Die Albia im rechtsextremen Milieu
Das DÖW (2023) charakterisiert die Burschenschaft Albia so: „Elitärer bzw. großbürgerlicher und mitgliedsstarker Bund, der insbesondere für die Wiener FPÖ als Kaderschmiede bedeutend und aufgrund seiner Mitgliedschaft in der BG dem rechtsextremen Milieu zuzurechnen ist.“
Die Wiener Alben haben sich 1870 gegründet. Immer dann, wenn es darum geht, dass sich Korporationen wegen des Vorwurfs von Antisemitismus verteidigen wollen, wird die Albia bemüht, da dort einst just der Jude Theodor Herzl Mitglied war. Nachdem Herzl von den antisemitischen Exzessen beim Trauerkommers für Richard Wagner in den Wiener Sofiensälen gehört hatte, verließ er 1883 unter Protest seine Burschenschaft. Die verweigerte ihm deswegen einen „ehrenhaften“ Austritt. Viele Jahre später muss Herzl dennoch immer wieder als Feigenblatt herhalten.
Als etwa nach Marine Le Pens Teilnahme beim WKR-Ball am 27. Jänner 2012 der Vorsitzende der französischen Organisation SOS Racisme gemeint hatte, Le Pen habe „Dirty Dancing“ bei einem „antisemitischen Ball“ (vgl. humanite.fr, 29.1.12) betrieben, klagte Le Pen wegen Verleumdung. Ihr Anwalt versuchte Herzls Mitgliedschaft als Beleg dafür zu nehmen, dass der Ball gar keine antisemitische Veranstaltung sein könne.
Zehn Jahre nach Herzls Abgang, 1893, war die Albia tatsächlich „judenrein“. Als die wehrhaften Verbindungen des Verbandes Deutscher Studenten in Österreich 1896 den Beschluss fassten, Juden die Ehre und damit auch die Satisfaktionsfähigkeit abzusprechen („Waidhofener Prinzip“), waren die Alben zunächst nicht dabei; das holten sie jedoch 1935 nach. 1938 löste sich die Albia selbst auf und erstand 1952 wieder.
1972 trat die Albia dem Dachverband „Deutsche Burschenschaft“ (DB) bei, zudem war sie bereits Mitglied in dessen rechtsextremen Flügel, der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ (BG). 2010/2011 feilte die DB an einem neuen Strategieprogramm. Gleich vier der acht Arbeitsgruppen wurden von österreichischen Rechtsaußen-Burschenschaftern geleitet. Die Albia war in Person ihres derzeitigen Obmanns Stefan Lakonig vertreten. 2011 eskalierte in der DB ein Streit um eine Art „Arierparagraph“, was gleich eine Reihe von gemäßigten Verbindungen dazu veranlasste, aus der DB auszutreten – mit der Folge, dass die rechtsextremen Kräften innerhalb der DB an Stärke gewannen. Die Alben sind wie auch die anderen österreichischen Verbindungen der DB treu geblieben.
„Du sollst den Tod nicht scheuen fürs deutsche Vaterland!“
Der Webauftritt der „Albia“ ist imposant. Ein Foto zeigt: viel Holz, Intarsien – dunkelbraun, vermutlich Eiche gebeizt – passt. Der Prunksalon im Palais des Grafen Apponyi. Zum Herzeigen. Was der heimliche Hausherr, Udo Guggenbichler, ja offenbar auch gerne gemacht hat. Über ihre Geschichte zeigen die Alben schon weniger her. Wir ahnen, warum.
Viel bietet die Homepage der Alben nicht. Im Mai fand oder findet ein Burschenabend über den Nazi-Apologeten Carl Schmitt mit dem Thema „Souveränität, Freund und Feind“ statt. Passt ebenfalls zu den Alben. „Seit 1870 für Ehre, Freiheit, Vaterland“ ist der Abschnitt „Unsere Geschichte“ übertitelt. Gemeint ist die Geschichte der Alben, aber über die ist bei den Alben nichts zu erfahren, auch nicht über das Vaterland, das sie meinen.
Das Kartelllied der Albia gibt darüber schon mehr Aufschluss:
Herr Bruder traut zur Rechten, so reiche mir die Hand
und deute mir die Farben an Deinem Burschenband.
So höre denn, ans Sterben mahnt Dich der schwarze Rand.
Du sollst den Tod nicht scheuen fürs deutsche Vaterland!
Es kündet Rot die Freiheit, des Mannes höchstes Gut,
nimm sie, wenn Stürme dräuen, in deine starke Hut.
Das blanke Gold bedeutet die Ehre und die Treu‘,
daß nie in unserm Bunde Verrat noch Falschheit sei!
Drum wenn in künftgen Tagen ich ferne Dir sein sollt,
stets halte hoch in Ehren die Farben SCHWARZ-ROT-GOLD!

