Die taz berichtete am Samstag über ein treudeutsches Jugendlager in Schweden. Auch in Österreich pflegen nicht nur erwachsene deutsche Recken im Sommer hingebungsvoll die (Volks-)Gemeinschaft, sondern verdonnern auch ihren Nachwuchs zu einschlägigen Aktivitäten.
Dem Beispiel aus dem taz-Bericht („Sturmvogel“) sehr nahe kam der noch vor einigen Jahren aktive „Jugendbund Sturmadler“ – wir berichteten mehrmals darüber, zuletzt 2012. Während hierbei der Charakter einer Art Vorstufe zum Wehrsportcamp offensichtlich war und mit Germanen-Romantik nicht gegeizt wurde, präsentieren aktuelle Initiativen sich auf etwas unverfänglichere Art.
Der Österreichische Turnerbund (ÖTB), der sich bis heute in der völkisch-antisemitischen Tradition der deutschen Turnbewegung eines Friedrich Ludwig Jahn verortet, betreibt ein Heim am Turnersee in St. Kanzian/Škocjan (Südkärnten). Der See selbst, eigentlich Sablatnigsee/Zablaško Jezero, erhielt von den Turnern und ihrem Heim seinen heutigen Namen. „Das Turnerseelager diente in der Systemzeit zur Schulung und zur Ausrichtung der Führer des Turnerbundes auf das große Ziel, das 1938 mit der Heimkehr der Ostmark ins Deutsche Reich auch erreicht wurde“, zitiert der Historiker Christian Klösch das Kärntner NSDAP-Organ „Kärntner Grenzruf“ von 1940 („Des Führers heimliche Vasallen – Die Putschisten des Juli 1934 im Kärntner Lavanttal“, Wien: Czernin 2007, S. 29).
Turner-Hakenkreuz an der Jahnturnhalle
Heute veranstaltet der ÖTB dort jeden Sommer ein „Bundesknabenlager“ (für Buben von 10 bis 15 Jahren, heuer vom 1. bis 12. August), ein „Bundeskinderlager“ (für Mädchen von 8 bis 15 und Buben von 8 bis 12) und ein „Bundesjugendlager“ (für Jugendliche von 16 bis 21, beide vom 3. bis 12. August). Geboten werden dabei laut Werbefolder unter anderem sportliche Aktivitäten, Volkstanz und milieutypische Gesänge. Die der Wehrtüchtigkeit altersmäßig näheren Teilnehmenden dürfen sich darüber hinaus an „Geländespielen“ und Orientierungsmärschen erfreuen. Im September (heuer: 4. bis 12.) folgt dann noch ein „Sommerausklang“ mit Aktivitäten „für Junggebliebene“. Während die Knaben unter freiem Himmel zelten, residieren die TeilnehmerInnen der übrigen Lager im ÖTB-eigenen Karl-Hönck-Heim selbst – benannt nach dem SS-Oberscharführer Karl Hönck, der in Turnerbund-Kreisen offenbar noch heute als Südkärntner Local Hero durchgeht.
Im oberösterreichischen Salzkammergut, in Bad Goisern, veranstaltet die Stiftung Soziales Friedenswerk ein traditionsreiches Jugendsommerlager. Dieses findet heuer nicht nur zeitgleich mit den ÖTB-Lagern (1. bis 16. August, Gästehaus Mörtlmühle) statt, sondern bietet dabei laut Ankündigung auch ein ähnliches Program („singen, wandern, tanzen, baden, spielen und erkunden“). Das Werbeflugblatt erwähnt teilnehmende „Gruppen aus Österreich, Deutschland und deutschen Minderheitengebieten“. Dass „Deutsch als Lagersprache (…) Voraussetzung“ ist, wird niemanden wundern. Schon gar nicht angesichts der Geschichte der Stiftung, die sich ab ihrer Gründung 1950 nicht zuletzt durch vielfältige Unterstützungsleistung für NS-Täter einen Namen machte. Neben Jugendlagern organisiert die heute von Verena Inauen (Mädelschaft Nike Wien) angeführte Vereinigung vier mal jährlich Diskussionsveranstaltungen. Als Anschrift führt sie – wie so viele treudeutsche Gruppierungen – das Schulvereinshaus der Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM) im achten Wiener Gemeindebezirk.
Ebenfalls im engsten Umfeld der ÖLM ist ein weiteres einschlägiges Lager zu verorten: das alljährlich im Juli abgehaltene „Kinder- und Jugendlager am Putterersee“ (Aigen im Ennstal/Steiermark) für Kinder von 6 bis 11 und Jugendliche von 12 bis 16 Jahren. Beworben wurde es heuer etwa in der „Neuen Freien Zeitung“ der FPÖ. Das ist insofern nur konsequent, als der Verein, der es ausrichtet – der „Österreichische Verband für Jugendwohlfahrt“ – fest in den Händen ehemaliger wie auch aktueller FPÖ-Politiker ist. Gleich drei Kowariks – Helmut, Dietbert und Dietmar – haben aktuell Vereinsämter inne (zu einer anderen von uns kürzlich beleuchteten Vereinsaktivität von Helmut Kowarik siehe hier). Das heurige Einladungsschreiben ist von Dietbert Kowarik und Arne Rosenkranz unterzeichnet – dem Sohn von Barbara und Mann der oben erwähnten Verena Inauen. Das gebotene Programm bietet wenig Überraschung: Sport, Spiel, Baden, Tanzen, Orientierungswandern, „Waldabenteuer“ und dergleichen mehr, wobei „(n)eben dem Erkunden unserer Natur … auch die Gemeinschaft im Mittelpunkt“ stehe – wobei offenbar ein Dresscode gilt, der eine selbst auf Gabalier-Konzerten ungekannte Dirndl- und Lederhosendichte garantiert.
Auch wenn die hier dargestellten Aktivitäten sich auf den ersten Blick unpolitisch ausnehmen mögen, ist schon angesichts der hinter den erwähnten Lagern stehenden Organisationen und Personen naheliegend, sie als Elemente einer völkischen Parallelwelt ernst zu nehmen. Nur allzu gut fügen sie sich in das erst kürzlich von Heike Radvan und Esther Lehnert konstatierte Interesse rechtsextremer Eltern, „ihre Kinder fernab von demokratischen Einflüssen gemäß der Ideologie der ‚Volksgemeinschaft’ zu erziehen oder erziehen zu lassen“ (die entsprechende Publikation der deutschen Heinrich-Böll-Stiftung ist hier im Volltext abrufbar).