Krems/NÖ: Wieder zwei Freisprüche
NS-Devotionalien-Handel
Was ist am Landesgericht bzw. in der Staatsanwaltschaft Krems los? 2025 wurde bislang medial über fünf Prozesse nach dem Verbotsgesetz berichtet, alle fünf endeten mit Freisprüchen – letzte Woche waren es zwei.
Ein aus Ostdeutschland stammender Mann, den es 2008 nach Niederösterreich verschlagen hat, hatte „in seinem Haus kartonweise Schriften, Hefte und Bücher, die zum Teil den Nationalsozialismus verherrlichen, gehortet. (…) Zudem soll der Beschuldigte mit Devotionalien aus der NS-Zeit Handel betrieben haben. Überdies teilte er über Social Media Bilder mit NS-Hintergrund.“ Der Verteidiger des 54-Jährigen aus dem Bezirk Krems-Land monierte die Unwissenheit des Klienten, da die „Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen seinen Mandanten (…) in der BRD straffrei“ seien“. Außerdem habe sich der Mann noch in Deutschland lebend vom Rechtsextremismus losgesagt, sei deshalb angefeindet worden und nach Österreich gezogen. „Er habe Gegenstände seiner Sammlung, die er um 50.000 bis 70.000 Euro erworben habe, nur an Einzelpersonen verkauft. Ebenso die Nachrichten nur an Einzelpersonen und nie in einer Gruppe verschickt.“Am Ende der Verhandlung am 24. Juni stand ein noch nicht rechtskräftiger Freispruch.
(Alle Zitate aus meinbezirk.at, 25.6.25)
„Humorvolle“ Nazi-Memes
Am 26. Juni musste ein 40-Jähriger aus dem Bezirk Zwettl wegen des Vorwurfs der Wiederbetätigung vor ein Schwurgericht in Krems. Der Niederösterreicher habe Nazi-Bilder via WhatsApp in eine Gruppe verschickt.
Der Verteidiger hatte ein kreatives Argument parat – nicht, was den angeblichen humorvollen Charakter der verschickten Nazi-Memes betrifft, was vor Gericht sehr oft vorgebracht wird –, sondern: „Diese Bilder machen den Nationalsozialismus eher lächerlich. Hätte man so etwas zu Zeiten der NS-Diktatur verschickt, hätte man mit schwerwiegenden Konsequenzen rechnen müssen.“ (meinbezirk.at, 26.6.25) Es folgte ein Freispruch durch die Geschworenen.
Bei einer Hausdurchsuchung waren bei dem Mann auch verbotene Waffen gefunden worden. „Die Pistole hätte sein Mandant geschenkt bekommen und sicher in einem Safe verwahrt. Bei der Langwaffe hätte sein Mandant nicht gewusst, dass es sich um eine verbotene handle.“ (meinbezirk.at, 26.6.25) Anders liest sich das in den „Niederösterreichischen Nachrichten“ (30.6.25): „Er habe bei einer Hausräumung die Waffen (eine Pistole und zwei Langwaffen) gefunden und sei nicht mehr dazu gekommen, diese abzugeben, erklärte der 40-Jährige die bei einer Hausdurchsuchung gefundenen Waffen und gab zu, damit gegen das Waffengesetz verstoßen zu haben.“
Für den Verstoß gegen das Waffengesetz erhielt der Mann eine Diversion. Auch der Freispruch ist rechtskräftig.
Alles Freisprüche
Am 13. Juni wurde ein Mann freigesprochen, der NS-Devotionalien gehortet, Nazi-Nachrichten verschickt hatte, im Mai kam ein Zwettler ebenfalls mit einem Freispruch davon, der bei sich zu Hause ein ganzes Museum mit NS-Devotionalien eingerichtet hatte (beide wurden wegen des illegalen Besitzes von Waffen zu einer geringen Strafe verurteilt), und im Jänner verließ ein Gobelsburger, der beschuldigt wurde, im Innenhof einer Wohnanlage Nazilieder dargeboten zu haben, seine Verhandlung straffrei.
Mag sein, dass die Freisprüche gerechtfertigt sind, nachvollziehbar sind sie nach den verfügbaren Informationen jedoch keineswegs immer.
2023 und 2024 nur jeweils eine Verurteilung
Aus den Beantwortungen von Anfragen der SPÖ-Nationalratsabgeordneten Sabine Schatz an das Justizministerium ist abzulesen, dass es am Landesgericht Krems in den Jahren 2024 und 2023 jeweils nur zu einer Verurteilung nach dem Verbotsgesetz gekommen ist, dafür aber hat die Staatsanwaltschaft 2024 fünf Diversionen und 61 Einstellungen sowie 2023 drei Diversionen und 72 Einstellungen verfügt. Ist der Gerichtsbezirk Krems eine Oase, was braune Aktivitäten betrifft, oder …?
