Es ist ohnehin schon unerträglich, mit welcher irren Aggressivität und Verlogenheit die diversen rechten Kampfposter*innen fast jede kriminelle Aktivität oder auch nur den Verdacht einer solchen dazu benutzen, um Migration und Asylwerber*innen dafür verantwortlich zu machen. Eine neue Qualität ist es aber, wenn FPÖ-Politiker*Innen fast flächendeckend ohne jeden Genierer dabei mitmachen und eine behauptete ethnische Herkunft für ihre Deportationsaggressionen missbrauchen – und (fast) niemand dagegen protestiert.
Als Thomas Dim, Klubobmann der FPÖ im oberösterreichischen Landtag, das School-Shooting in Graz dazu missbrauchte, um Deportationen einzufordern (Dim: „Ich wiederhole mich: Ein Land ohne Abschiebungen ist ein Land ohne Schutz“) folgte nach der Veröffentlichung durch „Stoppt die Rechten“ noch Protest, der dazu führte, dass Dim sein Posting still und heimlich entsorgte, nicht ohne vorher noch einen Mitarbeiter dafür verantwortlich zu machen.
Abwerzger: Keine Ahnung, aber Migrationspolitik hat Schuld
Am 24. Juni vormittags postete der Tiroler FPÖ-Obmann Markus Abwerzger auf seiner Facebook-Seite:
Schockierende Nachrichten aus Frankreich! Über 100 Frauen wurden bei einem Musikfest mit mysteriösen Spritzen gestochen. Das ist das Ergebnis einer verfehlten Migrationspolitik und einer Gesellschaft, die ihre eigenen Bürger nicht mehr schützen kann!
Solche Zustände dürfen in Österreich niemals Realität werden! Wir fordern konsequente Grenzkontrollen, Remigration und eine Null-Toleranz-Politik gegen jede Form von Gewalt!Abwerzgers rassistisches Posting am 24.6.25 (Screenshot FB)
Die Attacken auf Frauen sollen sich quer über ganz Frankreich, auch in Luxemburg und sogar in einem französischen Überseegebiet, auf der Insel Réunion ereignet haben. Zuvor hatte es auf TikTok und Snapchat Warnungen gegeben, dass sich Männer zu solchen Spritzenattacken verabredet hätten.
Das erste Ziel war damit schon erreicht. den Frauen Angst zu machen. Insgesamt, so die ersten Meldungen, seien an die 150 Frauen von Stichen aller Art betroffen. Einige davon stellten sich sehr schnell als Irrtum heraus (Insektenstiche), andere waren das Resultat einer in den sozialen Medien erzeugten Panikstimmung. Bis zu 14 Männer wurden festgenommen, wobei es in keinem französischen Medium und auch nicht von der Polizei irgendwelche Hinweise auf Migranten als Täter gegeben hat. Abwerzger setzte seinen hetzerischen FB-Post zu einem Zeitpunkt ab, als noch keine belastbaren Ermittlungsergebnisse vorhanden waren. Nun drehte sich die Informationslage sogar soweit, dass kein einziger Fall einer Spritzenattacke bestätigt werden konnte.
Aus Sicht der Behörden zeichnet sich ab, dass die Vorfälle zumindest größtenteils Ergebnis unbegründeter Panik waren. Schon vor dem 21. Juni hatten Posts auf Sozialen Netzwerken vor angeblichen Spritzen-Angriffen gewarnt und damit eine angespannte Stimmung geschürt. Nach dem Fest verbreiteten sich Dutzende Videos und Berichte vermeintlicher Opfer online, was die Angst weiter hochkochte. Die Police nationale spricht von einer „panique collective irraisonnée“– einer irrationalen kollektiven Panik, die sich viral in den sozialen Medien hochgeschaukelt habe. (vgl. lemonde.fr, 27.6.25; tf1info.fr, 28.6.25; spiegel.de, 28.6.25)
Die Hetze von Abwerzger aber ist geblieben und auch Kommentare wie diese sind es: „Zu spät.Österreich ist schon dem Untergang geweiht.Dank unserer beschissenen Politik.“ „Ist in Wien normal“
Haimbuchner will Staatsbürgerschaft zweiter Klasse
Noch ärger als der Tiroler FPÖ-Obmann Abwerzger trieb es die FPÖ Oberösterreich nach den Medienberichten um Mobbingfälle an der HTL Vöcklabruck. In einem ersten Bericht der „Kronen Zeitung“ war von sehr brutalen, auch gewalttätigen Attacken auf einen 15-jährigen Schüler, begangen durch fünf 20-jährige Schüler aus Afghanistan, der Türkei und Albanien die Rede.
