Um es gleich klarzustellen: Haymon ist nicht nur der Name einer riesenhaften Tiroler Sagengestalt, sondern auch der eines Tiroler Buchverlags, der jedoch nichts mit dem gleichnamigen Verein in Schwaz zu tun, dessen Obmann Benjamin Kranzl ist; der wurde bereits vor einigen Jahren auffällig: zunächst durch die unappetitliche und rassistische Schweinskopfaffäre, in die er als Aktivist des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) verwickelt war, später dann durch seinen Ausschluss aus der FPÖ.
Kranzl, der „wilder“ Gemeinderat in Schwaz ist, war auch beim „Kulturfest“ der Identitären im „Castell Aurora“ Ende September 23 angekündigt – welche Form der „Kultur“ er dargeboten hat, ist nicht bekannt. Zu diesem Zeitpunkt war der Schwazer bereits fast ein Jahr Obmann des im November 2022 eingetragenen Vereins „Haymon“, der sich ähnlich wie die Identitären-Projekte „Castell Aurora“ in Steyregg (OÖ) und „Kulturfestung“ in der Steiermark als „Kulturverein“ definierte und ebenfalls ein Hausprojekt für Tirol anstrebte. Auf der Website wurden zahlreiche Seminare, meist im Online-Format feilgeboten.
Im Februar 24 informierte „Stoppt die Rechten“ die „Tiroler Tageszeitung“ (17.2.24) über die diversen Treffen, die der Verein Haymon in Schwaz in den Jahren 2022 und 2023 abgehalten hatte, nicht lange danach stellte Haymon seine öffentlichen Aktivitäten ein.
Der Haymon-„Berg-Kongress“ 2022
Im Mai 2022 rief Michael Scharfmüller (Info-Direkt) „gemeinsam mit einem Verein“ zu einem Vernetzungstreffen nach Tirol – „in der Nähe von Innsbruck“. Am 21. Mai 2022 fand dann das als „Berg-Kongress“ titulierte Stelldichein der rechtsextremen Szene aus Österreich mit Akteuren aus Deutschland statt. Anwesend waren Steve Henschke (Castell Aurora), Sebastian Zeilinger (Identitäre Bewegung Bayern), Georg Palm (Vorarlberg) von der rechtsextremen Freien Bürgerpartei und der Salzburger Dominic Maier, der seit Juni 2023 Mitglied des Salzburger Landtags und aktuell Spitzenkandidat der FPÖ im Regionalwahlkreis Salzburg Stadt für die NR-Wahl ist. Vom Corps-Mitglied Maier (Corps Frankonia-Brünn) stammt der bezeichnende und für die genannten Organisationen rufschädigende Satz: „Die Identitäre Bewegung ist eine Organisation wie der Alpenverein oder SOS-Kinderdorf.“
Mit an Bord war auch Alois Wechselberger, Ex-FPÖ, Ex- Liste Tirol und dann Statthalter des Team Stronach in Tirol. Wechselberger geriet 2013 in arge Erklärungsnöte, als öffentlich wurde, dass er mit großer Wahrscheinlichkeit hinter einer vom Verfassungsschutz beobachteten Hetzwebsite stehen würde. Beim Patrioten-Kongress in Schwaz trat er als Vertreter des „Andreas Hofer Bund“ auf.
Sebastian Zeilinger bewarb beim „Berg-Kongress“ die „Alternative Help Association“ (Motto „Wir verhindern Migration“), eine identitäre Vorfeldorganisation, die angeblich Hilfsprojekte für Geflüchtete innerhalb Syriens unterstützen wollte. Neben Zeilinger war der AfD-Mitarbeiter mit Neonazi-Vergangenheit Mario Müller einer der Gründer dieses identitären Pro-Assad Projekts, das mittlerweile online nicht mehr auffindbar ist.