Wien: Wenig Ahnung über Hitler
Ein Facebook-Posting der ZiB mit einem Netanjahu-Zitat zum Krieg in Gaza hatte einen 35-Jährigen in Hollabrunn lebenden Mann dermaßen in Rage versetzt, dass er Hitler als „eure beste Medizin“ an die Adresse an Netanjahu kommentierte – ergänzt mit einer Beschimpfung. Die Staatsanwaltschaft legte dies als Gutheißung des Holocaust aus und klagte dem mazedonischen Staatsbürger nach § 3h des Verbotsgesetzes an. Seine Herkunft benützte der seit 14 Jahren in Österreich lebende Mann dann auch, um zu erklären, dass er ganz wenig über Hitler wisse, was sich in einem absurd wirkenden Dialog mit einem beisitzenden Richter ausdrückte:
Richter: „Dass sie da schreiben, bei Juden ist Massenmord die beste Medizin, sie wissen nicht genau, was Hitler gemacht hat?“
Angeklagter: „Weiß ganz wenig.“
Richter: „Sie wissen nicht, dass Hitler Juden vergast hat?“
Angeklagter: „Ganz wenig, nein.“
Richter: „War also ein Zufall, dass sie hier von Hitler und Juden geschrieben haben?“
A: „Ja.“
Der Kommentar sei nur ein spontaner Ausdruck seiner Emotionen gewesen, weil er an die palästinensischen Kinder und an sein eigenes Kind, das er wegen eines Herzfehlers verloren habe, gedacht hätte. „Ich weiß, ich hab das geschrieben, entschuldige mich von ganzen Herzen.“ Der Gefühlausbruch sei ihm peinlich, es gäbe keinen politischen Hintergrund, und es sei ihm nur um die Kinder gegangen, die er in Videos gesehen habe.
Die Geschworenen folgten mit einer Mehrheit von sechs Stimmen der Argumentation des Angeklagten und sprachen ihn frei. Da die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab, war das Urteil zu Prozessende nicht rechtskräftig.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Gniebing-Graz: Hitler-Party und Pizza mit Oliven in Hakenkreuzform
Ein 23-jähriger Oststeirer stand am 25. Juni in Graz vor Gericht, weil er über einen Zeitraum von drei Jahren in einer WhatsApp-Gruppe mehr als 70 einschlägige Postings mit nationalsozialistischem Inhalt verbreitet hatte. Zu den Vorfällen zählten unter anderem eine Einladung zu einer „Hitler-Party“, Fotos mit Hitlergruß und Hakenkreuz-Armbinde sowie das öffentliche Zurschaustellen von Nazi-Devotionalien.
Auch sein Umfeld war über seine Gesinnung informiert, wie etwa ein von seinem Vater verschicktes Bild einer Pizza mit Hakenkreuz aus Oliven zeigt. Der Angeklagte bezeichnete seine Handlungen als Satire und „schwarzen Humor“, was das Gericht jedoch als eindeutig neonazistische Wiederbetätigung einstufte. Die Geschworenen folgten dieser Einschätzung und verurteilten den geständigen, bislang unbescholtenen Mann zu einer unbedingten Geldstrafe von 480 Euro, einer bedingten Haftstrafe von acht Monaten, Bewährungshilfe sowie der Auflage, eine KZ-Gedenkstätte pädagogisch begleitet zu besuchen.
(Quelle: kleinezeitung.at, 26.6.25)
Korneuburg/NÖ: Angeklagter nicht erschienen
Bei einem Schwurgerichtsprozess am Landesgericht Korneuburg wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung nach § 3g Verbotsgesetz blieb der angeklagte 38-jährige Deutsche, dem das öffentliche Zeigen eines „SS-Division Totenkopf“-Tattoos am Flughafen Schwechat und in einem Flugzeug zur Last gelegt wird, der Verhandlung fern. Während alle Verfahrensbeteiligten anwesend waren, teilte sein Verteidiger mit, dass kein Kontakt zum Mandanten bestehe.
Nach telefonischer Rücksprache erklärte der Angeklagte, er arbeite auf einer Baustelle in Bayern und habe kein Geld für die Anreise nach Österreich; zudem habe er das Tattoo inzwischen entfernen lassen. Die vorsitzende Richterin vertagte daraufhin die Verhandlung auf September, um dem Angeklagten Zeit zu geben, die Anreise zu organisieren und dafür zu sparen.
(Quelle: noen.at, 29.6.25)
Es ist kaum denkbar, dass der Deutsche der „Einladung“ des Gerichts im September Folge leisten wird, da die Wahrscheinlichkeit einer Auslieferung durch die deutschen Behörden erfahrungsgemäß gegen Null geht. Selbst bei Erscheinen und einer Verurteilung zu einer unbedingten Strafe kann auch das konsequenzlos bleiben, wenn die verurteilte Person die Haftstrafe einfach nicht antritt – so geschehen nach Verhängung einer dreijährigen Haftstrafe, die der bayrische Hitler-Adorant Peter M. nie verbüßt hat.
Linz: Verhetzung als „blöde Idee“
Nachdem der 34-jährige Markus K. gleich fünfmal auf der Facebook-Seite der KZ-Gedenkstätte Mauthausen antisemitische Kommentare in der Preisklasse von „Judenschweine“ und „Drecksjuden“ platziert hatte, was ihm eine Anklage der Linzer Staatsanwaltschaft nach dem Verhetzungsparagrafen eingetragen hat, musste er am 26. Juni am Linzer Landesgericht vorstellig werden. Dort bekannte sich der Mann schuldig – die Kommentare seien eine „blöde Idee“ gewesen – und kassierte nach einer 20-minütigen Verhandlung sechs Monate bedingt – nicht rechtskräftig.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!