Ist das so? Eine Spurensuche.
Walter Nowotny, der Fliegerheld der Nazis – ein anständiger Mensch?
Fichtenbauer ist Mitglied im Verein zur Pflege des Grabes von Walter Nowotny. Er war dort auch schon stellvertretender Obmann. Heute sitzen im Vereinsvorstand alte Bekannte wie etwa Gerhard Pendl, Walter Seledec, Hans-Jörg Jenewein und Gerhard Staudinger. An Nowotnys Grab am Zentralfriedhof marschierten in den vergangenen Jahren Freiheitliche, Rechtsextreme und Neonazis auf.
Nowotny-Gedenken: Im Vordergrund steht Gregor T.; in der Mitte in Hintergrund Markus P.; rechts im Hintergrund (fotografierend): Gottfried Küssel; ganz rechts: Felix B., zwei der drei (nicht rechtskräftig) verurteilten im Alpen-Donau-Prozess
Walter Nowotny war der Fliegerheld der Nazis, der 1944 abgeschossen wurde. Er war schon vor der Okkupation Österreichs Mitglied der (damals verbotenen) Hitlerjugend und deutschnationaler Korporierter. Im Mai 1938, also wenige Wochen nach dem „Anschluss“ trat Nowotny der NSDAP bei – ein Faktum, das von der FPÖ noch 2011 in einem Inserat zur Verteidigung Nowotnys bestritten wurde.
Von Fichtenbauer, dem Mitglied des Nowotny-Vereins, gibt es ein sehr eindeutiges Statement zu Walter Nowotny: „Weil es einer links-grünen Mehrheit gelungen ist, dagegen Front zu machen, deswegen wird Novotny nicht zu einem unanständigen Menschen.“ (Standard, 14.7.2007) Dem „Falter“ (24.4.2013) gegenüber formuliert er etwas verrätselt: “Ich will nicht, dass aus politischen Alltagsbefindlichkeiten Ehrengräber beseitigt werden. Das ist unanständig.“
Die Aberkennung des Ehrengrabs für den Nazi-Helden Nowotny – eine unanständige Alltagsbefindlichkeit?
Die „Waldmark“: deutschnationaler Sumpf!
Fichtenbauer ist auch Mitglied („Alter Herr“) der deutschnationalen Ferialverbindung „Waldmark“, über die es bislang kaum dokumentiertes Wissen gegeben hat, weil diese Verbindung auf Öffentlichkeit nicht so großen Wert legt. Eine Ferialverbindung ist der Zusammenschluss von Korporierten an ihren Wohnorten. Dass Ferialverbindungen gerade in jenen Regionen des österreichischen Teils der Monarchie gegründet wurden, die eine gemischte Besiedlung aufwiesen (Böhmen, Mähren Schlesien), war kein Zufall, sondern elementarer Bestandteil eines deutschnationalen Selbstverständnisses, das anderen Nationalitäten und Sprachen die gleichen Rechte verwehren wollte (siehe weiter unten!). Stolz verweisen die Waldmärker in ihrer Festschrift auf den besonderen Stellenwert, den das „völkische“ Bewusstsein in den österreichischen Korporationen erlangt hat: „Ergänzenderweise muß erwähnt werden, dass die im Deutschen Reich gegründeten Ferialverbindungen naturgemäß nie diese völkische Bedeutung erlangten wie jene in Österreich.“
Zu ihrem 100-jährigen Bestehen im Jahr 2005 hat die Waldmark eine Festschrift herausgegeben: „100 Jahre Ferialverbindung deutscher Hochschüler Waldmark 1905–2005. Festschrift“
Festschriften wie diese, die weitgehend für Insider gedacht sind, ermöglichen einen weitgehend unverfälschten Blick und damit auch Einsichten in die politisch-ideologische Orientierung.
