Wiener Akademikerbund (Teil 1): Vortragserlebnis der Sonderklasse?

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Deal! Wenn sich 50 bis 70 Per­so­nen wäh­rend des Lock­down zu einem Vor­trag beim rech­ten Wie­ner Aka­de­mi­ker­bund tref­fen – auf engem Raum, ohne Mas­ken, ohne Abstands­ge­bot –, dann gibt es höchs­tens eine Anzei­ge. Eine! Viel­leicht! Wobei das Attri­but „rechts“ beim Wie­ner Aka­de­mi­ker­bund schon ziem­lich ver­harm­lo­send wäre. Was wir sonst noch über die­sen Ver­ein her­aus­ge­fun­den haben, berich­ten wir hier in Etappen.

Was?

Wenn sich 50 bis70 Per­so­nen wäh­rend des Lock­down im Frei­en ver­sam­meln wür­den, ohne Mas­ken, ohne Abstands­ge­bot, ohne Anmel­dung, dann wür­den wohl die Per­so­na­li­en die­ser Per­so­nen auf­ge­nom­men wer­den, damit 50 bis70 Anzei­gen erstat­tet wer­den können.

Wenn sich in einem sehr klei­nen Saal eines sehr rech­ten Ver­eins 50 bis70 Per­so­nen wäh­rend des Lock­down ohne Abstand, ohne Mas­ken zu einem Vor­trag tref­fen, dann ver­hal­ten sich die „drei im Haus inter­ve­nie­ren­den Poli­zis­ten durch­aus koope­ra­tiv und kon­struk­tiv“, wie der Ver­tre­ter des Aka­de­mi­ker­bun­des auf Face­book fest­hielt. Vor­läu­fi­ges Ergeb­nis: „Kei­ne ein­zi­ge Anzei­ge“, wie eine Teil­neh­me­rin berich­te­te oder doch viel­leicht eine, wie der „Stan­dard“ schreibt?

Moment! Der Wie­ner Aka­de­mi­ker­bund behaup­te­te ja in ers­ten Stel­lung­nah­men, dass er sich ver­sam­melt habe, um „dring­li­che Din­ge zu berat­schla­gen“ (kurier.at, 20.11.20). Eine ordent­lich ange­mel­de­te Ver­samm­lung also? Nicht ganz, denn das Mee­ting war nicht ange­mel­det und offen­sicht­lich auch kei­ne Mit­glie­der­ver­samm­lung, wie das Chris­ti­an Zeitz, Spre­cher des Wie­ner Aka­de­mi­ker­bun­des dem „Stan­dard“ vor­zu­gau­keln versuchte.

Auf der Face­book-Sei­te des Wie­ner Aka­de­mi­ker­bun­des wur­de am 12. Novem­ber 2020 jeden­falls öffent­lich zu einer Ver­an­stal­tung, „zu einem Vor­trags-Erleb­nis der Son­der­klas­se“ mit DDr. Jaros­lav Bel­sky über „Kri­ti­sche Ein­sich­ten, Coro­na-Geheim­nis­se und ver­steck­te Agen­das“ ein­ge­la­den. Kein Hin­weis auf eine Mit­glie­der­ver­samm­lung, dafür der fol­gen­de: „Die Ver­an­stal­tung fin­det unter Coro­na-gerech­ten Bedin­gun­gen statt. Begrenz­te Teil­neh­mer­zahl!

Vortragsankündigung für den 19. Nov. – Belsky beim WAB: "unter Corona-gerechten Bedingungen"

Vor­trags­an­kün­di­gung für den 19. Nov. – Bel­sky beim WAB: „unter Coro­na-gerech­ten Bedingungen”

DDr. Jaros­lav Bel­sky, der da „ver­steck­te Agen­das“ ent­hül­len soll­te, ver­tritt auf sei­nem Blog die sehr selt­sa­me, aber bei Impf­geg­nern durch­aus ver­brei­te­te Ansicht, die „Spa­ni­sche Grip­pe“ 1918–20 sei auf ein Impf­de­sas­ter zurück­zu­füh­ren. Nur so neben­bei: Als im Früh­jahr 1918 die „Spa­ni­sche Grip­pe“ aus­brach, war der Ers­te Welt­krieg noch voll im Gang und welt­wei­te Mas­sen­imp­fun­gen sind nicht mög­lich gewe­sen; ganz abge­se­hen davon, dass der Erre­ger der dama­li­gen Pan­de­mie noch gar nicht ent­deckt war.