Übers Webarchiv die Oberfläche weggekratzt
Ein Albe wie Guggenbichler könnte das wohl noch mit dem Hinweis auf die sentimentalen Traditionen der Burschenschafter wegreden. Kratzt man etwas an der gefälligen Präsentation der Albia und geht ein paar Jahre zurück, dann wird das Geschichtsbild und Selbstverständnis dieser Burschenschaft schnell sehr deutlich. Über das Webarchiv lässt sich zumindest bruchstückhaft rekonstruieren, was die Alben noch vor ein paar Jahren über sich, ihre Geschichte und ihre „bedeutenden Alben“ verbreitet wissen wollten. Um die Jahrtausendwende richteten die Alben ihre „Weltnetzseite“ und darin auch ein „Gästebuch“ ein, das bald wieder gelöscht wurde. Vielleicht, weil sich in ihm Botschaften wie diese fanden: „Aus der Reichshauptstadt ein donnerndes Heil in die Ostmark!“ und „Schöne Grüße aus der südlichen Ostmark!”

Unter dem Kapitel „Berühmte Burschenschafter” feierte die Albia den SS-Obersturmbannführer Otto Skorzeny ab und übernahm dabei auch gleich die Nazi-Propaganda, dass Skorzeny Mussolini befreit habe. Freilich verzichtete die Albia auch auf Skorzenys Kriegsverbrechen hinzuweisen und dass er sich einer Anhörung bei den Nürnberger Prozessen durch Flucht entzogen hatte.

Zehn Jahre später (2010) war die Liste der „bedeutenden Alben“ noch immer sichtbar. Die wurde mittlerweile wie auch das Gästebuch entfernt. Aus Scham über die dargebotene Geschichtsklitterung? Eher nicht. Bei den „bedeutenden Alben“ handelte es sich nämlich fast ausschließlich um rabiate Antisemiten und/oder Nazis. In den Präsentationen auf der Website der Albia fehlte jeder, auch der kleinste Hinweis auf diesen Teil ihres politischen Wirkens: Weißgewaschen nennt man das. Prominente Ex-Alben wie Hermann Bahr oder Theodor Herzl finden sich nicht unter den bedeutenden Alben. Die werden nur dann ausgegraben, wenn sie als Verteidigungsstrategie hilfreich erscheinen.

„Hat nie bei Juden gekauft“
Dafür ist unter den Bedeutenden Fritz von Emperger zu finden. Der hatte zwar in seiner Profession tatsächlich einiges geleistet, war aber auch ein schwerer Antisemit und Nazi. Über ihn findet sich ein langer Eintrag im „Straßennamenbericht“ der Stadt Wien aus dem Jahr 2013,
Emperger war deutscher Staatsbürger, bis zu dessen Auflösung 1938 Mitglied des „Großdeutschen Volksbunds“ und beteiligt am „Illegalen Winterdienst“. (…) Am 12. April 1940 stellte er einen „Aufnahmeantrag“ in die NSDAP (…) und verwies auf diverse Mitgliedschaften: NSV, NS-Bund der Techniker, NS-Rechtswahrerbund, Mandatar der „Großdeutschen Volkspartei“. (…) Er gab an, „sich bereits vor dem Umbruch für die NSDAP ausgesprochen“ zu haben, „spendefreudig“ zu sein, „hat nie bei Juden gekauft“. (…) Emperger wird hier als Parteianwärter seit Juli 1938 geführt. (…) Per Mai 1938 wurde er als „Anwärter“ der NSDAP geführt. (…) Im Zuge des Aufnahmeverfahrens erhielt er von der Gauleitung 1939 eine Referenz:
„Er ist Sudentendeutscher, war immer national eingestellt, seit 1932 Mitglied der N.S.D.A.P. In der Verbotszeit blieb er der N.S. Bewegung treu, gab reichlich Unterstützungen für Pg. und kaufte Marken für das Winterhilfswerk. Seine Wohnung war bereits vor dem Verbot stets mit national-sozialistischen Abzeichen geschmückt. Er gilt als aktiver Kämpfer der nationalsozialistischen Bewegung.“ (Karl Öhlschleger, Gauleitung Wien, 13.05.1939; Ebd.) 1941 trat seine Tochter Helga Hirth-Emperger in einem Schreiben an Baldur vonSchirach mit der Bitte, dass ihr Vater ein Mitgliedsbuch bekommen solle, für dessen Aufnahme ein. Emperger hatte kurz zuvor zum 80. Geburtstag des Führers die „Goethe-Medaille“ verliehen bekommen. Diese wurde ihm von Schirach im Gauhaus überreicht. In einem weiteren Schreiben, in dem Hirth-Emperger bittet, ihrem Vater „solange er noch lebt das Parteibuch zukommen“ zu lassen, schreibt sie außerdem: „Er war von Jugend auf mit seinem Freund und Studienkollegen K.H. Wolf ein Kämpfer