Braunau-Ried/OÖ: Feiger Berliner Adolf Hitler-Fan
Straßwalchen-Salzburg: Hitlergruß mit Alkohol
Seefeld-Innsbruck: Freispruch für renitenten Reichsbürger mit Nazi-Tattoo
Wien: Französische Literatur am Landesgericht & Verhetzung
Braunau-Ried/OÖ: Feiger Berliner Adolf Hitler-Fan
Am 1. Oktober hätte eigentlich der 57-jährige Berliner, der am 20. April 2021 vor Hitlers Geburtshaus niedergelegt hatte, vor dem Landesgericht Ried im Innkreis wegen der Anklage auf NS-Wiederbetätigung erscheinen müssen. Gekommen ist er nicht. „Aus beruflichen Gründen“ (meinbezirk.at, 1.10.24) habe er nicht erscheinen können, erklärte sein Verteidiger, warum der Angeklagte nach dem ersten Versuch im Mai zum zweiten Mal nicht auftauchte. Die Geschworenen mussten unverrichteter Dinge wieder nach Hause geschickt werden. Der Richter versprach diesmal einen Auslieferungsantrag zu stellen und: „Wir lassen uns hier nicht an der Nase herumführen.“ (meinbezirk.at)
Der Hitler-Fan aus Berlin hatte vor der Kamera des Filmteams von Günter Schwaiger seinen Kranz beim Hitlerhaus mit der Inschrift auf der Schleife „RIP USA“ deponiert. Das „Rest In Peace“ war schnell dechiffriert, aber was bedeutete „USA“ in diesem Kontext? „Unser seliger Adolf“, erklärte der Berliner Nazi auf Nachfrage dem Filmteam.
Straßwalchen-Salzburg: Hitlergruß mit Alkohol
Ein Klassiker wurde vor dem Landesgericht Salzburg am 1. Oktober verhandelt: In einem Bierzelt beim Straßwalchener Maifest hat der bislang unbescholtene Installateur (26), bestärkt durch etliche Alkoholgrade, den inneren Drang verspürt, mehrmals „Heil Hitler“ zu brüllen und dazu auch die rechte Hand zu heben. Selbst als er aufgefordert wurde, machte der Alkoholisierte mit Treiben weiter. Der NS-Wiederbetätigung vorausgegangen war ein heftiger Streit mit dem Personal, weil er sich zu langsam bedient gefühlt und das Personal daraufhin die weitere Belieferung mit Alkohol gänzlich eingestellt hatte. Das Resultat der Geschworenen: Schuldig im Sinne der Anklage und sechs Monate bedingt, die bereits rechtskräftig sind, berichten die „Salzburger Nachrichten“ (2.10.24).
Seefeld-Innsbruck: Freispruch für renitenten Reichsbürger mit Nazi-Tattoo
„Der 1993 geborene Angeklagte soll in Innsbruck und Seefeld im Mai 2024 seinen auf dem Unterarm tätowierten Schriftzug ‚Blut und Ehre‘ mehrfach zur Schau gestellt haben“, hieß es in der Vorankündigung des Landesgerichts Innsbruck zu dem Prozess wegen NS-Wiederbetätigung gegen Patrick J. am 7. Oktober. Der Angeklagte hatte bereits mehrmals Kontakt mit dem Strafrecht: Suchtgift, Körperverletzung und eine Sachbeschädigung 2011, die vermutlich mit einer Hakenkreuz-Schmiererei zusammenhing und in einer Diversion mündete.
Die eigentliche Überraschung war dann aber der Auftritt des Angeklagten, der sich als waschechter Staatsverweigerer entpuppte und die übliche scharfe Nummer gegenüber dem Gericht abzog: „Sprechen Sie mich mit meinem Vornamen an. Ich bin nicht die Person des hier heute Angeklagten, sondern ein Mensch und Souverän. Beantworten Sie mir erst drei Fragen, bevor der Prozess beginnen kann – sonst müssen Sie sich selbst an einem internationalen Gerichtshof verantworten“, zitiert ihn die „Tiroler Tageszeitung“ (8.10.24, S. 5)
Unsere Prozessbeobachtung berichtet, dass der Angeklagte immer wieder den Vortrag der Anklage durch die Staatsanwaltschaft unterbricht, dabei ziemlich laut wird, sodass ihm die Richterin die Entfernung aus dem Saal androht. Patrick J. verspricht leise zu werden – auch sein Verteidiger wirkt auf ihn ein, der es aber nicht leicht hat mit seinem Klienten. Er spricht von einer schwierigen Vorbereitung, führt dann aber inhaltlich ins Treffen, dass zwar der Spruch „Blut und Ehre“ eindeutig auf den Nationalsozialismus und die Hitlerjugend hinweise, das Tattoo aber eine Ergänzung durch „und Treue für das Vaterland“ habe und somit einer früheren Zeit, nämlich dem Kaiserreich zugeordnet werden müsse.
