Anonyme Korporierte gegen Antisemitismus

Die im April 2015 vom Wie­ner FPÖ-Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten Udo Gug­gen­bich­ler (Bur­schen­schaft Albia Wien) vor­ge­leg­te „Erklä­rung“ zum Ver­hält­nis deutsch­na­tio­na­ler Stu­den­ten­ver­bin­dun­gen zum Anti­se­mi­tis­mus ließ vie­le Fra­gen offen. Und das wird wohl auch so bleiben.

Erin­nern Sie sich noch? Rund fünf­zehn Mona­te ist es her, dass Gug­gen­bich­ler per Pres­se­aus­sendung eine Reso­lu­ti­on ver­öf­fent­lich­te, deren „Unter­zeich­ner (…) aus­drück­lich und ohne jeg­li­che Ein­schrän­kung jede Form von Anti­se­mi­tis­mus“ ver­ur­teil­ten und ihr Bedau­ern über die „anti­se­mi­ti­schen Bekun­dun­gen ein­zel­ner Mit­glie­der, Kor­po­ra­tio­nen oder Ver­bän­de“ aus­drück­ten, „die in der Ver­gan­gen­heit getä­tigt wur­den“. Wir haben damals berich­tet.

Pro­blem Num­mer eins: Wer, außer Gug­gen­bich­ler selbst, die­se „Unter­zeich­ner“ waren, ließ sich auch auf Nach­fra­ge beim Aus­sen­der nicht eru­ie­ren. Offen­sicht­lich woll­te außer ihm kei­ner den eige­nen Namen unter einer sol­chen, in völ­ki­schen Ver­bin­dungs­krei­sen offen­bar noch heu­te nicht kon­sens­fä­hi­gen Erklä­rung lesen – was selbst schon als eine Art Erklä­rung zum Anti­se­mi­tis­mus ver­stan­den wer­den kann, frei­lich als kei­ne beson­ders erfreuliche.

Pro­blem Num­mer zwei: Wäh­rend die anony­men Kor­po­rier­ten sich von ver­gan­ge­nem Anti­se­mi­tis­mus distan­zier­ten, gin­gen sie mit kei­nem Wort auf die Gegen­wart ent­spre­chen­der Ein­stel­lun­gen in ihren Krei­sen ein, die bis heu­te etwa durch jede ein­zel­ne Aus­ga­be der Bur­schen­schaf­ter-Zeit­schrift „Die Aula“ ein­drucks­voll doku­men­tiert wird (sie­he zum Bei­spiel hier und hier, oder hier).

Zumin­dest was die Unter­zeich­ner betrifft, bringt eine neue Publi­ka­ti­on des Sozio­lo­gen Roland Girt­ler (Corps Sym­po­si­on Wien) einen Fun­ken Licht ins Dun­kel. Über die Ent­ste­hung der Erklä­rung ist dort zu lesen:

Ganz im Sinn der alten welt­bür­ger­li­chen Stu­den­ten haben sich unter der Lei­tung von Andre­as Gra­bens­ber­ger im Herbst 2014 im Kel­ler eines Wie­ner Wein­lo­kals ca. 20 Bur­schen­schaf­ter, Lands­mann­schaf­ter und Corps­stu­den­ten sowie Damen einer far­ben­tra­gen­den Damen­ver­bin­dung getrof­fen, um ein gemein­sa­mes Mani­fest zu ver­fas­sen, in dem sie beto­nen, dass der Anti­se­mi­tis­mus und jede Art des Ras­sis­mus mit den Zie­len und Ideen der Bur­schen­schaf­ten und ande­rer Ver­bin­dun­gen unver­ein­bar ist (sic). (Roland Girt­ler, Far­ben­stu­den­ten zwi­schen Welt­bür­ger­tum und Anti­se­mi­tis­mus, Ber­lin: Lit 2016, S. 122)

Damit ver­fü­gen wir nun zumin­dest über einen Anhalts­punkt hin­sicht­lich der Grö­ßen­ord­nung jenes Sek­tors des deutsch­na­tio­na­len Ver­bin­dungs­we­sens in Öster­reich, der zumin­dest an his­to­ri­schen Äuße­run­gen von Anti­se­mi­tis­mus wie den in der Erklä­rung erwähn­ten „Waid­ho­fe­ner Beschlüs­sen“ von 1896 Anstoß nimmt. Und wir ken­nen neben Gug­gen­bich­ler eine zwei­te Per­son, die augen­schein­lich bereit ist, mit einer sol­chen Hal­tung asso­zi­iert zu wer­den. Andre­as Gra­bens­ber­ger ist in der Gra­zer Lands­mann­schaft Viru­na kor­po­riert, ehe­ma­li­ger Natio­nal­rats­wahl-Kan­di­dat der FPÖ und zuletzt im Rah­men einer losen Platt­form Wie­ner Kor­po­ra­tio­nen & Freun­de in Erschei­nung getreten.