für das Aufgehen Österreichs im Deutschen Reich. Als Burschenschafter erhielten beide oft in Prag von den Czechen Prügel und traten mit der Los von Bock Bewegung aus der r.k. Kirche aus. […] u.a. vereinigte er i. J. 1907 als Kandidat der deutsch-radikalen Partei für den Kandidat den öst. Reichstag 1000 Stimmen auf sich gewählt. […] Gleich nach dem Tod meines Mannes [Anm. 08.03.1938] sind Papa und ich dann bei der Wiener Ortsgruppe Stubenviertel (wir haben damals I Dominikanerbastei 4 gewohnt) der Partei beigetreten. Wir haben […] immer die gelbe Parteianwärterkarte. Ich weiß, dass es der größte Wunsch meines Vaters zu seinem 80. Geburtstag wäre, wirklich mit dazu zu gehören, was eigentlich bei seiner sozialen und nationalen Denkart sein ganzes Lebensein Ideal war.“ (Helga Hirth v. Emperger, 30.12.1941; ÖStA, AdR, BMI, GA 48.935) Empergers Antrag wurde zuvor 1940 im Zuge der Aufnahmesperre von NSDAP Mitgliedern zurückgestellt, 1941 setzten sich neben der Tochter auch der Ortsgruppenleiter und der Kreisleiter für ihn ein. Emperger starb während des in Gang gesetzten Aufnahmeprozesses 1942 80-jährig.
Der Historiker Hans Übersberger wird ebenfalls als „bedeutender Albe“ gelistet. Weil er ein Nazi war? Über seine Beziehung zum NS-Regime ist nichts zu finden auf der alten Albia-Weltnetzseite. Wikipedia gibt Auskunft, dass Übersberger schon in den 1920er-Jahren Mitglied der berüchtigten „Bärenhöhle“ war, einer Gruppe von Professoren, deren oberstes Ziel es war, jüdische und linke Wissenschafter*innen an der Universität Wien zu verhindern.
Seine positive Haltung zum Nationalsozialismus – er war am 1. Oktober 1932 der NSDAP beigetreten (Mitgliedsnummer 1.343.337) – kostete ihn seine Professur in Wien, ermöglichte ihm aber 1934 die Erlangung des Lehrstuhls für osteuropäische Geschichte in Breslau. Von 1935 bis 1945 hatte er an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin, als Nachfolger des zwangspensionierten Otto Hoetzsch, die Professur inne. Als „überzeugter Nationalsozialist“ übernahm Uebersberger „bereitwillig einflußreiche Funktionen im Apparat des Regimes“. (Wikipedia)
Der Jurist Rudolf Neumayer war Mitglied des Nazi-Kabinetts von Seyss-Inquart, wurde deshalb 1946 zu lebenslanger Haft verurteilt, „krankheitsbedingt“ aber schon 1948 freigelassen. Bei ihm findet man eine Andeutung seiner Gesinnung durch den jammernden Hinweis auf der alten alten Alben-Weltnetzseite:
Der Nürnberger Internationale Gerichtshof NIT hat alle österreichischen „Kriegsverbrecher“ wegen ihrer in Österreich begangenen Tätigkeit – Dr. Seyß-Inquart und alle übrigen – freigesprochen. In Österreich hingegen wurde Exminister Dr. Neumayer zu lebenslänglichen [sic!] Kerker verurteilt, später aber begnadigt.
Der böhmische Politiker Raphael Pacher hat die Nazizeit nicht mehr erlebt, konnte also kein vollwertiger Nazi werden, war aber immerhin der Gründer des „Deutschen Klubs“ in Prag und des „Deutschnationalen Vereins“ in Brno/Brünn und neben Georg von Schönerer, Karl Hermann Wolf und Otto Steinwender einer der prominentesten Vertreter der antisemitischen und deutschnationalen Richtung.
Schließlich gibt es noch einen Alben, der zwar nicht in der Alben-Promi-Liste aufscheint, aber noch 1960 Ehrenmitglied der Albia wurde: Gustav Jonak. 1930 der Sudetendeutschen Nationalsozialistischen Partei beigetreten, war er später bei der Gestapo, dann Leiter eines Referates des NS-Reichssicherheitshauptamtes und SS-Oberstumbannführer. Für welche seiner Funktionen Jonak die Ehrenmitgliedschaft erhielt, ist wegen des Schweigens der Alben über ihn und ihre Geschichte mit ihm unklar.
Fragt sich nun, wer auf den „Fotos von uniformierten Nazis mit NS-Symbolen im Kaminzimmer“ (derstandard.at, 24.5.23) die laut Aussage der Belastungszeuginnen bei der Albia gehangen haben sollen, abgebildet war. Vielleicht jene Bundesbrüder, über die die Albia nun das große Schweigen gebreitet hat?