Wels/OÖ: Keine Wiederbetätigung trotz Hitlerbart und Hitlergruß?
Der Angeklagte, ein 28-jähriger Welser, lief mit 14 Vorstrafen im Gepäck am 10. April beim Landesgericht Wels ein. Diesmal standen die Delikte Körperverletzung, schwere Körperverletzung, Sachbeschädigung und NS-Wiederbetätigung zur Verhandlung. Bei einem Public Viewing im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft
soll er einen Bekannten mit einer Wasserpistole angespritzt haben, dann gerieten die beiden auch noch aneinander. Dabei habe der 28-Jährige zugeschlagen, mit der Faust ins Gesicht. Doch damit nicht genug: Im Anschluss habe der Welser in der Menge den rechten Arm zum Hitlergruß erhoben und mit der linken Hand einen Hitler-Bart imitiert. Und dann soll er noch eine Scheibe des Welser Magistrats eingeschlagen haben. Der Schaden beläuft sich auf rund 1.000 Euro. Auch eine weitere Körperverletzung kam noch auf: Dabei soll er einem Kontrahenten den Kiefer zerbrochen haben. (meinbezirk.at, 8.4.25)
Die Prozessberichte auf „meinbezirk.at“ und in der „Krone“ (11.4.25) fielen denkbar knapp aus. Bis auf das Delikt der NS-Wiederbetätigung wurde der Welser schuldig gesprochen. Die Geschworenen sahen keine Schuld trotz Hitlergruß und Hitlerbart?
Der Strafverteidiger des Welsers jubelt über den „Erfolg“ für seinen Mandanten, der „kein Kind von Traurigkeit“ sei. Der „Erfolg“ ist relativ: Immerhin muss sein Mandant für dreieinhalb Jahre hinter Gitter, 7.000 Euro an den Schwerverletzten und 1.000 Euro an die Stadt Wels für die Sachbeschädigung zahlen. Aber: „Im Ergebnis gelang es uns die Geschworenen zu überzeugen und der Geschworenensenat kam zum Ergebnis, dass unser Mandant den Hitlergruß sowie den Hitlerbart zwar verwirklicht hat, ihm jedoch kein entsprechender Vorsatz nachzuweisen ist.“ (rieger-recht.at)
Feldkirch/Vbg: Hitler-Bier, NS-Tattoo, Nazi-Memes und Waffen
Unbescholten und gut verdienend ist der Angeklagte, der sich am 14. April wegen NS-Wiederbetätigung und verbotenem Waffenbesitz vor dem Landesgericht Feldkirch verantworten musste, befundete die „Neue Vorarlberger Tageszeitung“ (14.4.25). Vor allem aber: Mit dem Nationalsozialismus habe er nichts zu tun, erklärte er vor Gericht. Die „Krone“ (15.4.25) berichtete aus der Anklage Gegenteiliges:
Er verschickte 14 den Nationalsozialismus verharmlosende „Whats-App-Bilder“ an Freunde und Bekannte, stellte gerne öffentlich sein NS-Tattoo am Bein in Form einer „Schwarzen Sonne“ zur Schau, besaß verbotene Waffen samt Schalldämpfer und dekorierte die Wohnzimmervitrine mit zwei Flaschen Hitler-Bier.
Bei einer Hausdurchsuchung wurden die verbotenen Waffen und die Hitler-Bierflaschen entdeckt, die der Angeklagte geschenkt bekommen haben will und in einer Vitrine verwahrte.
Die rechtliche Beurteilung durch die Geschworenen: schuldig in allen ihm vorgeworfenen Fällen – mit Ausnahme eines Fotos, auf dem fünf der acht Geschworenen kein Hakenkreuz erkennen konnten. Das Strafausmaß: zwölf Monate Haft auf Bewährung und eine unbedingte Geldstrafe in der Höhe von 9.000 Euro, dazu 500 Euro Verfahrenskosten. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Wien: Gutheißung des NS-Völkermords
Die Anklagen nach dem § 3h Verbotsgesetz sind weitaus geringer als jene nach § 3g. Am 15.4. stand ein Mann vor dem Wiener Landesgericht, der sich vom wohl berühmtesten gescheiterten „Austrian Painter“ noch mehr Morde gewünscht hätte.
