Im aktuellsten Vereinsregisterauszug werden für den Wiener Akademikerbund Personen angeführt, deren Funktionsperiode eigentlich schon längst abgelaufen ist. Aber das ist nicht unser Problem. Karl Bohatsch, der sich aber lieber „Charles“ nennt, wird da als Obmann genannt. Bohatsch, der früher einmal Redakteur bei ORF, profil und dann Mitarbeiter im Büro von Landeshauptmann Erwin Pröll war, darf manchmal bei Veranstaltungen des WAB begrüßen, eröffnen und auch die Diskussion moderieren. Seinen ideologischen Kosmos, der geprägt ist vom Verdacht der Umwertung aller Werte, hat das DÖW mit einem Zitat aus dem „Eckart“ ziemlich gut umrissen.
Seine erste Stellvertreterin ist Elisabeth Sabaditsch-Wolff. Sie hätten wir eher bei der FPÖ bzw. beim Freiheitlichen Bildungsinstitut (FBI) vermutet, wo sie als Referentin auftrat und wegen ihrer Aussagen dort zum Islam in einem Strafverfahren verurteilt wurde (wegen Herabwürdigung religiöser Lehren). Von „Stoppt die Rechten“ hat sie wegen ihrer Beziehung zum Blog „save free speech“, den der rechtsextreme Terrorist und Massenmörder Breivik lobend erwähnt hat, eine Gegendarstellung verlangt, auf die wir heute noch stolz sind. Im Dezember 2017 durfte sie beim WAB referieren zum Thema „Der Kampf um die Wahrheit und die Lügen der OSZE“. Da sprach sie als Vertreterin des Vereins „Bürgerbewegung Pax Europa“, der von seinem Gründer, dem mittlerweile verstorbenen sehr rechten Publizisten Udo Ulfkotte, wegen dessen zunehmend extremistischen Kurses verlassen wurde. Sie passt also ganz gut zum WAB.
So auch der rangmäßig als zweiter Stellvertreter nachgereihte Markus Franz, der sich aber lieber Marcus schreibt und auf eine kurze und wechselhafte politisch-parlamentarische Karriere verweisen kann, die ihn vom Team Stronach zur ÖVP führte und nach seinem Ausscheiden dort kurz zum wilden Abgeordneten machte. Im Juli 2020 sprach er beim WAB über Corona. Ob er dem doch etwas älteren Publikum auch seine begeisterten Auslassungen über die Triage vorgetragen hat? Der homophobe Primararzt im Ruhestand passt jedenfalls auch sonst bestens zum WAB.
Die restlichen im Vereinsregister erwähnten Vorstandsmitglieder ersparen wir uns. Der wichtigste Mann ist nicht dabei: Christian Zeitz. Er hat gemeinsam mit dem mittlerweile verstorbenen Obmann Josef Müller die Auseinandersetzungen mit der früheren Mutterpartei ÖVP geprägt – und seither den WAB. Fast alle (eigenständigen) Kommentare auf der FB-Seite des WAB werden von ihm gezeichnet, fast alle öffentlichen Auftritte und Reden für den WAB werden von ihm bestritten. Fast immer bezeichnet er sich dabei als „wissenschaftlicher Direktor des Instituts für angewandte politische Ökonomie“. 2015 war er in dieser Funktion von der FPÖ sogar als „Experte“ für die Beratungen zum Islamgesetz in den Justizausschuss des Nationalrats geladen.
Das klingt beeindruckend – darum haben wir uns kundig gemacht. Das „Institut für angewandte politische Ökonomie“ gibt es tatsächlich – wenn auch zunächst einmal nur virtuell. Die Webseite wirkt etwas altbacken. Das Institut hat offensichtlich wenig Geld. Gut, das trifft auch für uns zu. Allerdings produzieren wir in einem Monat mehr eigenrecherchierte Arbeiten als das Institut des wissenschaftlichen Direktors seit seinem Bestehen. Nur um die 30 Beiträge, darunter derbe Polemiken wie die über die angebliche Homosexualisierung unserer Gesellschaft, sind auf der Webseite zu finden. Wobei: Nicht alles ist ein Beitrag! Hans Werner Sinn liefert nur den Titel „Ist die Bankenkrise vorbei?“ und darunter viel leeren Platz zum Nachdenken. Gab’s da vielleicht ein Problem mit dem Copyright?

