Innsbruck: Holocaustleugnerin auf Van der Bellens Facebook-Seite
Gerasdorf-Korneuburg/NÖ: Mauthausen-Besuch vor Prozess
Stockerau-Korneuburg: 16 Vorstrafen und keine Erinnerung
Klagenfurt: Richter gegen „Richter“
Strasshof-Korneuburg/NÖ: Verhetzung nach „Marsch für die Familie“
NÖ: Hitler im Railjet
Innsbruck: Holocaustleugnerin auf Van der Bellens Facebook-Seite
Die „Tiroler Tageszeitung“ (TT, 17.5.23, S. 5), die als einzige über den Verbotsprozess gegen die 35-jährige Frau berichtete, macht es sich zu einfach: „Unbedachte Absender“ würden immer wieder für ihre Posts in sozialen Medien vor Gericht landen – so wie diese „Mutter“. Mit der „unbedachten“ „Mutter“ macht der Berichterstatter ziemlich klar, wem seine Sympathie gilt.
Die „Unbedachte“ hat auf der Facebook-Seite des Bundespräsidenten im November des Vorjahres anlässlich dessen Stellungnahme zu den Novemberpogromen 1938 an einer Debatte teilgenommen, in der sich einige Corona-Maßnahmengegner*innen wie so häufig als Opfer („gelber Stern“) inszenieren wollten. Mittendrin die Angeklagte, die Impfen mit dem Holocaust gleichsetzte und dafür heftig kritisiert wurde. Ihre Antwort: „Oh mein Gott! Holocaust ist und war eine Lüge. Aber ja in der Schule nie aufgepasst!” (TT)
Ein aufmerksamer Mitleser erstattete daraufhin Anzeige. Ein klarer Fall eigentlich: Verdacht auf Wiederbetätigung nach § 3h. Die Anklägerin sah das so: „Der Bedeutungsinhalt ist einfach nicht interpretierbar. Seit dem Posting vermisse ich bei der Angeklagten auch jegliche Reue!” Der Verteidiger der Frau, der Tiroler FPÖ-Obmann Markus Abwerzger, wollte da mit dem Verweis auf die bisherige Unbescholtenheit der Angeklagten dagegenhalten, scheiterte damit aber bei den Geschworenen: Schuldspruch. Ein Jahr bedingte Haft und 4.320 Euro Geldstrafe sind noch nicht rechtskräftig.
Gerasdorf-Korneuburg/NÖ: Mauthausen-Besuch vor Prozess
Unsere Zusammenfassung von dem Prozess, der bereits am 5. Mai stattgefunden hat, stützt sich nur auf den Bericht der NÖN vom 19.5.23, in dem leider eine nähere Beschreibung der Vorwürfe aus der Anklage gegen den jungen Gerasdorfer (22) fehlt, der wegen NS-Wiederbetätigung angeklagt war. Er hat zwischen dem 29.Juli 2021 und dem 29.Mai 2022 insgesamt vier Fotos und eine Nachricht versandt, die zur Anklage führten.
Der Angeklagte zeigte sich vor dem Geschworenengericht schuldeingeständig, nannte „Dummheit“ als Motiv und erklärte, in der Neuen Mittelschule „sei im Unterricht nicht viel Wert auf diese Zeit der Geschichte gelegt worden und somit habe er zum Tatzeitpunkt ‚ganz wenig gewusst‘ von den Grausamkeiten der Nazis“. Was aber alle im Gerichtssaal überrascht und wohl auch beeindruckt hat, war seine Erklärung, dass er auf Anraten seiner Mutter noch vor der Verhandlung die Gedenkstätte Mauthausen besuchte:m„Was man dort spürt, ist nur Kälte.“
Die Geschworenen erkannten zwar auf Schuld des Angeklagten, weil er aber zum Tatzeitpunkt noch als junger Erwachsener galt, wurde er zur Mindeststrafe von sechs Monaten bedingt verurteilt. Dem Bericht in der NÖN fehlt leider der Hinweis, ob die Strafe schon rechtskräftig ist.
