Schon im ersten Prozess gegen Rene M., der für „Objekt 21” (O21) vorwiegend als Auftragstäter für Einbruchsdiebstähle tätig war, spielte dessen „rechte Gesinnung“ keine Rolle. Er wurde offensichtlich auch kaum danach gefragt. In der internen Hierarchie von O21 war er freilich so wie die beiden neuen Angeklagten vom 22.8. nur ein Mitläufer. Deren gab es freilich viele bei O21: Je nach Definition schwankt die Zahl der Personen, die dazugezählt werden, zwischen rund 150 (Mitgliederlisten) und mehr als 200 (Kriminalpolizei). Der harte Kern der Neonazi-Truppe, die bekennenden Neonazis, umfasst jedenfalls weit mehr als die sieben Personen, gegen die die Staatsanwaltschaft Wels eine Anklage wegen NS-Wiederbetätigung eingebracht hat. Vor Gericht abgehandelt werden jetzt aber zunächst jene Delikte, die angeblich nichts mit der politischen Gesinnung der O21-Neonazis zu tun haben. Angeblich!
O21, der Bauernhof in Desselbrunn, war über einige Jahre der Anlaufpunkt von Neonazis. Nicht nur aus Oberösterreich, sondern auch aus Deutschland und hier vor allem aus Thüringen besuchten sie den Bauernhof, hielten sich dort auch vorübergehend auf und wickelten dort ihre Drogen‑, Waffen- oder Rotlichtgeschäfte ab. Braune Konzerte, wie etwa mit Gigi und die braunen Stadtmusikanten fanden in Desselbrunn statt, Saufabende mit Neonazi-Musik, bei denen die „Geschäfte“ gemacht wurden.
Die „Geschäfte“ von O21, von Einbruchsdiebstählen, schwerer Nötigung und Körperverletzung über Brandstiftung bis Waffen- und Drogenhandel usw. dienten offensichtlich nur einem Zweck: den Neonazis ein schönes Leben zu ermöglichen. Auch für Anwaltskosten war vorgesorgt. Um sorgenfrei Neonazi sein zu können, wurde so ziemlich das ganze Register des Strafrechts bedient.
Am 22.8. standen also weitere zwei Mitglieder des Neonazi-Netzwerks vor Gericht: ein 24-Jähriger und ein 32-Jähriger. Dem Älteren wurde vorgeworfen, dass er am 23. August 2010 allein ein Bordell im Bezirk Kirchdorf (OÖ) angezündet und zusammen mit Komplizen (darunter dem jüngeren Angeklagten) in Wien einen Saunaklub abgefackelt habe: Auftragsarbeiten, über deren Entlohnung Geld an O21 und in hierarchischer Abstufung an die Beteiligten floss.
Die Angeklagten gestanden die Brandstiftungen, wollten sich allerdings nicht als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung sehen. Aufenthalte in Desselbrunn räumten sie ein. Die APA bastelte aus diesen Aussagen eine eigenartige Erkenntnis:
Dem kriminellen Netzwerk werden zahlreiche Delikte zugerechnet, darunter Gewalt‑, Eigentums- und Vermögensdelikte in der Rotlicht-Szene sowie Waffen- und Drogenhandel. Obendrein gibt es dabei Überschneidungen mit dem rechtsextremen Netzwerk „Objekt 21”. (APA, zit. nach derstandard.at, 22.8.13)
Natürlich geht es nicht um zwei Netzwerke, ein kriminelles und ein Neonazi-Netzwerk, sondern um jenes von „Objekt 21“: mit klaren hierarchischen Strukturen, die sich sogar in den Tätowierungen zeigten und rund um den Kern der Truppe ein breites Feld von Mitläufern, Beitragstätern und „Gastarbeitern“, die fallweise auch für die kriminellen Aktionen eingespannt wurden.
Die beiden Angeklagten wurden zu vier bzw. drei Jahren unbedingter Haft verurteilt und müssen außerdem 200.000 Euro Teilschadenersatz zahlen. Der Ältere legte Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde ein, der Jüngere und die Staatsanwaltschaft wollten noch Bedenkzeit. Die beiden Urteile sind somit noch nicht rechtskräftig.