Der Versuch, sich so herauszureden, verfängt nicht ganz bei den Geschworenen. Der wegen schwerer Körperverletzung Vorbestrafte wird wegen NS-Wiederbetätigung zu acht Monaten Haft unbedingt verurteilt. Ein weiteres Verfahren wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt erwartet ihn auch noch, weil er die gegen ihn ermittelnden Beamten mit der Sprengung des Gendarmeriepostens Lienz bedroht haben soll (Tiroler Tageszeitung, 2.8.2005).
Im Jänner 2006 sind es Präsenzdiener in der Lienzer Kaserne, die wegen „Heil Hitler“-Rufen vor Gericht gestellt werden. Die drei Präsenzdiener sind keine Osttiroler, sondern kommen aus Innsbruck, Kitzbühel und Zell am Ziller. In der Kaserne haben sie mehrfach vor anderen den einschlägigen Gruß getätigt, Hakenkreuze, SS-Runen und rassistische Parolen „Scheiß Neger! NSDAB!“ [sic!] geschmiert. Ob es Beziehungen zu den lokalen Neonazis gegeben hat, wird im Prozess nicht klar. Für die Angeklagten war es eine Blödelei („Das war nur Gaudi“). Das sahen die Geschworenen auch so: Freispruch!
Medien und Exekutive sehen die Osttiroler-Neonazi-Szene am Ende. Es scheint, als ob sie Recht behalten würden mit ihrer Prognose. Die wichtigsten ihrer Protagonisten befinden sich tatsächlich zu dieser Zeit hinter Gittern, in den Medien finden sich keine Berichte über Vorfälle. Nur einmal, im März 2007, nach rassistischen und nationalsozialistischen Parolen gegen eine deutsche Schülergruppe in Osttiro , gibt es Berichte. Doch die Sicherheitsdirektion Innsbruck winkt ab: Es sei eine Südtiroler Nazi-Gruppe gewesen, die für die Vorfälle in Sillian verantwortlich sei – die Polizei in Südtirol ermittle.
2009 gibt die Nazi-Szene leider wieder Lebenszeichen. Im August werden in der Ortschaft Ainet kampierende Roma (Manouches) aus Frankreich in ihren Wohnwägen von Jugendlichen attackiert. Gegen Mitternacht greifen diese die schlafenden Manouches an. Die Polizei wiegelt ab: Vor Ort habe man fünf betrunkene Jugendliche angetroffen, die gleich als Zeugen befragt worden seien. Einer habe zugegeben „an die Wohnwagen geklopft“ zu haben (Standard, 26.8.2009). Zeugen, die sich bei den Medien gemeldet haben, berichten aber, dass rechte Parolen gerufen wurden: „Zigeuner raus!” und „Euch Gsindl brauch ma da nit!“ Die Manouches werden noch in der Nacht von der Polizei vom Stellplatz wegeskortiert. Ihre Personalien wurden nie aufgenommen.
Braune Post
Die Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AfP) hält ihre „Politische Akademie“ zwischen 16.–18.10. 2009 in Osttirol ab – wie sich erst später herausstellt, im Gemeindesaal von Dölsach. Der Tagungsort in Osttirol ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die AfP auf die „heimattreuen“ Kräfte vor Ort, die lokale Neonazi-Szene, die aus den Gefängnissen wieder zurückgekehrt ist, setzt.
AFP tagte 2009 im Dölsacher Gemeindesaal!
Anfang 2010 wird im Impressum eines Flugbaltts „AFP-Aktiv“, das via Postwurfaktion zur Verteilung gelangte, Dr. Horst Ludwig, der angeblich keine aktive Funktion bei der AfP mehr ausübt, als Adressat eines Spendenkontos angeführt. Die „braune Post“ (Kleine Zeitung, 19.2.2010) sorgt für Empörung. Die Mütter der beiden Selbstmörder protestieren gegen den Missbrauch ihrer Söhne für rechtsextreme Propaganda und kündigen rechtliche Schritte gegen die AfP an. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Der Postwurf ist den Neonazis Manuel S. und Harald K. gewidmet, die kurz vor ihren Prozessen stehen. Im AfP-Postwurf werden sie als „gewaltfrei in Wort und Schrift im Sinne der Meinungs-und Informationsfreiheit” bezeichnet.
