Vertuschungsversuch mit weggeschnittenem Kandidaten
Nach den Gemeinderatswahlen in Niederösterreich gab sich die FPÖ Bezirk Lilienfeld noch sehr zufrieden: „Die Wähler haben die Gemeinderatswahlen am 26. Jänner zu einem historischen Erfolg für die FPÖ in unserem Bezirk gemacht“, verlautbarte sie am 11. Februar über Facebook und garnierte die Meldung mit einem Foto von gewählten Kandidaten mit Mini-Frauenaufputz, die am 10. Februar ein Vorbereitungsseminar für ihre zukünftigen Tätigkeiten in den Gemeinden absolviert hatten. Foto und Jubelmeldung wurden auch über die „BezirksBlätter” (12.2.25) verbreitet. Dort ist ganz außen ein Mann zu sehen, der allerdings auf dem von der FPÖ via Facebook verbreiteten Foto weggeschnitten wurde: J.I., Spitzenkandidat der FPÖ Hohenberg, die am 26. Jänner ein Mandat erringen konnte.



Prozess in St. Pölten
Einen Tag nach dem Facebook-Posting, dessen Foto ausgetauscht wurde, wie der Bearbeitungsverlauf verrät, musste I. auf der Anklagebank am Landesgericht St. Pölten Platz nehmen. Die Vorwürfe waren heftig:
Mann, geb. 1996, wegen teilweise versuchter Körperverletzung zum Nachteil seiner Freundin und seiner Mutter am 12.05.2024 in XXX [Anonymisierung SdR]. Ferner wegen Verhetzung am 12.06. und 16.06.2024 über Tiktok und wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung iSd Verbotsgesetzes über Tiktok am 16.06.2024 in Hohenberg. (LG St. Pölten)
Die „Niederösterreichischen Nachrichten“ (noen.at, 12.2.25) berichten von der Verhandlung und den widerwärtigen Äußerungen, die zur Anklage führten:
Als Beweis dienten Mitschnitte der Livestreams, bei denen der Angeklagte offensichtlich im alkoholisierten Zustand und mit einer Österreich-Fahne als Hintergrundbild, Aussagen wie „Ihr Flüchtlinge wisst eh schon wo ihr hingehört: in den Ofen“, „Ihr ‚Tschuschen’, ihr und eure Familien gehört alle in die Kammer gestellt“ und „ich hätte gerne in 1943 gelebt — mit Stolz sogar“ tätigte. Die Aufnahme zeigt außerdem wie der 29-Jährige nach einer kurzen Pause militärisch salutiert und gleich darauf seinen rechten Arm zum Hitlergruß erhebt.
Der Hitlergruß sei eine „Tanzbewegung“ gewesen, ansonsten bekannte sich I. in allen Anklagepunkten schuldig. Die Geschworenen beurteilten auch die Handbewegung anders als I., sprachen einen Schuldspruch und eine 18-monatige Haftstrafe, davon sechs Monate unbedingt, aus. Widerrufen wurden allerdings vorangegangene bedingt ausgesprochene Haftstrafen. „Der mehrfach vorbestrafte Angeklagte muss nun allerdings einen 20-monatigen Haftblock absitzen, da aufgrund der Verurteilung, die bereits ausgesprochenen bedingten Haftstrafen ebenso in Vollzug gesetzt werden.“ (noen.at) Das Urteil ist rechtskräftig.
Auf I.s TikTok-Account ist mittlerweile nur mehr ein Video zu sehen: In dem verunglimpft er den Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen.