Der Haymon-„Berg-Kongress“ 2023
2023 fand die wohl wichtigste Veranstaltung des Jahres, der nächste „Berg-Kongress“, am 29.4. wieder in Schwaz statt. Auch diesmal waren Vertreter*innen der FPÖ dabei: Neben dem aktuellen Kandidaten zum Nationalrat Fabian Walch haben sich die beiden Landtagsabgeordneten Gudrun Kofler und Daniel Marschik vernetzt. Kofler und Marschik saßen am Podium neben der Rechtsextremen Reinhild Boßdorf als Vertreterin des identitären Frauenprojekts „Lukreta“ und Nina Charlotte Hörig, die unter dem Pseudonym Charlotte Corday einen rechten YouTube-Kanal betreibt und als „Influencerin“ in der Szene gilt. Von der „Tiroler Tageszeitung” zu ihrer Teilnahme befragt, meinte Marschik, es sei ihm nicht bewusst gewesen,
[d]ass hinter dem Treffen auch die Identitäre Bewegung stecke. (…) Anders bei Gudrun Kofler. (…) „Ich habe als Landtagsabgeordnete eine Einladung erhalten und deshalb an der Diskussion teilgenommen. Mehr nicht“, erklärt die blaue Mandatarin. Im Gegensatz zu Marschik dürfte ihr der Hintergrund von „Haymon Tirol“ jedoch bekannt sein. „Es kann schon sein, dass ich dem Verein in den sozialen Netzwerken folge“, ergänzt Kofler. Das tut sie tatsächlich. (tt.com, 17.2.24)
Bei der Podiumsdiskussion sei es um die Frage gegangen, ob „traditionelles Leben in einer modernen Welt möglich“ ist und
um persönliche Werte, die man gerne an seine Kinder weitergeben möchte und auch um die Frage, wie damit umgegangen wird, wenn das eigene Kind, den Werten nicht folgt und beispielsweise das Geschlecht wechselt oder den Grünen beitritt. Mit einem Zwinkern gab es von Charlotte die Antwort, mehr als ein Kind zu produzieren, damit man im Notfall Ersatz habe, falls eines kaputt gehe.“ (Website Haymon)
Der „MetaPol“-Verlag präsentierte am Kongress sein Angebot, darunter die vom Identitären-Gründer und Russlandpropagandisten Alexander Markovics verlegte Zeitschrift „Agora Europa“. MetaPol, das regelmäßig Treffen veranstaltet, wird jüngst in der „taz“ (18.9.24) als „Zusammenschluss organisierter Neonazis, denen es nur um eines geht: die völkische Revolution“ bezeichnet und als „Thinktank“, der „rechtsextreme Eliten“ schulen wolle.
In einer Stellungnahme beschreiben sie ihr Wirken in entsprechend martialischen Worten: MetaPol sei ihrer Lesart nach, ein „Geschoss, das erbarmungslos voranpeitscht“, „vorwärts, bis die nächste Stellung genommen ist“. „Es ist keine Flucht, es ist eine Vorbereitung auf den Sturm.“ (recherche-nord.com)
In der Schilderung von „Haymon“ klingt das alles freilich harmloser:
Zu Beginn ging es zunächst allgemein um das Thema Metapolitik und den damit verbunden Zusammenhängen. Metapol möchte die Metapolitik mehr in den Vordergrund rücken und ist entstanden als ein Seminar, dass einmal jährlich in Deutschland stattfindet. An der nächsten Seminarveranstaltung von Metapol könnt ihr im Juni in Thüringen teilnehmen. (Website Haymon)
Auch der umtriebige Rechtsextremist und bekennende Rassist Erik Ahrens, Mitinitiator der „GegenUni“, gut bekannt mit Martin Sellner und bis November 2023 für den AfD-Rechtsaußen Maximilian Krah tätig, war als Vortragender beim zweiten „Berg-Kongress“ anwesend.
Das Haymon-Ende?
2024 war für den 10. Februar ein „Aktivismus-Seminar“ zur „Planung und Organisation von Aktionen“ angekündigt. Soweit erkennbar, war es der letzte Aktivismus vom Verein „Haymon“ – sieht man von Muttertagwünschen auf X ab.
Fakt ist, dass über „Haymon“ über zwei Jahre hinweg eine offene Vernetzung zwischen deklarierten Rechtsextremen und Rassist*innen aus mehreren Ländern (Deutschland, Italien, Österreich) und Mandatar*innen der FPÖ in Westösterreich stattgefunden hat.