Stockerau-Korneuburg: 16 Vorstrafen und keine Erinnerung
Ein 67-jähriger Pensionist aus Stockerau hat vielfache Erfahrungen vor Gericht, obwohl ihn diesbezüglich grobe Gedächtnislücken plagen. An die 16 Vorstrafen konnte oder wollte er sich nämlich in dem Prozess am 15.5. im Landesgericht Korneuburg nicht mehr erinnern. Nach diversen Delikten in der Vergangenheit – „Die letzte Straftat stammte aus dem Jahr 2018. Damals verwirklichte er das Vergehen der Verhetzung, in dem er in einem Posting pauschal Flüchtlinge als Vergewaltiger bezeichnete.” (noen.at, 22.5.23) – hatte er diesmal sein gerichtliches Rendezvous wegen des Verstoßes nach dem Verbotsgesetz.
In purer Unwissenheit habe er, meinte der Angeklagte, ein Posting geteilt, in dem er den Holocaust geleugnet hatte. Über den Holocaust wisse er nichts, und das Posting habe ihn nicht interessiert. Es wird noch besser: Das Posting, das ihn nicht interessiert habe, wollte er ohnehin mehrfach löschen, er habe es aber nicht gefunden. Dumm gelaufen! Drei Jahre Haft – unbedingt, war die Antwort des Gerichts. „Pflichtschuldig kündigte Verfahrenshelfer Dominik Mayer für seinen Mandanten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil an.“ (noen.at)
Klagenfurt: Richter gegen „Richter“
Ein Strafprozess, bei dem ein „Richter“ angeklagt ist, steht natürlich unter keinem guten Vorzeichen. Dieses zeigte sich schon deutlich, weil die Verhandlung nicht um 9.30 Uhr beginnen konnte. Der Angeklagte, eben der „Richter“, fehlte noch. Der Anruf des Angeklagten beim Landesgericht Klagenfurt brachte nur vorläufige Klärung: Er sei noch arbeiten. Welche Arbeit? Gar als „Richter“?
Doch zunächst: Warum und weshalb steht denn ein „Richter“ vor einem Richter?
Einem deutschen Staatsangehörigen wird zur Last gelegt, das Verbrechen der staatsfeindlichen Verbindung verantworten zu müssen, indem er für eine Verbindung Mitglieder angeworben haben soll, die auf gesetzwidrige Weise, nämlich durch die Einführung eines Systems der Selbstjustiz in Form eines sogenannten „Gerichtshofes auf Grundlage des Common Law mit biblischer Grundlage“ geworben und einschlägige Seminare (in finanzieller Hinsicht) unterstützt haben soll. Darüber hinaus wird ihm zur Last gelegt, im Auftrag des Anführers dieser Verbindung Propagandatätigkeiten durchgeführt zu haben. (Verhandlungskalender LG Klagenfurt)
So steht’s in der Ankündigung der Verhandlung. Und bei dieser Gelegenheit darf man auch einmal das Landesgericht Klagenfurt loben für die doch ziemlich ausführliche Beschreibung dessen, was da verhandelt bzw. dem Angeklagten vorgeworfen wird. Diese Ankündigung hat schließlich einem unserer Prozessbeobachter so richtig Gusto auf die Verhandlung gemacht.
Obwohl er wie das Gericht selbst zunächst einmal warten musste. Nicht auf Godot, sondern auf den „Menschen Fabian“, der gewisse Ähnlichkeiten mit der Person Fabian S. K. besitzt. Kurz nach 11 Uhr traf der lebende Mensch Fabian unter enger Begleitung der Polizei Feldkirchen dann schließlich am Landesgericht ein, was zur Folge hatte, dass der Fabian zunächst einmal vom Gericht den Beweis einforderte, dass er, der Mensch Fabian, auch die Person Fabian S. K. sei.