Wo?

Über den Ver­an­stal­tungs­ort gab es eini­ge Miss­ver­ständ­nis­se in den Medi­en, die sogar ver­ständ­lich sind. So war von einer Bur­schen­schaf­ter-Par­ty die Rede. Rich­tig ist: Die Ver­samm­lung fand in den Räum­lich­kei­ten des Wie­ner Aka­de­mi­ker­bun­des in der Schlös­sel­gas­se 11 statt. Dort war auch die katho­li­sche Lands­mann­schaft Jose­phi­na domi­zi­liert. Auf älte­ren Fotos ist der Saal zu sehen, in dem auch die Ver­an­stal­tung vor weni­gen Tagen statt­ge­fun­den haben dürf­te; mit einem Ver­bin­dungs­wap­pen und ‑zir­kel im Hin­ter­grund. Es dürf­te das Sym­bol der habs­burg­treu­en Jose­phi­na sein.

Die wirk­li­chen Bur­schen­schaf­ten resi­die­ren aber auf der ande­ren Stra­ßen­sei­te, in der Schlös­sel­gas­se 12. Dort ist die „deut­sche Bur­schen­schaft“ Gothia zuhau­se, zusam­men mit „unzen­su­riert“. Und auf „unzen­su­riert“ reg­te man sich mäch­tig über die „Falsch­be­rich­te“ bzw. die Ver­wechs­lung von Schlös­sel­gas­se 11 und 12 auf:

Dabei han­delt es sich – obwohl Kro­nen Zei­tung und Öster­reich das noch heu­te nach bereits ges­tern erfolg­ter Klar­stel­lung wei­ter tat­sa­chen­wid­rig behaup­ten – nicht um eine Bur­schen­schaft, son­dern um eine ehe­ma­li­ge Vor­feld­or­ga­ni­sa­ti­on der ÖVP, die sich selbst heu­te als „recht­kon­ser­va­ti­ven Thinktank“ bezeich­net. (unzensuriert.at, 21.11.20)

"unzensuriert" zur Verwechslung WAB und Burschenschaften: "Falschmeldung durch ÖVP-nahe Netzwerke im Innenministerium"

„unzen­su­riert” zur Ver­wechs­lung WAB und Bur­schen­schaf­ten: „Falsch­mel­dung durch ÖVP-nahe Netz­wer­ke im Innenministerium”

Das Demen­ti von „unzen­su­riert“ ist schon des­halb ein biss­chen schräg, weil der dahin­ter­ste­hen­de Ver­ein frü­her eben­falls in der Schlös­sel­gas­se 11 gemel­det war. Wie immer bei sol­chen Gele­gen­hei­ten hat aber „unzen­su­riert“ einen „Insi­der“ zur Hand, der zu mun­keln weiß, dass „die Falsch­mel­dung durch ÖVP-nahe Netz­wer­ke im Innen­mi­nis­te­ri­um bewusst lan­ciert wor­den sein könn­te“. Das wäre natür­lich sehr, sehr böse! Aber stimmt es auch?

Adresse "unzensuriert" 2012: Schlösselgasse 11

Adres­se „unzen­su­riert” 2012: Schlös­sel­gas­se 11

Adresse "unzensuriert" aktuell: Schlösselgasse 12

Adres­se „unzen­su­riert” aktu­ell: Schlös­sel­gas­se 12

Wer?

