Auffälliger Bezirksrat
Wer heute das Facebook- oder Instagram-Profil des ehemaligen FPÖ-Bezirksrats öffnet, käme nicht auf die Idee, dass es von einem Neonazi betrieben wird. Das war nicht immer so. In seiner aktivsten Zeit schickte P. der Neonazi-Partei „Die Rechten“ Wünsche für ein „Frohes Fest“ nach Dortmund, konferierte mit dem „Braunen von Wels“ über stolze „Dunkeldeutsche“, likte den Kommentar „Geile Aktion“ eines Nazi-Hooligans zum Überfall auf das Ernst-Kirchweger-Haus 2013, fragte bei den Identitären 2015 nach, wie er den Treffpunkt für ihre Demo erfahren könne und bedankte sich bei ihnen für die Info: „Bei der Veranstaltung habe ich schon zugesagt. Man sieht sich.“ Gesehen hat „man“ sich des Öfteren auch am Grab des Nazifliegers Walter Nowotny.
Das war alles öffentlich, die Initiative „Heimat ohne Hass“ hatte P. daher schon 2015 ein ausführliches Porträt mit seinen Ausfällen und Auffälligkeiten gewidmet. Offene Sympathie für die Identitären und für Neonazis waren In seiner Bezirksorganisation kein Problem, und da war P. beileibe nicht der einzige.
88 + 1 Delikte
Was aber nun in der Verhandlung über seine WhatsApp-Nachrichten,- Videos und ‑Bilddateien von der Staatsanwaltschaft vorgetragen wurde – angeklagt waren 89 Delikte –, ist so eindeutig und widerlich, dass es keine Ausflüchte zulässt. Der Angeklagte, der den Ermittlern über die Handyauswertungen des bereits im November 2022 verurteilten im Unwiderstehlich-Umfeld verkehrenden Neonazi Peter S. als Beifang ins Netz ging, hatte nicht nur Dutzende einschlägige Nachrichten weiterleitet, sondern einige auch selbst verfasst, etwa die „88“, den „GruSS“ oder am 13.4.17 den Hinweis: „In ein paar Tagen ist ja Hitlers Geburtstag.“ Insgesamt 89 Delikte sammelten sich bei P., die vielen Nachrichten, aber auch eine Weinflasche mit Hitler-Porträt und eine Tasse mit „88“ als Aufdruck.
Sicher fänden sich noch einige FPÖ-Parteifreunde, die alles das mit den üblichen Ausreden zudecken würden, aber hierbei hätten selbst die sattsam bekannten Einzelfall-Erklärer und ‑Verteidiger aus der FPÖ Probleme: „Wo liegt der Unterschied zwischen einem Juden und einem Rennfahrer? Gesichtsausdruck bei Vollgas.“ In dieser Qualität verschickte P. etliche Chatnachrichten, dazu dann die üblichen braunen Spielereien mit Hitler-Fotos und Hakenkreuzen in allen Varianten. Die Meldung vom 12.12.19 macht klar, dass P. um das NS-Verbotsgesetz Bescheid weiß: „Max und ich gründen nächstes Jahr eine Partei nahe am Verbotsgesetz und mischen Wien auf.“
Parteigründung gab’s 2020 keine. P. kandidierte wieder für die FPÖ, verfehlte aber das Mandat aufgrund des blauen Absturzes knapp. 2020 war kein gutes Jahr für die FPÖ, aber auch nicht für P.. Der hatte da zum ersten Mal mit seiner Erkrankung zu kämpfen, die ihn seither immer wieder beschäftigt. Vielleicht ist das der Grund, warum er etwas zurückhaltender geworden ist.
Harmonisches Zusammenleben in den VAE
Vor Gericht verlas er nur eine schriftlich vorbereitete Stellungnahme, in der er von Dummheiten sprach, zu denen er sich hinreißen habe lassen, heute würde er das alles nicht mehr machen. Außerdem habe er Kontakte zu vielen Personen aus unterschiedlichen Kulturkreisen. Sogar in die „Vereinigten Arabischen Emirate“ wollte er auswandern, weil er „die dortige Vielfalt und das harmonische Zusammenleben bewundert“ – das dürften einige, die dort leben müssen, insbesondere Frauen und Arbeitsmigranten, wohl etwas anders beurteilen.
Fragen wollte der Angeklagte nicht beantworten. Sein Verteidiger, Martin Mahrer, bat um ein mildes Urteil, denn die Angelegenheit sei schon so lange her. Der Angeklagte behauptete in seinem Schlusswort, er habe mit den Leuten von damals nichts mehr zu tun – was zu bezweifeln ist. Am 23. Dezember tauchte auf einem Neonazi-Telegram-Kanal ein Auschnitt aus dem schritlichen Urteil auf. Woher die Nazis das wohl haben?
Dass der bloße Versand einer Einladung fürs Nowotny-Gedenken angeklagt und einstimmig verurteilt wurde, ist bemerkenswert. Auch in anderen Fragen folgten die Geschworenen nicht der Version des Angeklagten: Schuldig im Sinne der Anklage! Die 17 Monate bedingter Haft wurden auf Bewährung ausgesprochen, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
P.S.: Nach dem Wahlsieg der FPÖ in der Steiermark und knapp vor seiner Verurteilung postete P. ein Foto, das ihn mit Mario Kunasek und folgendem Begleittext zeigt: „Du willst einmal ein Sieger sein? Ein Foto mit mir erhöht die Chancen ungemein.“ Wir würden da glatt andere Zusammenhänge sehen.
Wir danken prozess.report für die Prozessbeobachtung!