Der Deutschnationalismus
Die „Waldmark“ verortete sich bei ihrer Gründung als Teil jenes Deutschtums, das sich im Grenzland (Waldmark=Waldviertel) „dem Kampf der Slawen um die Vormachtstellung in der Monarchie“ entgegenstellt:
Das Deutschtum stand damals (…) in einem harten Abwehrkampf, der, was man damals freilich noch nicht in dem Maße erkennen konnte oder wollte, ein Kampf auf Leben und Tod sein sollte, gerade hier im Waldviertel verknüpft sich mit diesem Abwehrkampf der Name des Vorkämpfers Georg Ritter von Schönerer, den wir in dieser Zeit nicht übersehen dürfen. (zitiert aus der Festschrift, S.18, Festrede zum 60. Stiftungsfest)
Der Deutschnationalismus und rabiate Antisemitismus von Schönerer waren wichtige Bezugspunkte für die „Waldmark“, was auch in ihrem Wahlspruch („Ehre-Freiheit-Vaterland – Pflege echt deutscher froher Kameradschaft, Hebung des deutschen Bewußtseins“) und im Waldmark-Lied („Deutsche Treue, Kampf für Ehre schwören wir in engem Bund (…),trotzig wie des Waldgaus Eichen, hält die Waldmark fest im Sturm,Will nie wanken und nicht weichen deutscher Art ein schützend Turm“) und der Übernahme des Waidhofener Prinzips zum Ausdruck kommt.
Der Antisemitismus
Bei den deutschnationalen Verbindungen ist ein Orientierungspunkt der Umgang mit dem „Waidhofener Prinzip“ , das sind jene Beschlüsse aus den 90er-Jahren des 19. Jahrhunderts, mit denen von Burschenschaften und anderen deutschnationalen Verbindungen der Antisemitismus zum Programm erklärt und Juden jede Ehre abgesprochen wurde (und die von den allermeisten Verbindungen nie formell zurückgenommen wurden).
In der Festschrift heißt es völlig leidenschafts- und kritiklos über die „ideale Weltanschauung“:
Man nahm die Grundsätze des ‚Waidhofener (Ybbs) Prinzips‘ bezüglich der Genugtuung auf Säbel an, arbeitete die Satzungen und die Hausordnung nach dem Muster der Wiener akad. B! Moldavia (…) aus, nahm aber die Pflichtmensur nicht auf.
Man wollte einen kameradschaftlichen Zusammenschluß aller jener Hochschüler des Waldviertels in die Wege leiten, die die gleiche ideale Weltanschauung in ihrem Herzen trugen.“ (S.19)
In der Festschrift von 2005 kein Wort der Kritik, der Distanz zum Waidhofener Prinzip, das bei Arthur Schnitzler wiedergegeben wird:
Jeder Sohn einer jüdischen Mutter, jeder Mensch, in dessen Adern jüdisches Blut rollt, ist von Geburt aus ehrlos, jeder feineren Regung bar. Er kann nicht unterscheiden zwischen Schmutzigem und Reinem. Er ist ein ethisch tiefstehendes Subjekt. Der Verkehr mit einem Juden ist daher entehrend; man muss jede Gemeinschaft mit Juden vermeiden. Einen Juden kann man nicht beleidigen, ein Jude kann daher keine Genugtuung für erlittene Beleidigungen verlangen.“
Die Haltung zum Nationalsozialismus
Große Teile des deutschnationalen Lagers sind in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts umstandslos in das nationalsozialistische Lager übergewechselt. Das ist gerade bei Burschenschaften und anderen deutschnationalen Verbindungen deutlich sichtbar.
Auch bei der „Waldmark“: Hans Heinz Dum (gest. 1986) war NS-Kreisleiter in Horn, zuvor schon „Illegaler“ ab 1923 und 1948 in einem Volksgerichtsprozess zu 10 Jahren Gefängnis verurteilt. Dum beschreibt die Festschrift 2005 als einen der „vielen bedeutenden Männer“, die „das schwarz-rot-goldene Waldmärkerband getragen haben“, “aus der Politik kommend, dann zum Dichter geworden“ (S.12). Als junger „Waldmärker“ durfte Fichtenbauer 1968 gemeinsam mit Dum beim Dichterstein Offenhausen (dessen Verein wurde 1999 wegen NS-Wiederbetätigung behördlich aufgelöst) feiern und der Festrede von Dum lauschen.