Die Staatsanwältin wirft dem unbescholtenen Niederländer vor, dass er am 26. Oktober auf dem Facebook-Kanal der Zeit im Bild zu einem Beitrag über einen israelischen Luftangriff auf die Islamische Republik Iran gepostet hat: „Austrian painter hat 100 Prozent RECHT gehabt, er hätte sie alle ausrotten sollen!” Ergänzt wurde der Satz von zwei Blitzsymbolen, dem Zeichen der SS. (derstandard.at, 16.4.25)
Der seit 2007 in Österreich lebende Arbeiter (42), geborener Niederländer und aufgewachsen in Serbien, bekannte sich zum Vorwurf der Anklage schuldig, betonte aber, dass er mit dem Nationalsozialismus nichts am Hut habe: „Ich distanziere mich vom Faschismus und Nationalsozialismus”, zitiert in der „Standard“.
Beim Vorwurf der NS-Wiederbetätigung nach § 3h Verbotsgesetz ist allerdings kein Vorsatz, keine ausdrückliche NS-Gesinnung notwendig. Für die Geschworenen war die Sache daher klar: schuldig im Sinne der Anklage.
Gemeinsam mit den drei Berufsrichterinnen machen sie aber von der Möglichkeit der außerordentlichen Strafmilderung Gebrauch: Der 42-Jährige wird nur zu sechs Monaten bedingter Haft verurteilt. Zusätzlich erhält er die Weisung, innerhalb der nächsten zwölf Monate eine Führung durch die KZ-Gedenkstätte Mauthausen zu absolvieren. (derstandard.at)
Das Urteil ist wegen Bedenkzeit der Staatsanwaltschaft noch nicht rechtskräftig.
Innsbruck: Verhetzung durch einen grauenhaften Naschid
24 Jahre alt ist der Angeklagte, der aus dem syrischen Aleppo nach Österreich geflüchtet ist und sich am 16.4. vor dem Landesgericht Innsbruck wegen Verhetzung verantworten musste, weil er Ende Dezember 2022 laut Anklage auf Instagram unter anderem gepostet hatte: „Habt keine Angst vor den Juden – schneidet die Köpfe ab“
In der Verhandlung wurde durch die Erklärung und Übersetzung eines Dolmetschers klar, dass die beiden ihm vorgeworfenen Texte (im Original arabisch) Naschids sind, islamische Glaubens‑, aber auch jihadistische Kampfgesänge. Der Text des angeklagten Naschid lautet in der Übersetzung des Dolmetschers: „Löscht das Feuer der Perser, schafft das Christentum ab, habt keine Angst vor den Feinden oder Juden, unsere Religion ist die einzig Wahre, geht über alle Linien, schneidet allen die Köpfe ab.“
Der Staatsanwalt verwies darauf, was der Angeklagte einem Freund geschrieben hat: „Hey, ich habe alle IS-Naschids.“ Auf die Frage nach seinem Verhältnis zum IS antwortet der Angeklagte, dass die USA den IS erschaffen hätten, um den Islam schlecht dastehen zu lassen.
Die Verteidigung sah in den beiden inkriminierten Naschids islamische, aber keine islamistische Propaganda, die Staatsanwaltschaft verwies auf eine Einschätzung des deutschen Islam-Wissenschafters Guido Steinberg, der eine klar jihadistische Position in den Texten erkannte
Das Urteil der Richterin fiel zwar klar, was die Schuld des Angeklagten betrifft, aus, aber mild, was das Strafmaß im Hinblick auf seine materiellen Verhältnisse betrifft: 180 Tagsätze zu je vier Euro. Das beschlagnahmte Smartphone bleibt konfisziert.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!