah­men des Rings Frei­heit­li­cher Stu­den­ten (RFS) ab. Auf ihrer Web­site erei­fern sie sich über „(d)as Dog­ma der poli­ti­schen Kor­rekt­heit“, „Kon­sum­wahn und Hedo­nis­mus“ oder über „Pri­mi­ti­vi­sie­rung durch flä­chen­de­cken­de Redu­zie­rung des Niveaus“ – was nach der Beschrei­bung einer Liber­ten-Knei­pe nach der drit­ten Bier­men­sur klin­gen mag, aber offen­bar gesell­schaft­li­che Zustän­de meint. Vor eini­gen Jah­ren doku­men­tier­ten die Grün­müt­zen, was ihre Vor­stel­lung von Niveau ist und ver­ga­ben einen nach einem Alten Herrn der Ver­bin­dung benann­ten Preis an eine neo­na­zis­ti­sche Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on, wäh­rend deren Kader noch mit einer Ankla­ge nach Ver­bots­ge­setz kon­fron­tiert waren (sie­he dazu aus­führ­lich unser dama­li­ges Dos­sier). Nach eige­nen Anga­ben wird der Preis „für her­aus­ra­gen­de Taten im Sin­ne des natio­nal-frei­heit­li­chen Gedan­kens“ ver­ge­ben.

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