Ist der Wie­ner Aka­de­mi­ker­bund eine Orga­ni­sa­ti­on im Dunst­kreis der ÖVP, wie „unzen­su­riert“ das andeu­tet? Auch die Salz­bur­ger FPÖ Lan­des­par­tei­vor­sit­zen­de Mar­le­ne Sva­zek „fühlt sich genervt“ auf Face­book, weil die „Kro­nen­zei­tung“ den Wie­ner Aka­de­mi­ker­bund (WAB) in der Nähe von Her­bert Kickl und der FPÖ sieht, wäh­rend sie den WAB in der Nähe der ÖVP ver­or­ten will.

Svazek "fühlt sich genervt"

Sva­zek „fühlt sich genervt”

Fakt ist, dass der WAB bis 2010 Teil der ÖVP-Vor­feld­or­ga­ni­sa­ti­on Öster­rei­chi­scher Aka­de­mi­ker­bund (ÖAB) war. Nach­dem der dama­li­ge Obmann des WAB, Josef Mül­ler, das NS-Ver­bots­ge­setz in Fra­ge gestellt hat­te, reagier­te die Wie­ner ÖVP mit einem Par­tei­aus­schluss von Mül­ler und Zeitz. Der Dach­ver­band ÖAB wie­der­um ent­hob die bei­den ihrer Funk­tio­nen im WAB, was nicht sta­tu­ten­kon­form war. Ein Jahr spä­ter einig­ten sich ÖAB und WAB dar­auf, dass die Amts­ent­he­bun­gen sta­tu­ten­wid­rig waren, der WAB aber frei­wil­lig aus dem ÖAB aus­schei­de. Das war das Fina­le einer schon vor­her mehr als zer­rüt­te­ten Bezie­hung zwi­schen ÖVP und ÖAB einer­seits und dem WAB, aber vor allem Zeitz auf der ande­ren Seite.

Die Vor­ge­schich­te, die zu die­ser Tren­nung geführt hat­te, ist näm­lich auch nicht unin­ter­es­sant und sagt eini­ges dar­über aus, wie schwer sich die Wie­ner ÖVP mit der Abgren­zung nach rechts am Bei­spiel von Chris­ti­an Zeitz tat. 1980 hat­te Zeitz eine Unter­stüt­zungs­er­klä­rung für die Prä­si­dent­schafts­kan­di­da­tur von Öster­reichs obers­tem Neo­na­zi, Nor­bert Bur­ger, geleis­tet. „Das war eine spät­pu­ber­tä­re Blöd­heit von mir, die ich heu­te nicht mehr machen wür­de“ (Standard,20.10.1990), erklär­te er zehn Jah­re spä­ter, als die­se Unter­stüt­zung auf­ge­flo­gen war. Da hat­te er gera­de eini­ge Mona­te als Lan­des­par­tei­se­kre­tär der Wie­ner ÖVP hin­ter sich und, so der dama­li­ge Wie­ner ÖVP-Obmann Wolf­gang Petrik, ein „unbe­schreib­li­ches Cha­os“ hin­ter­las­sen. Wegen sei­ner Bur­ger-Unter­schrift muss­te er näm­lich zurücktreten.

Drei Jah­re spä­ter war Zeitz eines der Grün­dungs­mit­glie­der der „Gesell­schaft­li­che Ver­ei­ni­gung Patrio­ti­scher Club – Bes­se­res Öster­reich”, die sich mit die­sem rechts­extre­men Auf­schrei an die Öffent­lich­keit wandte:

SOS-Mit­bür­ger, ver­bün­det Euch und sam­melt Eure Kräf­te im Kampf gegen Volks- und Hei­mat­feind­lich­keit und die Preis­ga­be Öster­reichs an inter­na­tio­na­le Mäch­te! SOS-Kul­tur­be­wuß­te, ver­bün­det Euch und sam­melt Eure Kräf­te gegen Kul­tur­ab­bau und Zer­stö­rung unse­rer kul­tu­rel­len Iden­ti­tät unter dem Vor­wand von „Frei­heit der Kunst“ und „Mul­ti­kul­tur“ (zit. nach: Die Pres­se, 13.10.1993)