Aber seit wann besteht das Institut für angewandte politische Ökonomie des wissenschaftlichen Direktors Zeitz eigentlich? 2009 wurde die Gründung des namensgebenden Vereins von der Bezirkshauptmannschaft Mödling bewilligt, heißt es auf der Webseite des Vereins. Da findet man auch die ausgefeilten Vereinsstatuten, die alles regeln und auch den Vereinszweck ganz klar bestimmen:
Dem Institut muss es um eine Remobilisierung analytischer und wissenschaftlicher Vitalität im Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gehen. Unter VÖLLIGER UNABHÄNGIGKEIT und Ausrichtung an den Notwendigkeiten der Bewahrung der internationalen Wirtschaftsgesellschaft vor dem drohenden Totalzusammenbruch orientiert. Die bisher vielfach der Beschwichtigung, Verschleierung und kurzfristiger Beruhigung dienenden tendenziösen Auftragsarbeiten und Gefälligkeitsgutachten sollen und müssen durch solide, international vernetzte Forschungs- und Sensibilisierungsaktivitäten entzaubert werden. Es geht um wissenschaftliche Redlichkeit, vollständige Unabhängigkeit und perspektivischen Mut.
Das Institut des Vereins entwickelt anhand gründlicher Strukturanalyse tragfähige Konzepte sowie geeignete Maßnahmen der breiten Bewusstseinsbildung zur Miteinbeziehung von potentiellen Verbündeten in den Bereichen von Politik und Wirtschaft. Das „INSTITUT FÜR ANGEWANDTE POLITISCHE ÖKONOMIE“ soll die geplante Verwurzelung in der notwendigen Reintegration von ökonomisch-wissenschaftlicher Methode und politisch-realistischem Denken sowie die geplante Applikationsfähigkeit der zu erarbeitenden Konzepte und ihre Operationalisierung garantieren.
Vorstand und Vereinsmitglieder sind der Überzeugung, dass die Methodologie und die reichhaltigen sowie lebensnahen Forschungsarbeiten der ÖSTERREICHISCHEN SCHULE DER NATIONALÖKONOMIE eine (sic!) wertvolles, ja unverzichtbares paradigmatisches Fundament des hier betriebenen Unterfangens bietet. Das Beste in der momentanen Not finden, nicht alles neu erfinden.
Aufbauend auf den Einsichten der „Austrian School” ist die gegenwärtige Krise überwiegend eine solche des Geldes und seiner falschen Bewirtschaftung. Eine erste — und schlicht DIE vordringliche — Aufgabe des neu zu gründenden Vereinsinstitutes wird die tiefenschichtige Bloßlegung der Konstruktionsmängel des gegenwärtigen Geld- und Finanzsystems und der Ursachen der gegenwärtigen Krise sowie ihrer drohenden Ausweitung sein.
Unmittelbar verbunden damit ist die Bestimmung der Grundprinzipien eines dauerhaft funktionsfähigen monetären Sektors und die Entwicklung einer Geldart und ihrer Schöpfungsmodalität, die dem Wunsch nach einer prosperierenden und gerechten Weltwirtschaftsordnung dient.
Alles klar? Mit Verlaub, Herr wissenschaftlicher Direktor Zeitz, aber da wird doch ziemlich viel und noch dazu in grottenschlechtem Deutsch geschwafelt? Wo findet sich da auch nur ein Hauch von Wissenschaft?
Institut als Hirngespinst
Wir sind beunruhigt und folgen den Vereinsstatuten, rufen zunächst den Namen des Vereins, dann die ZVR-Nummer im Online-Register des Innenministeriums ab: Kein Treffer, Verein nicht bekannt.

Dann die Recherche bei der Bezirkshauptmannschaft Mödling: Die dauert, bringt aber ein eindeutiges Ergebnis: Den Verein „Institut für angewandte politische Ökonomie“ gibt es schon lange nicht mehr. Mit 14.9.2012 hat der Verein seine freiwillige Selbstauflösung beschlossen. Was da noch im Internet als Webseite herumgondelt, ist eigentlich eine Schimäre, ein Hirngespinst – so, wie der Titel eines wissenschaftlichen Direktors für angewandte politische Ökonomie. Wobei: Der Titel hat schon was! Die FPÖ konnte man damit immerhin beeindrucken. Offensichtlich auch den früheren Präsidenten des Rechnungshofs, Franz Fiedler, der dem WAB und damit Zeitz als Ehrenpräsident dient.

Wir haben natürlich noch weiter recherchiert: Vielleicht wurde das „Institut für angewandte politische Ökonomie“ ja in einer anderen Rechtsform weitergeführt? Niente. Nada. Es gibt kein Institut für angewandte politische Ökonomie, das „tragfähige Konzepte sowie geeignete Maßnahmen der breiten Bewusstseinsbildung zur Miteinbeziehung von potentiellen Verbündeten in den Bereichen von Politik und Wirtschaft“… blabla… entwickeln würde.

Es gibt nur einen wissenschaftlichen Direktor, der sich vor seiner steilen wissenschaftlichen Karriere in der Schimäre tatsächlich in der angewandten Ökonomie versucht hat. Aber das wäre wieder eine andere Geschichte. Uns reicht das, was wir über den WAB und Christian Zeitz wissen, schon mehr als genug!


➡️ Wiener Akademikerbund (Teil 1): Vortragserlebnis der Sonderklasse?
➡️ Wiener Akademikerbund (Teil 2): Coronaleugner, homophob, antisemitisch und islamfeindlich
➡️ Wiener Akademikerbund (Teil 3): Holocaustleugner, Rechtsextreme und der Verfassungsschutzchef als Vortragende