Wolfgang Niederreiter ist 54 Jahre alt. Was er beruflich macht, wissen wir nicht. Als Aktivist und auch Funktionär der FPÖ ist er schon seit einigen Jahren tätig. Für die Wahl 2025 bewirbt ihn die FPÖ Mistelbach mit dem Satz: „Woifal ist eines unserer wertvollsten Mitglieder.“ Warum? Weil er schon seit Jahren auf einem seiner mindestens fünf Facebook-Profile mit einer leichten Variation des SS-Treuespruchs vertreten ist? „Meine Ehre ist Treue in jeder Lebenslage“, heißt es dort. Bei der SS hieß es noch „Meine Ehre heißt Treue“. Wo ist da der Unterschied? 2.631 Follower hat er auf diesem Konto, das öffentlich ist. Ist der Nazi-Spruch niemandem aufgefallen?
Die Wahlliste für den Gemeinderat Mistelbach weist ihn als „Techniker“ aus. Das ist überraschend. Aus Niederreiters Jugendjahren, die er in seinem Buch beschreibt, ist nur eine abgeschlossene Lehre als Bodenleger bekannt. Das Buch, 1995 veröffentlicht, hat er gemeinsam mit einem Journalisten verfasst und trägt den Titel „Ich geh jetzt Rambo spielen“. Der Untertitel ist aussagekräftiger: „Müllkind, Neonazi, Söldner in Bosnien, Bekehrung – und ein Mordprozeß“

Damals war Niederreiter 24 Jahre alt und bereits weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt. Es ist die wohl hervorstechendste Eigenschaft Niederreiters, dass er sich über die Jahre hinweg immer wieder bestens in Szene zu setzen vermag. Ein – aber nur fast! –perfekter Selbstvermarkter. Vor und nach seiner Buchveröffentlichung 1995 schaffte er es mit den „Erzählungen“ über seine Söldner-Periode in Kroatien sogar zu einem Dreiseiter im „Spiegel“ (27.2.94), zu Berichten in etlichen anderen Printmedien, zu diversen Auftritten in Funk und Fernsehen und auch zu einer parlamentarischen Anfrage.
Seine Erlebnisse als Neonazi im Umfeld der VAPO, als kurzzeitiger Fremdenlegionär und schließlich als Söldner bei der Verbrechertruppe von Mladen Naletilić, dem selbsternannten General Tuta, und schließlich seine wundersame Konversion zu einem gläubigen Christen arrangierte er geschickt und portionsweise für die Medien, die damals seine Geschichten begierig und unreflektiert nacherzählten.
Sogar fast 30 Jahre später gelang ihm damit noch ein Coup. Den „Salzburger Nachrichten“ (10.3.22) erzählte er in einem Vierspalter etwas, das man eine Raubersgschicht nennt und mit der Realität sehr wenig zu tun hat. Neben einer sehr allgemeinen moralischen Prise über Krieg und Waffen mischte er dabei Anmerkungen über seine Vergangenheit „in rechtsradikalen Kreisen“, die angebliche Aufarbeitung seiner traumatischen Erlebnisse mit gespielter Ahnungslosigkeit über seine Täterschaft: „Auf die Frage, wie viele Menschen er getötet habe, senkt Niederreiter seinen Kopf. Er wisse es nicht.“ (SN)
… aber er ist zu langsam. Ich erschieße ihn.
In seinem Buch beschrieb er noch sehr konkret, dass er einen bosnischen Scharfschützen mit einer Handgranate aus nächster Nähe getötet hatte, weil der angeblich seinen Freund erschossen hat („Ich bin so voller Wut“). Wenig später erschoss er einen kroatischen Jugendlichen, der einen alten Bosnier mit Fußtritten gequält hat: „Als er nicht aufhört, gebe ich ihm eine Watsche. Da setzt er mir die Pistole an, aber er ist zu langsam. Ich erschieße ihn.“ Unabhängig davon, wie glaubwürdig die geschilderten Abläufe sind: Da prahlt einer mit seinen Tötungen.
Gegen Ende seines Märchens für die SN erzählt er, dass er durch die im Krieg gemachten Erfahrungen „sanfter“ geworden sei, an Sozialprojekten mitarbeite und „im Vorjahr von der Fremdenlegion zum Ehrenlegionär ernannt worden (sei), weil er einem Reporter in Bosnien das Leben gerettet habe“.
Bei dem Journalisten der „SN“ ist dieser Teil der Raubersgschicht über einen geretteten Reporter und seine Ernennung zum Ehrenlegionär sicher gut angekommen. In seinem Buch ist von dieser guten Tat allerdings nichts zu lesen. Sie stimmt auch mit Sicherheit nicht – so wie einiges andere.
➡️ Wolfgang Niederreiter (Teil 2): Der blaue Hassprediger