Es folgt ein etwas längerer und wirrer Vortrag des Angeklagten, der von der Adoption eines Kindes, über eine Ramadam-Feier mit Muslimen in seiner Wohnung bis hin zum Kaiserreich und der Ehre sehr umfassend ist. 2011 habe er sich das Tattoo stechen lassen, jetzt habe er es jedoch entfernen lassen. Als ihn der Staatsanwalt zu dem Hakenkreuz-Pulli befragt, der bei der Hausdurchsuchung gefunden wurde, vergisst J. kurzfristig sein Versprechen und beginnt laut zu schreien, dass er den Pulli nicht gekauft habe und der Verfassungsschutz, der das so ins Vernehmungsprotokoll geschrieben habe, Betrug begangen habe. In diesem Protokoll wurde auch festgehalten, dass er Klamotten mit „Blood & Honour“ und „C 18“ (Combat 18 = Kampftruppe Adolf Hitler) getragen habe. Stellenweise wirkt die Befragung unorganisiert.
Aufgeflogen war J. mit seinem Tattoo bei einer Polizeikontrolle. Sein Begleiter und er waren alkoholisiert unterwegs, wurden aufgehalten, worauf der Begleiter mit „Sieg Heil“ und dem Hitlergruß aufwartete, während der Angeklagte rief: „Habt Ihr nichts Besseres zu tun?“ Jetzt ist Patrick J. sauer, weil seinem Begleiter für den Hitlergruß angeblich kein Verfahren drohe, während er sich wegen seines Tattoos vor Gericht verantworten müsse.
Die Einvernahme der Zeug*innen bringt keinen Zuwachs an Erkenntnissen, im Schlussplädoyer erwähnt der Staatsanwalt dann jedoch, dass nach der Diversion von 2010 auch bei einem Strafverfahren 2017 NS-Wiederbetätigung eine Rolle gespielt habe.
Die Geschworenen wischten das alles beiseite und sprachen den Angeklagten in zwei Fragen, die ihnen gestellt wurden, mehrheitlich von Schuld frei, bei einer Frage urteilten sie unentschieden 4:4. Auch im Zweifel gilt aber: Freispruch. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Wien: Französische Literatur am Landesgericht & Verhetzung
Zu einem Diskurs über den französischen Schriftsteller Gustave Flaubert artete eine Verhandlung am 10. Oktober wegen des Vorwurfs der Verhetzung am Wiener Landesgericht aus. Der Anlass: Eugen G. hatte im Jänner auf seinem Facebook-Account ein angeblich von Flaubert stammendes Zitat gepostet: „Im Namen der Menschheit fordere ich, daß der schwarze Stein zermahlen, sein Staub in den Wind gestreut, daß Mekka verwüstet und das Grab von Mohammed entehrt wird. Das ist der Weg, um gegen den Fanatismus anzugehen. Gustave Flaubert”
Es folgte eine literarisch deutlich weniger hochstehende Anklage, in der dem 30-jährigen arbeitslosen Wiener vorgeworfen wurde, zu mit Strafe bedrohten Handlungen (Sachbeschädigung) aufzufordern und die Vergehen der Herabwürdigung religiöser Lehren sowie der Verhetzung begangen zu haben.
Die Verteidigerin startete mit einem Chrashkurs über Flaubert und fragte, warum ihr Klient für ein auf diversen Plattformen veröffentlichtes Zitat vor einem Strafgericht sitzen müsse und pochte auf das Recht der Meinungsfreiheit. Der Angeklagte selbst monierte, er wollte Kritik am religiösen Extremismus üben und keine weiteren Fragen beantworten zu wollen. Einige wenige Einlassungen folgten dann noch, etwa dass sein Facebook-Profil gesperrt sei, ansonsten war oft „kein Kommentar” zu hören. Es folgte dafür ein Schlagabtausch zwischen Richter und Verteidigerin, nochmals der Hinweis auf Personen, die dieses Zitat öffentlich verwendet hätten.
Letztlich endete die Verhandlung mit einem Freispruch, der allerdings nicht rechtskräftig ist, da die Staatsanwaltschaft keine Erklärung abgab.
Danke an prozess.report für die Prozessbeobachtung!