Auch im Prozess im Februar 2010 gibt sich Manuel S., der wegen der Verteilung von Nazi-Propaganda angeklagt ist, völlig geläutert. Die Geschworenen folgen der rührseligen Inszenierung des mehrfach verurteilten schweren Gewalttäters und Neonazi und sprechen ihn vom Vorwurf der Wiederbetätigung frei Der Berufsrichtersenat trifft die Entscheidung, den Spruch wegen Rechtsirrtums auszusetzen: neue Verhandlung! Anfang Mai 2010 die zweite Runde: Die Geschworenen sprechen Manuel S. neuerlich frei. Diesmal ist eine Aussetzung ihres Spruchs nicht mehr möglich. (Krone, 7.5.2010)
Am 8. Mai 2010 wollen in München/Fürstenried Neonazis zu einer Kriegsgrabstätte marschieren – an einem Asylheim vorbei. 400 GegendemonstrantInnen blockieren, alle Nazis werden kurzfristig festgenommen, es hagelt etliche Anzeigen wegen des Hitlergrußes (Quelle: aida-archiv.de). Am Abend darf dann ein nicht genannter Osttiroler vor den Nazis vom „Freien Netz Süd“ referieren:
Der referierende Kamerad aus Osttirol wurde selbst schon fünfmal unter diesen fadenscheinigen Begriffen verurteilt und am 23. Februar dieses Jahres musste er sich wieder vor Gericht verantworten, da er einen Ordner an einen Kameraden weitergab. Der Inhalt dieses Ordners beschränkte sich auf Schriften aus öffentlich frei erhältlichen Quellen. Doch dies war jedoch Grund genug ihn deshalb vor Gericht zu zerren. (Freies Netz Süd)
Manuel S., der mehrfach verurteilte Schläger und Neonazi, jammert also vor den versammelten Neonazis vom Freien Netz Süd darüber, dass er als Neonazi vors Gericht „gezerrt“ wurde.
Im November 2010 folgt der Prozess gegen den zweiten Schützling der AfP, Harald K. aus Matrei. Nazi sei er keiner, sagt er, doch Fotos zeigen ihn mit Hitlergruß auf einem Berggipfel. Mit einem Gesinnungsfreund, der in der Grazer Karlau einsitzt (Bernd A.), pflegt er einen aktiven Briefwechsel, schickt ihm Nazi-Broschüren, schreibt aufmunternde Sprüche vom „Kampfjahr 2009“ usw. Auch etliche CDs mit Nazi-Schund werden bei ihm gefunden. Das Urteil, neun Monate bedingt und 8.000 Euro Geldstrafe unbedingt, ist noch nicht rechtskräftig. Diesmal plädierten die Geschworenen einstimmig auf Schuld.
Im Jänner 2011, am Wochenende des 22./23., dann die neuerliche Prügelattacke des Bernd A.: Wieder ist es ein Mensch mit anderer Hautfarbe, wieder sind es rassistische Beschimpfungen und schwere Verletzungen beim Opfer. Was aber ist los mit der Polizei? Sie behandelt die Attacke zunächst als Wirtshausprügelei, obwohl beim Namen des Prüglers alle Alarmglocken hätten läuten müssen. Dann zeigt sie auch noch das Opfer an.
Die Alarmglocken läuten an dem Wochenende auch bei einem anderen Vorfall nicht. Wie uns berichtet wird, wurden an dem besagten Wochenende in Lienz auch Flugblätter der Initiative „Volkstod“ verteilt. Die „Volkstod“-Leute kommen aus dem Umfeld von AfP und Alpen-Donau. An anderen Orten werden „Volkstod“-Flugblätter gemeinsam mit solchen der AfP gestreut. Alpen-Donau hat erst jüngst ein AfP-Flugblatt veröffentlicht: Sie kennen sich, sie finden sich.
Am 17.2. erfolgt in der Lienzer Innenstadt eine neuerliche massive Klebe-Aktion der „Volkstod“-Nazis. Das LVT Tirol ermittelt …
Was uns aber noch mehr interessiert: Stellen die Vorfälle der letzten Jahre den Versuch der Neonazis rund um AfP und Alpen-Donau dar, in Osttirol Fuß zu fassen – mithilfe von altbewährten und neuen Kameraden? Wird die Exekutive auch diesmal ihre Fehler von früher wiederholen? Und werden Politik und Schulen in Osttirol das Problem weiter ignorieren?
➡️ Osttirol und seine Neonazis I
➡️ Osttirol und seine Neonazis II – Kameradschaft Osttirol