Die FPÖ übernahm ungeprüft und ungefiltert diese Darstellung. Manfred Haimbuchner, stellvertretender Landeshauptmann und Landesobmann der FPÖ OÖ, hetzte in einer Presseaussendung am 26.6. los:
Sollte es sich bei den fraglichen Migranten um ausländische Staatsbürger handeln, so ist eine sofortige Abschiebung die einzig richtige Antwort. Es ist nicht länger hinzunehmen, dass die faulen Früchte der linken Multikultiträumereien tagtäglich unsere Gesellschaft terrorisieren.
Manfred Haimbuchner: „Nach den schockierenden Medienberichten über die monatelange Misshandlung eines HTL-Schülers im Bezirk Vöcklabruck durch Mitschüler mit Migrationshintergrund” (Screenshot FB 26.6.25) – Posting ist Stand 1.7.25 noch immer online.
Maximilian Weinzierl, FPÖ-Jugendsprecher im Nationalrat urteilte in einer Presseaussendung (26.6.25), dass die Täter das Recht auf Bildung verwirkt hätten – eine schier unfassbare Ansage! In derselben Aussendung ortete der blaue Bildungssprecher Hermann Brückl gar ein „eklatantes Staatsversagen“ und „an vielen Schulen eine gefährliche Kultur des Wegsehens“. Mit ihren 20 Jahren seien die fünf Täter auch „keine Kinder mehr“.
Fakt ist allerdings, dass die mutmaßlichen Täter (auch für sie gilt die Unschuldsvermutung) nicht 20 Jahre alt sind, sondern 15 und 16. Weiters betonte die Schule in einer Stellungnahme am 27.6., dass keiner der vier (nicht fünf!) beschuldigten Schüler afghanischer Herkunft ist: „Es handelt sich ausschließlich um österreichische bzw. EU-Staatsbürger.“
Manfred Haimbuchner dürfte das schon gewusst oder zumindest geahnt haben, denn in seiner Stellungnahme setzt er nach:
Sollte es für eine Abschiebung schon zu spät sein, weil einer oder mehrere der Migranten im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft seien, so „bestätigt das nur die FPÖ-Forderung nach der Staatsbürgerschaft auf Probe, einer Abschaffung des Rechtsanspruchs auf die österreichische Staatsbürgerschaft, der Möglichkeit zur Aberkennung der Staatsbürgerschaft, sowie die Notwendigkeit zur Schaffung von Anreizsystemen für die Rückkehr von nicht anpassungsfähigen Familien ins Herkunftsland“.
Merke: Für einen FPÖler wie Haimbuchner, auch stellvertretender Bundesparteiobmann der FPÖ und angeblich gemäßigter als Kickl, gibt es also österreichische Staatsbürger*innen zweiter Klasse, die immer Migrant*innen bleiben werden und nach Willen der FPÖ jederzeit mit der Aberkennung ihrer Staatsbürgerschaft rechnen müssen. Protest gegen dieses Form von klarer völkischer Politik und rassistischem Mobbing ist nicht bekannt.
Der Bildungssprecher der FPÖ will eine „gefährliche Kultur des Wegsehens an vielen Schulen“ erkannt haben. Das ist eine massive und möglicherweise auch strafrechtlich relevante Anschuldigung von Lehrer*innen, die nach Ansicht des FPÖ-Bildungssprechers systematisch ihre Aufsichtspflichten verletzen (die HTL Vöcklabruck hat die gegen sie erhobenen Beschuldigungen in ihrer Stellungnahme klar zurückgewiesen). Gegen solche Vorwürfe sollte eigentlich die Gewerkschaft aktiv werden.