Klagenfurt: Jungnazi will auf Militärakademie
St. Pölten: Freispruch für Reichsadler am Auto
Lienz-Innsbruck: Geschworene overruled
Wien: Mildernde Umstände wegen angeblich fehlender Ressourcen des Verfassungsschutzes
Wien: Höbart, die dritte und eine Ankündigung
Klagenfurt: Jungnazi will auf Militärakademie
Die „Kronen Zeitung“ (27.6.24) hatte eine deftige Schlagzeile für den 20-jährigen Lavanttaler Soldaten, der sich am 26. Juni im Landesgericht Klagenfurt wegen Wiederbetätigung verantworten musste: „Nachwuchs-Nazi will im Bundesheer Karriere machen.“ Dieses Vorhaben dürfte vorerst gestoppt sein. Der Angeklagte soll nicht zum ersten Mal wegen seiner braunen Neigungen aufgefallen sein: „[Z]weimal hat man ihn laufen lassen, vor allem, weil er noch Schüler war und es Hoffnung auf Besserung geben sollte. Doch mittlerweile ist er beim Bundesheer und trägt eine Waffe.“ (krone.at)
Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt, denn der Angeklagte hat offenbar weitergemacht: mit Nazi-Fotomontagen, Bilder mit Hitlergruß und anderem aus dem üblichen braunen Repertoire. Vor Gericht erklärte er, dass er das humoristisch verstanden wissen wollte und den Faschismus ablehne. Das bringt auch nicht unbedingt einen Pluspunkt, denn den (italienischen) Faschismus lehnen auch (Neo-)Nazis in der Regel ab. Der „Krone“, die als einziges Medium über den Prozess berichtet hat, ist noch aufgefallen, dass der Jungnazi zunächst im Schwurgerichtssaal zackig aufgetreten ist und dass der Beamte des Kärntner Verfassungsschutzes, der als Zeuge einvernommen wurde, etwas kryptisch von einer Warnung der deutschen Verfassungsschützer gesprochen hat:
Man ermittle gegen eine organisierte rechtsextreme Einheit und befürchte, dass die Arme tief nach Kärnten reichen; unter anderem zu dem Angeklagten. Es gäbe einschlägige Whatsapp-Gruppen, Kontakte zu vielfach vorbestraften rechten Terroristen; Termine und Treffen, zu denen noch ermittelt werden müsste. Auch von geplanten Aktionen sei die Rede – und damit höchste Wachsamkeit gefordert.
Kurz: Da ist noch was im Busch, was aber nicht Gegenstand der aktuellen Anklage war. Für die gab‘s in allen acht Anklagepunkten Schuldsprüche und acht Monate bedingt, dazu noch die Anordnung einer Bewährungshilfe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
St. Pölten: Freispruch für Reichsadler am Auto
Ein 52-jähriger Deutscher stand am 24.6. in St. Pölten vor Gericht, weil er am 9. August 2022 auf der A1 bei Amstetten einen Sticker mit einem Reichsadler und VW-Emblem auf seinem PKW angebracht hatte, was gegen das österreichische Verbotsgesetz verstößt. Die Staatsanwaltschaft in Deutschland hatte das Verfahren eingestellt, da der Sticker dort nicht strafbar ist.
Die Staatsanwältin argumentierte, dass der Beschuldigte das Symbol der Nazi-Sympathisanten öffentlich zeigte und sich mit den Gesetzen vertraut machen müsse, auch wenn er nur selten durch Österreich fährt. Verteidiger Josef Gallauner betonte, dass sein Mandant nicht wusste, dass der Sticker in Österreich verboten ist, und keinen Vorsatz zur Verbreitung nationalsozialistischer Propaganda hatte. Die Geschworenen erklärten den Deutschen einstimmig für nicht schuldig. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. (Quelle: meinbezirk.at, 26.6.24)
Lienz-Innsbruck: Geschworene overruled
Ein 54-jähriger Osttiroler wurde am 26.6.24 von den Geschworenen des Landesgerichts Innsbruck vom Vorwurf der nationalsozialistischen Wiederbetätigung einstimmig freigesprochen. Laut Zeugen soll der bereits dreifach vorbestrafte Mann am 4. März dieses Jahres in Lienz einen ungarischen Vater und dessen Sohn beschimpft und mit Hitlergruß skandiert haben, dass „Hitler zurückkehren solle, damit nicht so viele Ausländer in unser Land kommen, und jene Ausländer, die hier im Land sind, von Hitler in die Gaskammer gesteckt und umgebracht werden sollen”(Verhandlungskalender LG Innsbruck). Der Angeklagte bestritt die Vorwürfe und behauptete, im Rausch unbedacht gehandelt zu haben.
Aus dem Mund der Zeugen klang das freilich deutlich anders: Der Angeklagte habe alle Anwesenden angestänkert, besonders aber einen Ungarn und dessen Sohn. Er habe sie als Asylanten beschimpft, den Vater auch als „dicken, zahnlosen Mann“. Schließlich habe er auch gesagt, dass Hitler wieder hergehöre und die Ausländer in die Gaskammer geschickt werden sollten. Auch den Hitlergruß habe er gezeigt. (kleinezeitung.at, 26.6.24)
Ein ähnlicher Vorfall im Jahr 2022 hatte nicht zu einer Verurteilung wegen Wiederbetätigung geführt, weil das Gericht damals eine Tat im Vollrausch angenommen hatte. Diesmal wollte der Richtersenat den Freispruch der Geschworenen nicht akzeptieren und setzte das Urteil aus. Damit geht die Entscheidung an den Obersten Gerichtshof.