Ein weiterer illegaler Nazi wird von einer Historikerin ebenfalls als „Waldmärker“ ausgewiesen: Eduard Pernkopf, der Schöpfer des „Anatomie-Atlas“, für den die Leichen hingerichteter Nazi-Opfer Vorlage waren. In der Festschrift scheint Pernkopf allerdings nicht auf. Absicht der Verfasser oder Irrtum?
Deutlich wird in der Festschrift die mehr als ambivalente Einstellung zum Nationalsozialismus an einer anderen Stelle:
Als Österreich 1938 an das Deutsche Reich angeschlossen wurde und die politische Umkehr einsetze, sahen viele nationale Vereine endlich das Ziel ihrer langjährigen völkischen Arbeit gekommen, auf seine Volkszugehörigkeit stolz sein zu dürfen, was bei anderen Nationen damals und heute (!) selbstverständlich und unantastbar war und ist. (S. 16)
Was hier in schlechtem Deutsch beschrieben wird, ist die dem NS-Regime vorhergehende Periode des Austrofaschismus, in der die „Waldmark“ so wie andere deutschnationale und pronazistische Verbindungen aufgelöst wurden und deren „politische Umkehr“ durch den Nationalsozialismus.
Die Zeit nach 1945
Auch in der Beschreibung der Jahrzehnte nach dem NS-Regime weisen einige Beschreibungen auf klammheimliche Sympathien hin. Mit einer Statutenänderung 1955 wurde das hinzugefügte Bekenntnis zur Republik Österreich so beschrieben und begründet:
Auf Antrag wurden dem § 2 der Satzungen ein weiterer Punkt angefügt:
‚Die akad. Verbindung Waldmark bekennt sich zu einer freien und unabhängigen demokratischen Republik Österreich‘ (sonst wäre die Durchführung der Heldenehrung zum bevorstehenden 50. Stf. unmöglich geworden). (S. 44)
Wohlgemerkt: die augenzwinkernde Begründung für das Bekenntnis zur Republik Österreich stammt aus der Festschrift im Jahr 2005!
Die „Waldmark“ kümmerte sich in den 60er-Jahren um die Unterstützung der „letzten deutschen Kriegsgefangenen“ (das waren zu dieser Zeit nur mehr einige schwerstbelastete Nazis wie Walter Reder), betrieb die Unterstützung „deutscher Kulturvereine“ wie z.B. des Dichtersteins Offenhausen und nahm laut Festschrift in den 90er-Jahren dann des öfteren an den Sonnwendfeiern der rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft teil.
In der gesamten Festschrift der „Waldmark“ findet sich nicht der leiseste Hauch von kritischer Reflexion – ganz zu schweigen von einer Distanzierung von den Nazi-Mitgliedern.
Teil des Problems FPÖ
Peter Fichtenbauer, der sich gerne als „Liberaler“ in der FPÖ feiern lässt, ist nicht für die Festschrift der „Waldmark“ verantwortlich. Er ist ihr derzeit prominentestes Mitglied, einfach ‚dabei‘ in dieser Verbindung, so wie er einfach dabei ist im Verein zur Pflege des Grabes von Walter Nowotny. Auch in der Strache-FPÖ ist er einfach dabei – und bislang nie durch deutlichen Widerspruch zu bestimmten Entwicklungen und Tendenzen in dieser Partei aufgefallen. Im Gegenteil – er ist ihr Aushängeschild und damit Teil des Problems FPÖ.
Fichtenbauer ist sicher kein Neonazi. Vermutlich würde er sich heute nicht einmal mehr als „Deutschnationaler“ bezeichnen. Antisemitismus wird er weit von sich weisen. Aber er hat kein Problem damit, seinen Namen für Vereinigungen herzugeben, denen es nicht in den Sinn kommen will, sich vom Nationalsozialismus klar abzugrenzen und ihre eigene Geschichte kritisch zu hinterfragen. Er ist Teil eines Hinterlandes der FPÖ, das ihn stützt und das er – wenn notwendig – auch durch markige Erklärungen unterstützt.