Von der FPÖ keine Antwort
„Stoppt die Rechten“ hat in der letzten Woche eine dreiteilige Serie zu Erik Ahrens und seinen multiplen Beziehungen zu Österreich veröffentlicht. Über Jahre hinweg war der Identitären-Chef Martin Sellner eine Art von Wegbegleiter- und ‑bereiter von Ahrens, Ahrens betreute eine TikTok-Kampagne für den Identitären-Ableger „Die Österreicher“ und wurde vom FPÖ-nahen „Freilich-Magazin“ und von „Info-Direkt“ promotet. 2023 trat er neben weiteren Szene-Größen aus dem identitär-neurechten Kreis im Tiroler Schwaz beim „Berg-Kongress“ auf. Dabei waren ebenfalls die beiden Tiroler FPÖ-Landtagsabgeordneten Gudrun Kofler und Daniel Marschik sowie der Innsbrucker Gemeinderat Fabian Walch. Vom „Standard“ dazu befragt, gab es keine Antwort:
Eine Anfrage zur Teilnahme ließen die Tiroler Mandatare unbeantwortet. Auf telefonische Nachfrage hieß es seitens Walchs, DER STANDARD solle mit keiner Antwort mehr rechnen. Ahrens sagte auf Nachfrage, er habe in der Vergangenheit bereits Kontakte zu Personen gehabt, die in der FPÖ seien oder für diese arbeiteten. (1)
Darüber wüsste man doch gerne mehr – etwa wer bei der Produktion jenes faschistischen Videos der Freiheitlichen Jugend mitgemischt hat, das im Vorjahr nach viel Aufsehen und Kritik von der FPÖ gelöscht wurde.
Auch, dass Kofler und ebenfalls der FPÖ-Delegationsführer im Europäischen Parlament Harald Vilimsky Ahrens auf Twitter folgen, sollten beide erklären müssen.
Rechtsextremes Netzwerk mit rassistischen Fanatikern
Nun berichten der „Guardian“, der „Spiegel“ und der „Standard“ über eine Recherche, die nicht nur zeigt, wie der ehemalige Kopf von AfD-Videokampagnen eine „Internationale der Rassisten“ (2) aufbauen will, sondern auch, wie er tickt. Das Netzwerk setzt sich aus verschwörungsartig agierenden rechtsextremen Fanatikern zusammen, die versuchen, pseudowissenschaftliche Rassentheorien so zu verbreiten, dass sie im Mainstream anschlussfähig werden. Im Mittelpunkt steht Erik Ahrens, der sich bereits als Deutschlands zukünftiger Führer sieht. Er fantasiert in von „HOPE not hate“ heimlich mitgefilmten Treffen von „eine[r] populistische[n] Bewegung rund um eine Person, das gab es seit 100 Jahren nicht. (…) Wahrscheinlich werde ich diese Rolle übernehmen müssen.” Dafür müsse er sein bisheriges Leben aufgeben: „[E]r wollte ‚all-in‘ gehen und habe sich nach sechs Jahren Beziehung von seiner Freundin getrennt. Er müsse jetzt viel reisen, ein Netzwerk aufbauen, da störe ein normales Leben zu Hause einfach.“ (1)
Ahrens-Firma unbemerkt neben Kriminalpolizei und Sicherheitsunternehmen
Er betont die Notwendigkeit eines internationalen Netzwerks zur Finanzierung, da er mit Widerstand der deutschen Regierung rechne. Tatsächlich hat Ahrens vorgesorgt: Im Juni 24 meldete er seine Firma „Gedankensturm FlexCo“ in Wien an, im Juli eine ähnliche Firma in Belgien. Pikant: Ahrens‘ Firma hatte als Sitz eine Wohnung in einer Liegenschaft angegeben, die im Besitz der „Vereinigung Kriminaldienst Österreich“ steht.
Dieter Csefan, Abteilungsleiter Organisierte Kriminalität im Bundeskriminalamt, ist Präsident der Vereinigung Kriminaldienst Österreich. Er sagt auf Anfrage zum STANDARD, dass weder Ahrens noch seine Firma in den Unterlagen des Vereins auftauchen würden. „Ob hier eine widerrechtliche Anmeldung erfolgt ist bzw. die Adresse fälschlicherweise als Firmensitz genannt wurde, ist Gegenstand unserer weiteren Erhebungen”, sagt Csefan. (1)
Das überrascht, denn auf einem der Briefkästen im Haus klebte deutlich sichtbar ein Schild der „Gedankensturm FlexCo“, wie „Stoppt die Rechten“ bei einer Vorortbesichtigung fotografisch festhalten konnte. Im selben Haus logiert ebenfalls der „Verband der Sicherheitsunternehmen Österreich“ (VSÖ), der in seinen Räumlichkeiten Sicherheitsschulungen für Firmen durchführt. Nach der Standard-Anfrage wechselte die Gedankensturm-Firmenanschrift blitzartig vom neunten in den ersten Bezirk.