Die wei­te­ren Grün­dungs­mit­glie­der las­sen jeden Zwei­fel an der poli­ti­schen Ori­en­tie­rung die­ser Ver­ei­ni­gung ver­schwin­den: Andre­as Möl­zer (FPÖ), John Gude­nus (FPÖ, spä­ter nach dem Ver­bots­ge­setz ver­ur­teilt) und der ziem­lich rech­te Publi­zist Kurt Die­man, der dann aller­dings ein paar Jah­re spä­ter mit Möl­zer & Co, aber auch mit der FPÖ abrech­ne­te. (vgl. doew.at, 10.2002)

Zeitz, der aus einem ähn­li­chen rechts­ka­tho­li­schen Umfeld wie Die­man kam, rech­ne­te nicht ab, son­dern näher­te sich samt dem WAB wei­ter der FPÖ an. In den letz­ten Jah­ren wird aus der Annä­he­rung schon so etwas wie eine Ver­schmel­zung mit der FPÖ: In rund 50 Posts auf der Face­book-Sei­te des WAB wer­den etwa „unser Innen­mi­nis­ter“ bzw. „unser Klub­ob­mann“ Her­bert Kickl beju­belt, des­sen Bei­trä­ge geteilt oder kommentiert.

WAB: Kickl als "unser Innenminister"

WAB: Kickl als „unser Innenminister”

WAB: Kickl als "unser Klubobmann"

WAB: Kickl als „unser Klubobmann”

So viel Zunei­gung muss erwi­dert wer­den, und daher war Kickl im März die­sen Jah­res beim WAB zu Gast und lie­fer­te „zusam­men mit Mag. Chris­ti­an Zeitz einen her­vor­ra­gen­den und luzi­den Vor­trag zur poli­ti­schen Situa­ti­on“ ab, der vom Ex-Pegi­da-Spre­cher Georg Nagel (ali­as Geor­ge Le Nage­laux) per Video auf­ge­zeich­net wurde.

Kickl im März 2020 zu Gast im WAB; Videoaufzeichnung vom "Kollegen Georg Immanuel Nagel"

Kickl im März 2020 zu Gast im WAB; Video­auf­zeich­nung vom „Kol­le­gen Georg Imma­nu­el Nagel”

Kickl ist dem WAB sehr nahe – so, wie Petra Ste­ger, die Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te der FPÖ, die ähn­lich häu­fig mit vom WAB geteil­ten Posts oder Vide­os ver­tre­ten ist. Der ÖVP-Obmann Kurz hin­ge­gen ist beim WAB sehr unbe­liebt: Vom Kurz-Putsch ist da die Rede, vom „eis­kal­ten ÖVP-Macht­rausch“ und – da wird es dann unap­pe­tit­lich anti­se­mi­tisch – von Geor­ge Sor­os, der angeb­lich auch Sebas­ti­an Kurz die Befeh­le gibt.

➡️ Wie­ner Aka­de­mi­ker­bund (Teil 2): Coro­na­leug­ner, homo­phob, anti­se­mi­tisch und islamfeindlich
➡️ Wie­ner Aka­de­mi­ker­bund (Teil 3): Holo­caust­leug­ner, Rechts­extre­me und der Ver­fas­sungs­schutz­chef als Vortragende
➡️ Wie­ner Aka­de­mi­ker­bund (Teil 4): Der wis­sen­schaft­li­che Direk­tor des Hirngespinstes

Faktenchecks:

➡️ Imp­fung gegen Spa­ni­sche Grip­pe töte­te 50 Mio. Men­schen? Falsch!
➡️ Spa­ni­sche Grip­pe wur­de nicht durch Imp­fun­gen verursacht

der WAB als Kickl-Huldigungsverein

der WAB als Kickl-Huldigungsverein

"Kerbert Kickl war der beste Innenminister der Zweiten Republik", befindet auf der WAB

„Her­bert Kickl war der bes­te Innen­mi­nis­ter der Zwei­ten Repu­blik”, befin­det auch der WAB