Wien: Mildernde Umstände wegen angeblich fehlender Ressourcen des Verfassungsschutzes
Marcel M. (30) ist aufgeflogen, als die Ermittlungsbehörden die Handys von Peter S. auswerteten. Das war 2022. Peter S., der wohl nicht beleidigt ist, wenn man ihn als Nazi-Hooligan tituliert, musste sich im November 2022 wegen Wiederbetätigung verantworten. Mit einiger Verspätung war nun am 26.6. Marcel M. an der Reihe.
Der hatte nämlich über einen Zeitraum von fünf Jahren über WhatsApp Bildchen mit Peter S. ausgetauscht. Viele einschlägige und teilweise ziemlich widerliche, wie etwa jenes, das mit „Jüdisches Familienfoto“ betitelt war und eine Rauchwolke zeigt. In der polizeilichen Einvernahme erklärte er zu Fotos wie diesem noch, dass so etwas für ihn „schwarzer Humor“ sei. Vor Gericht revidiert er seine Aussage: „War einfach dumm von mir, hab nicht nachgedacht über Konsequenzen.“ NS-Gedankengut habe er damit nicht verbreiten oder gar verherrlichen wollen. Er distanziere sich davon. Peter S. hab er solche Fotos weitergeschickt, um ihm „a Freud“ zu machen.
Der Richter hält ihm noch weitere Fotos vor, die auf Gas und die Verbrennungsöfen der Nazis anspielen. Ob er in der Schule dazu nichts erfahre habe, will er wissen. Nach einer Nachdenkpause antwortet der Angeklagte: „Wenn ich ihnen jetzt sag, dass ich mich für das Thema jetzt speziell nicht interessiert hab, ist das jetzt falsch?“ Der Richter bohrt nach: „Warum verschicken sie es, wenn sie es nicht verstehen?“ Die Antwort des Angeklagten: „Er [Peter S.; Abmk. SdR] hat halt gesagt, ich soll ihm sowas schicken. (Weil ich dumm war.“
Als ihn ein Geschworener nach seinen Tattoos fragt, wähnt sich M. schon auf der sicheren Seite: eine Friedenstaube auf dem rechten Arm zur Erinnerung an den Opa, den er nie kennengelernt habe und die heilige Maria, damit sie meinen weiteren Lebensweg mit ihm gehe. Die heilige Maria dürfte der Wunsch vom M., der im Dezember Vater werden soll, ebenso wenig beeindruckt haben wie die Geschworenen, die über 15 Hauptfragen die Schuld des Angeklagten beurteilen mussten.
Das Ergebnis fiel eindeutig aus, die Strafe aber mit sechs Monaten bedingt mild. Eigentlich, so das Gericht, wären acht Monate angemessen gewesen, aber wegen der langen Verfahrensdauer, die in fehlenden Ressourcen des LVT Wien begründet waren, gab es mildernde Umstände. Der Angeklagte, der bereits zwei, allerdings nicht einschlägige Vorstrafen in das Verfahren einbrachte, war sichtlich erleichtert und einverstanden mit dem Urteil, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Daher ist das Urteil nicht rechtskräftig.
Wir danken prozess.report für die Prozessbeobachtung!
Wien: Höbart, die dritte und eine Ankündigung
Dem Guntramsdorfer Gemeinderat, zugleich Generalsekretär des weitgehend inexistenten Team HC Strache (THC) und früheren FPÖ-Nationalratsabgeordneten Christian Höbart, der gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt Berufung und Nichtigkeit angemeldet hatte, wurde in der Berufungsverhandlung am 26.6. von einem Senat des Oberlandesgerichtes Wien bei Nichtigkeit und Schuld nicht Recht gegeben. Nur bei der Strafhöhe, die vom Landesgericht Wiener Neustadt mit zwölf Monaten bedingt bemessen wurde, gab es Erleichterung, die sich in ihrer Begründung allerdings etwas kurios ausnahm: der „ordentliche Lebenswandel“ des Angeklagten, der sich bisher nichts habe zuschulden kommen lassen, sei maßgeblich zu berücksichtigen, befand das OLG und verkürzte die bedingte Haftstrafe auf sechs Monate.
Gegenüber dem „Kurier“ (27.6.24) versprach Höbart seinen Ausstieg aus der Politik: „Die aktuelle Gemeinderatsperiode werde ich zu Ende führen und mich dann aus dem Polit-Kasperltheater, wo es nur mehr um Anpatzungen, gegenseitiges Zerfleischen und Anfeindungen geht, zurückziehen.” Auch das scheint kurios, da Höbart während seiner Zeit als FPÖ-Nationalrat es vorwiegend durch seine Hetzäußerungen (Stichwort: „Erd- und Höhlenmenschen“ für Asylwerber*innen) in die öffentliche Debatte geschafft hatte.