Hohenberger Bürgermeister: Der Beschuldigte hätte Meldung machen können
Eine Erklärung und Stellungnahme hat der Hohenberger Bürgermeister, Ferdinand Lerchbaumer (SPÖ), auf Anfrage von „Stoppt die Rechten” geschickt.
Die Gemeindewahlbehörde hat vor der Wahl bei einem jeden Kandidaten eine Strafregisterabfrage durchgeführt. Dies ist gesetzlich auch so vorgesehen. Aufgrund des laufenden Verfahrens war im Strafregisterauszug kein Indiz vorhanden, welches I. von der Wahl ausschließen hätte müssen. (…)
Aufgrund eines Zeitungsartikels der NÖN Lilienfeld bin ich auf die Verurteilung aufmerksam geworden und habe mit I. sofort Kontakt aufgenommen. I. gab an, dass er aus der FPÖ ausgetreten ist und mir eine Verzichtserklärung (Verzicht der Annahme des Gemeinderates) am Gemeindeamt abgeben wird. (…) Laut seiner Aussage verzichtet er auf Rechtsmittel und macht auch keinen Einspruch.
Meiner Meinung nach ist hier die Partei gefragt, welche Personen für eine Gemeinderatswahl nominieren. In diesem Fall die FPÖ Bezirksgruppe Lilienfeld. Vom Tatzeitraum bis zur Verurteilung sind einige Monate vergangen. Da hätte der Beschuldigte selbst auch Meldung bei der Partei machen können, zumindest erwartet man das von einem erwachsenen Menschen. Ob er dies getan hat, ist mir unbekannt. Ich selbst bzw mein Gemeinderat distanziert sich von solchen Menschen und deren Gedankengut und wir hoffen, dass so etwas nicht wieder passiert.
Zwei raus, einer rein in Gänserndorf
Nachdem „Stoppt die Rechten“ die Vorliebe für Eiernockerl an Hitlers Geburtstag und weitere inakzeptable Postings von drei Gemeinderatskandidat*innen der FPÖ Gänserndorf angezeigt und öffentlich gemacht hatte, folgten die bei der FPÖ mittlerweile üblichen Reaktionen der Abwehr. Die Spitzenkandidatin Gisela Offenbeck und ihr Ehemann (Platz 4) verzichteten ohne jegliche Kommentierung auf ihr Mandat.
Die NÖN versuchte wiederholt Gisela Offenbeck für eine Stellungnahme zu erreichen. Dieter Dorner, Bezirksparteiobmann der Freiheitlichen hätte den Einzug des Ehepaars in den Gänserndorfer Gemeinderat unterstützt. Warum haben die beiden ihr Mandat nun nicht angenommen? „Weil linker und grüner Terror auf die ausgeübt wurde und sie sich das ersparen wollten“, erklärt der Landtagsabgeordnete. (noen.at, 13.2.25)
Es ist zur Kenntnis zu nehmen: Zur Huldigung jenes Diktators, der in einem bislang nicht gekannten Terror Millionen Menschen verhaften, deportieren und ermorden hat lassen, fällt dem blauen Bezirksparteiobmann Dorner nichts ein, auch nicht zu Peter Offenbecks Kommentar, dass der ehemalige Gesundheitsminister Rudi Anschober „in die Gaskammer” geschickt werden solle, Personen, die dieses Treiben aufdecken und dagegen protestieren, punziert Dorner jedoch als „linker und grüner Terror“.
Damit nicht genug: Durch den Mandatsverzicht des Ehepaars Offenbeck kamen die zwei auf dem Wahlvorschlag Nächstgereihten zum Zug, darunter auch Rene Lorenz. Der ist in der Anzeige von „Stoppt die Rechten“ jedoch ebenfalls erwähnt. Das Eiernockerl-Posting am 20.4.21 aus dem Hause Offenbeck kommentierte Lorenz mit „Hatten wir auch is ja Pflicht an so einen Ehrentag“

Für alle Genannten gilt bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung!
Update 14.2.25: Der Grüne Rechtsextremismus-Sprecher Lukas Hammer äußert sich in einer Presseaussendung zu den jüngsten Vorfällen in der FPÖ Niederösterreich: Wieder „brauner Einzelfall“ bei der FPÖ Niederösterreich. Die FPÖ ignoriert oder vertuscht rechtsextreme Vorfälle in ihren Reihen
➡️ Auch der „Standard” berichtet mit einer Stellungnahme des FPÖ-Bezirksparteiobmanns Lilienfeld: Postings zu Gaskammern und Eiernockerln: FPÖ-Kandidaten treten Mandate in Niederösterreich nicht an