Rassismus mit ideologischen und strukturellen Anleihen aus dem Nationalsozialismus
Die verdeckt durchgeführte Recherche von „HOPE not hate“, in der sich ein Mitarbeiter der antifaschistischen NGO als vermeintlicher Investor andiente und Treffen auf heimlich aufgenommenen Videos festhielt, deckt auf, dass Ahrens’ Pläne über die in den USA logierende Firma „Human diversitiy foundation“ (HDF) von einem US-Amerikaner mit einer siebenstelligen Summe unterstützt wurden. Der Spender, Andrew Conru, bestreitet jedoch, von Ahrens’ Aktivitäten gewusst zu haben.
Ahrens wollte eine streng hierarchisch gegliederte Organisation mit dem unverfänglich wirkenden Namen „Neo-Byzantium“ aufbauen, dazu eine körperlich gestählte Elitetruppe, die sich an der SS orientieren sollte.
In seiner Gruppe wolle er keine »normalen Leute«, sondern nur »die Besten«, sagt Ahrens und zieht einen Vergleich zur SS, der Hitler treu ergebenen Nazi-Mörderbande. »Die SS war die Elite«, schwärmt Ahrens, im Gegensatz zur SA, Hitlers »Sturmabteilung«, für die er offenbar wenig übrighat. (2)
Ahrens träumte von exklusiven Camps in den Alpen nach Vorbild jener, die der schwäbische Ableger der Identitären zur ideologischen und physischen Formung seiner Mitglieder jährlich abhält. Ahrens trat dort im Mai 24 als Referent auf und teilte „geheimes Wissen über die Genetik Europas”, wie das rechtsextreme Identitärenorgan „Heimatkurier“ die rassistischen Absonderungen beschrieb.
Eine zentrale Rolle in diesem Netzwerk soll laut „Guardian“ und „Spiegel“ der aus Dänemark stammende Rassist Emil Kirkegaard einnehmen, der inzwischen in Deutschland lebt – zumindest zeitweise in einem Anwesen, das der Gastgeberin des Potsdam-Treffens Mathilda Huss gehört. Kirkegaard hatte in einem Blogbeitrag 2012 die Legalisierung des sexuellen Missbrauchs von Kindern zur Diskussion gestellt, und zwar dann, wenn Kinder zuvor mit Schlafmitteln betäubt werden – eine entgrenzte Widerlichkeit, die Kirkegaard zynisch als „Kompromiss“ bezeichnet hatte.
Er soll den Aufnahmen zufolge eine Art »Untergrund-Forschungszweig« des Netzwerks leiten. Vor wenigen Jahren hat er offenbar seinen Namen offiziell in William Engman ändern lassen, dieser taucht auch auf einem HDF-Dokument auf.
Der Linguist Kirkegaard vergleicht in pseudowissenschaftlichen Papieren etwa die Größe der Hoden von Schwarzen und Weißen oder den Intelligenzquotienten unter Einwanderern. (2)
Er soll sich laut einem mitgeschnittenen Videocall auch darüber “geforscht” haben, „ob Dating-Apps die menschliche Fortpflanzung verändern, ob Menschen mit progressiven Ansichten psychisch krank sind oder ob Wikipedia-Redakteure zu links sind“ (3).
Kirkegaard, Ahrens und ihresgleichen belegen eindrücklich, wie stupide ihre Thesen sind, und zugleich, wie abscheulich tief das aus ihrem Kreis propagierte Menschen- und Gesellschaftsbild gehen kann.
Update 21.10.24: Nach den internationalen Berichten wurde die Firma „Gedankensturm FlexCo” in „Blitzwissen FlexCo” umbenannt. Ahrens ist als Gesellschafter und Geschäftsführer ausgestiegen, seine Anteile und Funktion wurden dem bisherigen Mitgesellschafter Stephan Tobias Kreuzwirt übertragen. Als Firmenadresse fungiert nun eine Briefkastenadresse am Stephansplatz 8/20, Wien. (Quelle: northdata.de)
Fußnoten
1 derstandard.at, 16.10.24
2 spiegel.de, 16.10.24
3 zit. und übersetzt nach theguardian.com, 16.10.24: “included studies into ‘international dysgenics’, whether dating apps alter human breeding, whether people with progressive opinions are mentally ill or whether Wikipedia editors are too leftwing”