Die Anklage warf ihm vor, insgesamt 15 NS-Memes bzw. WhatsApp-Sticker an einen Nazi-Kameraden verschickt zu haben. Solche von der widerlichsten Art – zum Beispiel:
Ein abgemagertes schwarzes Kleinkind in einer Toilette — Text: Wenn die Scheiße so lange im Klo liegt, dass sie lebendig wird.
Ein Bild mit Hitler und eine Menge Kinder; Text: West Coast — East Coast – Holocaust.- Das Bild einer Bushaltestelle Station Buchenwald; Text: Nur Ausstieg.
Auch die weiteren Fotos und Texte sind so letztklassig, dass sie für das Publikum im Gerichtssaal nur schwer erträglich waren. Für Freund Gerald S., dem er diese Bilder weitergeschickt hatte, waren sie das sicher nicht. Auch wenn der Angeklagte treuherzig vor Gericht behauptete, dass der schon vor längerer Zeit aus der Szene ausgestiegen sei – wir wissen es besser! Was Jürgen W. mit S. verbindet, sind auch die einschlägigen Vorstrafen. W. selbst fallen für sich fünf bis sechs ein, was vom Richter mit dem Hinweis ergänzt wird: „No a paar mehr.“ Zumindest eine einschlägige aus 2016 ist dabei.
Jürgen W. hat aber nicht nur einen einschlägigen Freund, den er mit den Nazi-Memes versorgt hat, sondern auch einen Bruder, der tief in der braunen Szene verwurzelt ist. Was die sonstigen persönlichen und familiären Lebensumstände des Angeklagten betrifft, sieht es düster aus: gewaltige Schulden und ein schmales Einkommen, das sich daraus erklärt, dass er derzeit beim AMS geparkt ist mit Aussicht auf Reha-Geld und dann Invaliditätspension. Diesen Lebensstatus teilt W. mit seinen 46 Jahren mit überdurchschnittlich vielen braunen Kameraden, die sich vor Gericht verantworten müssen.
Die Staatsanwältin wies ihn dezent darauf hin, dass das von ihm so hoch verehrte Nazi-Regime mit Langzeitarbeitslosen und Randgruppen generell sehr brutal umgegangen ist. Der Frage nach den vielen Kinderbezügen in seinen Nazi-Memes begegnete W., der Vater eines mittlerweile erwachsenen Sohnes ist, verständnislos.
Keinen Zweifel offen ließ die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer auch daran, dass die Erklärung der Verteidigung, wonach sich W. zu den Memes „hinreißen“ habe lassen, angesichts der Zahl von 15 nicht verfangen könne.
Das sahen dann diesmal auch die Geschworenen so – in Steyr hat es bei Verbotsprozessen in den letzten Monaten etwas merkwürdige Entscheidungen gegeben; ausgerechnet im Fall von Mario W., dem Bruder von Jürgen. In den 15 Fragen, die den Geschworenen zur Beurteilung der Schuld oder Unschuld des Angeklagten vorgelegt wurden, entschieden sie sich in 14 Fällen einstimmig für schuldig. Lediglich bei einer Frage stimmten sie mit 6:2 für schuldig. Die Strafe wurde auf 18 Monate festgesetzt, von denen sechs Monate unbedingt zu verbüßen sind. Da keine Rechtsmittel von Staatsanwaltschaft und Verteidigung eingelegt wurden, ist das Urteil bereits rechtskräftig.
Die abschließende Bemerkung unserer Prozessbeobachtung: „Kurz nach der Verhandlung wurde W. mit einem Freund gemeinsam in schallendem Gelächter unweit des Landesgerichts gesehen, das relativ milde Urteil dürfte er also gut verkraftet haben.“
Danke für die Prozessbeobachtung!