Weil der Richter diese Beweisführung verweigerte, erklärte ihm der Mensch Fabian, dass es ein Irrtum sei, ihn für einen Angeklagten zu halten. Und außerdem fehle dem Gericht jede Legitimation. Brutale juristische Attacke des „Richters“ auf den Richter: „Sind Sie ein amtlich gesetzter Richter von Fabian? Sie müssen antworten – wahrheitsgerecht!“ Der Richter hatte zwar keine Flügerl, aber eine Engelsgeduld mit dem „Richter“ und versuchte, den mit dem schmeichelhaften Spruch zu besänftigen: „Wir sind ja sozusagen Kollegen.“
Einschub. Warum bezeichnen wir Mensch und Person Fabian eigentlich als „Richter“ – mit Gänsefüßchen? Weil Fabian vom Chef des „Global Common Law Court“ (GCLC), Carl Peter Hofmann, zu einem solchen ernannt wurde und diese Funktion bis zum jähen Erlöschen des GCLC im Jahr 2018 auch auszuüben versuchte. Damit da keine Missverständnisse aufkommen: Der GCLC war, wie die Wiki-Seite Sonnenstaatland ausführlich belegt, ein sektenartiges Phantasiegericht mit einer rassistischen Ideologie, die in seiner Menschenverachtung kaum mehr zu überbieten ist:
Hofmann predigte auch zu Zeiten des GCLC bereits, was er aktuell der Anhängerschaft des GCCL predigt, nämlich, dass die Welt von einer angeblichen „satanischen Elite” beherrscht werde, die sich der Pädosexualität und satanistischen Ritualmorden an Kindern hingebe. Insbesondere Richter, Staatsanwälte und PolitikerInnen würden dieser Elite angehören. Um bei seiner Anhängerschaft den Hass auf diese Menschen zu schüren, bediente sich Hofmann damals wie heute gerne der Begriffe „subhuman” und „Untermensch“.
„Subhumane“ waren eigentlich alle, die nicht „lebende“, sondern „fiktive“ Menschen waren („Der fiktive Mann und/oder das fiktive Weib besitzt subhuman-destruktives Verhalten.“) Gegen die „Subhumanen“ wurden „Gerichte“, „Richter“ und „Sheriffs“ eingesetzt, die auch Delikte wie „Widerstand gegen den Heiligen Geist“ ahnden sollten. Erinnert an das iranische Strafrecht mit dem Delikt „Krieg gegen Gott“ und hätte, was die Adressierung „Subhumane“ wohl nahelegt, auch zu ähnlichen Resultaten führen sollen, hat aber nicht geklappt. Fabian S. K, ein glühender Anhänger des Herrn Hofmann, der zeitweise auch bei ihm in Dover (GB) gewohnt hat, war ein solcher „Richter“.
Der GCLC hatte in Österreich eine relativ starke Bastion; es wurden bereits „Personenmenschen“, die beim GCLC oder seiner Nachfolgeorganisation GCCL (auch wieder von Hofmann angeführt) aktiv waren, vor Gericht gestellt und verurteilt.
Im Unterschied zu dem Angeklagten Fabian S. K, einem bescheidenen Licht, das anscheinend nur beim GCLC den Titel „Richter“ führen durfte, wurde der rechtsextreme Sektenchef Hofmann nach längerem Untertauchen verhaftet, nach Österreich ausgeliefert und nach kurzer U‑Haft im November des Vorjahres freigelassen. Ohne jede mediale Aufmerksamkeit „konnte (er) aus Österreich ausreisen, ohne sich vor Gericht verantwortet zu haben“ (wiki.sonnenstaatland.com).
Ein Beamter des Kärntner Landesamtes für Verfassungsschutz sprach vor Gericht von 180 Personen, die an Veranstaltungen des GCLC teilgenommen hätten. Er bestätigt auch, dass „Richter“ Fabian Haftbefehle unterzeichnet habe, die aber mangels verfügbarer Sheriffs nicht vollzogen werden konnten. Dann wurden zwei weitere Zeugen aufgerufen, beide noch schwer von der rassistischen Ideologie des GCLC gezeichnet.
Helmut F., ein Pensionist aus St. Pölten, hat in einem Salzburger Prozess bereits eine Verurteilung kassiert. Seine Zeugenaussage war ein wirres Konstrukt aus Verschwörungsgebrabbel und Fake-News. So behauptet er steif und fest, dass der GCLC bzw. GCCL nicht staatsfeindlich, sondern als UNO-Beraterorganisation anerkannt seien. Andererseits macht er Fabian für die Zerstörung des GCLC verantwortlich.
