Das Interesse an dem Fall war schon im Vorfeld groß. Schließlich ist der Angeklagte Johannes E. für die FPÖ im Gemeinderat von Hellmonsödt und dort sogar im Gemeindevorstand, also eine bekannte Person. Und dass einer mit der Mähmaschine gleich sechs Rehkitze niedermäht, wobei vier davon sofort tot und die restlichen zwei so schwer verstümmelt waren, dass sie getötet werden mussten, kommt hoffentlich nicht öfter vor.
Der Saal 61 im Linzer Landesgericht war daher am 11. Oktober auch rappelvoll bis zum Ende der Verhandlung, die, wie unser Prozessbeobachter schrieb, dann viele Zuschauer*innen sehr verärgert verließen. Dieser Einschätzung über das nicht rechtskräftige Urteil schloss sich auch unser Prozessbeobachter an, der darauf hinwies, dass nicht dem Angeklagten, sondern nur dem Hauptzeugen, einem Jäger, kritische Fragen gestellt wurden und der Freispruch nicht nachvollziehbar begründet wurde.
Rehkitze nicht absichtlich getötet – der bedingte Vorsatz
„Dass Sie vollkommen frei von Schuld sind, kann man nicht sagen“, wird die Einzelrichterin etwa auf vienna.at (11.10.24)zitiert. Aber ein Vorsatz könne ihm nicht nachgewiesen werden – auch der bedingte (dolus eventualis) nicht. Wirklich nicht? Wie wird ein bedingter Vorsatz definiert? Da hält der Schadensverursacher einen Schaden durch sein Wirken für möglich, nimmt ihn billigend in Kauf, auch wenn er ihn nicht unbedingt herbeiführen will.Der Angeklagte und sein Verteidiger argumentierten jedoch genau in diese Richtung:
Er habe wetterbedingt kurzfristig entschieden zu mähen, schilderte er. Dabei habe er zwei Muttergeißen gesehen. Diese seien davongelaufen. An der Stelle habe er dann zwei Kitze entdeckt und weggetragen. Dann habe er weitergemäht und drei Rehe „damaht”, räumte er ein. „Was soll ich machen?”, meinte er. „Es gibt halt Unfälle.” Aber die Tiere seien sicher tot gewesen. „Ein lebendes verletztes Tier habe ich keines gesehen.” Am nächsten Tag habe er die drei toten Rehe am Waldrand abgelegt. (vienna.at, 11.10.24)
Keine Verpflichtung zum Tierschutz?
Gemäht hat er übrigens von außen nach innen, obwohl das Gegenteil empfohlen wird. Aber, so sein Verteidiger im Schlussplädoyer, wenn die Landwirte da was tun müssten, dann wäre Landwirtschaft nicht möglich. Die Interessen eines Landwirts hätten Vorrang. Eine Verpflichtung, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen (vorzusorgen), dass Tiere nicht totgemäht werden, dürfe es nicht geben. Das würde bedeuten, dass für die Landwirtschaft das Tierschutzgesetz keine Gültigkeit hätte. Ist das so? Natürlich nicht.
Im Tierschutzgesetz heißt es im § 6 (1): „Es ist verboten, Tiere ohne vernünftigen Grund zu töten.“ Auch das Abtrennen von Gliedmaßen (§ 5 (1) Ziffer 15) ist natürlich verboten. Aber der FPÖ-Gemeinderat will ja nichts bemerkt haben, außer dass es „halt Unfälle“ gibt: „Was soll ich machen?“ Was er machen hätte können bzw. müssen, dafür gibt es ziemlich detaillierte Empfehlungen der Landwirtschaftskammer, die auch darlegt, dass Kadaverreste im Futter in der Folge bei der Verfütterung auch den eigenen Tierbestand gefährden können.
Selbst wenn das Angebot, die Wiese mit Drohnen abzusuchen, zu spät gekommen sein sollte, wusste der Angeklagte um das Risiko, weil er nach eigener Aussage ja zwei Muttergeißen gesehen und zwei Kitze, die er dann weggetragen haben will, entdeckt hat. Aber was sagte er zu dem Risiko: „Es gibt halt Unfälle“ und „Was soll ich machen?“. – Der bedingte Vorsatz meldet sich hier deutlich.
Vorwurf des Diebstahls und doppelter Freispruch
Der Freispruch des FPÖ-Gemeinderates ist noch nicht rechtskräftig. Was aber ist aus dem Vorwurf geworden, dass er am 14. August in Eidenberg eine fremde Kleewiese abgemäht und acht Siloballen aus dieser Mahd gepresst und abtransportiert haben soll? Da wurden ja von der Polizei Ermittlungen wegen des Verdachts auf Diebstahl geführt, und das Delikt sollte eigentlich am 11.10. mitverhandelt werden?
Die Krone OÖ, die die Tierquälerei aufgedeckt hat, fragte nach: „Das Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls wurde inzwischen aber aus rein formalen Gründen (Opportunitätsgründen) eingestellt. ‚Weil für den Prozess keine höhere Strafdrohung zu erwarten war’, erklärt Staatsanwalt Reinhard Huemer-Steiner.“ (krone.at, 11.10.24) Weil die Strafandrohung für den Diebstahl alos niedriger wäre als für die Tierquälerei, wurde das Delikt nicht weiterverfolgt. Gewissermaßen also ein doppelter Freispruch!
Aber die Kronen Zeitung will über den FPÖ-Gemeinderat noch etwas herausgefunden haben:
Bereits am 13. April soll der Politiker auch versucht haben, einen fremden Acker zu bearbeiten. Die Besitzerin konnte ihn gerade noch daran hindern. Zuvor soll er bereits zweimal Heuballen aus dem Stadl eines gepachteten Hofs entwendet haben, obwohl diese mit Eigentümervermerk gekennzeichnet waren. Auf die schriftliche Aufforderung der Eigentümer, die Heuballen zurückzubringen, soll er nicht reagiert haben.