Der nächste Zeuge, der Kärntner Martin S., war im GCLC, will aber dort eher nur „ermittlungstechnisch“ beigetreten sein und dem Verfassungsschutz Infos zugebracht haben. Beide Zeugen und natürlich der LVT-Mann konnten bestätigen, dass Fabian beim GCLC war und dort auch Haftbefehle ausgefertigt hat. Das war auch eine der Fragen an die Geschworenen, die die Schuld des Angeklagten Fabian S. K bejahten. Die Strafe: 24 Monate, davon acht unbedingt, ist noch nicht rechtskräftig.
Wir danken prozess.report für Beobachtung und Bericht!
Strasshof-Korneuburg/NÖ: Verhetzung nach „Marsch für die Familie“
Ein unfreiwilliges Stelldichein vor Gericht hatte bereits am 9. Mai die von Vorarlberg nach Niederösterreich abgewanderte rechtsextreme „Patriotin“ S.H.. Viel wissen wir über den Prozessverlauf nicht, wir haben nur die Antwort des Landesgerichts auf eine schriftliche Anfrage nach dem Ausgang der Verhandlung:
Die Angeklagte wurde wegen § 283 Abs 1 Z 2 StGB für schuldig erkannt und zu einer unbedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen à € 4,– (im Fall der Nichteinbringlichmachung: 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) sowie zum Ersatz der Prozesskosten verurteilt. Das Urteil ist nicht in Rechtskraft erwachsen; nach Urteilsverkündung hat die Angeklagte volle Berufung angemeldet, die StA hat keine Rechtsmittelerklärung abgegeben.
Im Vorfeld hatte der selbsternannte „wissenschaftliche Direktor“ des rechtsextremen Wiener Akademikerbunds Christian Zeitz zur Unterstützung der Angeklagten aufgerufen, weil er „Polit- und Gesinnungsjustiz“ hinter dem Verfahren witterte. H. war wegen verhetzender Postings, die sie laut Zeitz nach dem fundamentalistischem „Marsch für die Familie“ veröffentlicht hatte und die „den Betreibern und Anbetern der Schwulen- und Lesbenkultur auf die Nerven gegangen“ (Zeitz) seien, angeklagt worden. Ihr Erlebnis vor Gericht hat Frau H. unseres Wissens nach noch nicht literarisch verarbeitet. Aber wer weiß, was da noch kommen wird!
Update 7.12.23: S.H. wurde in der zweiten Instanz freigesprochen.
Nach bisherigen Erkenntnissen hat es drei Vorfälle in ÖBB-Zügen gegeben, bei denen die Bord-Lautsprecheranlage gekapert und für halblustige bis sehr verstörende Durchsagen missbraucht wurde. Bei der letzten derartigen Attacke in einem Railjet der ÖBB am Sonntag, 14.5.23 wurde auf der Strecke zwischen St-Pölten und Wien unter anderem sogar eine Hitler-Rede abgespielt: Das ist NS-Wiederbetätigung.
Der Umstand, dass in dieser Zuggarnitur zufällig eine Journalistin des „Standard“, ein Abgeordneter der Grünen und der Oberrabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde mitfuhren, hat mit Sicherheit die Ermittlungen beschleunigt und die Öffentlichkeit alarmiert. Leider musste sich auch eine 91-jährige KZ-Überlebende, die ebenfalls Passagierin war, den Nazidreck anhören.
Die ÖBB haben nach diesem letzten Vorfall zunächst irritierend reagiert („technische Störungen“), sich dann aber rasch gefasst und neben der Anzeige über Twitter eine computergenerierte Durchsage von Chris Lohner verbreitet: „Willkommen bei den ÖBB. Bei uns ist Platz für Frauen, Männer, Kinder, Junge, Alte. Also Platz für alle Menschen, aller Geschlechter, aller Religionen und aller Kulturen. Aber bei uns gibt es keinen Platz für Antisemitismus, Fremdenhass, Hetze und Ausgrenzung.”
Innerhalb kurzer Zeit wurden zwei Verdächtige (ein Erwachsener und ein Jugendlicher) ausgeforscht und vom Landesamt für Verfassungsschutz NÖ einvernommen. „Die österreichischen Staatsbürger werden von der Staatsanwaltschaft Wien nach dem Verbotsgesetz angezeigt. Zu ihrem Motiv wurden keine Angaben gemacht.“ (derstandard.at, 17.5.23)