Deutsche Medien beschäftigen sich in letzter Zeit zunehmend mit den rechtsextremen Medienangeboten aus Österreich, die immer mehr auf den deutschen Markt drängen. Ausschlaggebend für die Sehnsucht nach Deutschland sind zumeist mehrere Gründe. Einerseits können dadurch die Reichweiten (und damit die Einnahmen durch Werbung und Spenden) beträchtlich erhöht werden, andererseits gibt es auch ideologische Motive (Deutschland!), und schließlich scheint das Hetzen immer dann leichter bzw. vor Strafverfolgung eher geschützt, wenn es aus einem anderen Land kommt.
Besonders schlau aber finden sich jene rechtsextremen Hetzer, die als Sitz ihrer Eigentümer ein Land angeben, das möglichst weit weg und/oder möglichst von Recherchen und Strafverfolgung ebenso befreit ist wie von Pressefreiheit. Für „Unser Mitteleuropa“ ist das aktuell Hongkong. Beim Eigentümer und nach Medienrecht verantwortlichen „European Institute for Policy Research and Media Networking“ findet auch Google nichts.
Bis vor kurzem führten Spuren der Eigentümer von „UM“ zunächst zu einer Briefkastenfirma (NNC) in London mit einer Zweigstelle in Wien und einem Hälftegesellschafter und ‑geschäftsführer, der nicht nur den bemerkenswerten Blog „Konterrevoution“ betrieb, sondern auch bei der FPÖ tätig war: als parlamentarischer Mitarbeiter der EU-Abgeordneten Barbara Kappel (FPÖ) und sodann als Pressereferent im Ministerium von Norbert Hofer. Mittlerweile sind diese Spuren gelöscht. Jetzt schützt das chinesische Europa-Institut „UM“ vor Transparenz.
„Unser Mitteleuropa“ war in seinen Anfängen weitgehend auf den deutschsprachigen und mit Abstrichen auf den ungarischen Markt konzentriert. Vermutungen über die Betreiber konzentrierten sich daher auf das Umfeld der FPÖ (inklusive Burschenschafter), die AfD und Jobbik in Ungarn. Niemand hatte dabei aber Peter Hauer im Visier. Der war auf Google fast genauso wenig bekannt wie die aktuellen chinesischen Eigentümer.
Erst im Prozess gegen die Neonazis von der „Europäischen Aktion“ (EA) 2021 tauchte Hauer als Angeklagter auf. Als einziger der fünf Angeklagten wurde Hauer in diesem Prozess vom Vorwurf der NS-Wiederbetätigung bzw. des Hochverrats freigesprochen. Hauer verstarb wenige Monate nach dem Prozess – angeblich in Spanien an den Folgen einer Covid-Erkrankung und entkam dadurch einem neuerlichen Prozess, der ihm infolge der Aktivitäten für die EA nach § 3g des Verbotsgesetzes bevorgestanden wäre.
Erst jetzt erfahren: Peter Hauer, der mit beiden Beinen im Sumpf des rechtsextremen Milieus stand – u.a. auch bei der neonazistischen Europäischen Aktion dabei war, für die FPÖ und diverse rechtsextreme Medienprojekte gearbeitet hat – ist im Nov. 2021 gestorben. pic.twitter.com/FVvdNawTQV
— stopptdierechten.at (@stopptrechte) May 25, 2022
Nachrufe, die Hauer als Gründer von „UM“ auswiesen und anpriesen – hier setzt auch die Recherche von „Correctiv“ an –, erschienen in einigen rechtsextremen Publikationen, nicht aber auf „Unser Mitteleuropa“.
Anklage im EA-Prozess, Verteidigung, aber auch die Erklärungen von Hauer selbst offenbaren einiges vom Umfeld bzw. den Aktivitäten des Peter Hauer. Der in der Öffentlichkeit völlig unbekannte Hauer war demnach nicht nur in der rechtsextremen und Neonazi-Szene bestens vernetzt, sondern auch eine eher tragische Figur. Nach einer wenig erfolgreichen Laufbahn als Unternehmer wurde der mehrsprachige Hauer, der „Jus, Sinologie, Japanologie, Arabistik (ohne Abschluss) studiert“ hat, Kanzleimitarbeiter bei einem Rechtsanwalt und dann arbeitslos. Die Anklage führt über ihn aus, dass er seinen Lebensunterhalt in den letzten Jahren wohl aus der (inoffiziellen) Betreuung von (rechtsextremen) Websites und der elektronischen Aufbereitung von Daten für eine Vielzahl von konspirativen Auftraggebern aus der Politik, vorwiegend aus rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen bestritten hat. Wer wohl mit den rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen gemeint war in der Anklage?
Sicher ist, dass Hauer regelmäßig mit Bekannten das Neonazi-Kellerlokal im 16. Wiener Gemeindebezirk frequentierte, dass er nicht nur einen Hardcore-US-Nazi ins Deutsche übersetzte, mit den Neonazis Roland Wuttke, Gerd Honsik und natürlich den Neonazis von der EA in Kontakt stand, für sie arbeitete, sondern auch mit Stefan Magnet, für dessen Magazin (Hauer nennt ausdrücklich „Info-Direkt“) er so um 2016 auf Honorarbasis gearbeitet habe. Dass er dann 2016 gemeinsam mit Personen aus Ungarn Gründer von „Unser Mitteleuropa“ war, bestätigte er im Prozess ebenfalls.
Hauer selbst wies auch auf seine Kontakte zum „Freiheitlichen Bildungsinstitut“ (FBI) hin, für das er Digitalisierungsarbeiten durchgeführt habe. Gegenüber „Correctiv“ dementierte das blaue Bildungsinstitut allerdings eine Tätigkeit. Hauer, der im Prozess seine Verankerung im Neonazi- bzw. rechtsextremen Milieu völlig herunterspielte und auf eine rein technische Ebene reduzierte, kann dazu nicht mehr befragt werden.
➡️ Correctiv: „Der Kampf ist derselbe“: Wie „Unser Mitteleuropa“ ein Netzwerk rechter Medien in Europa aufbaut
➡️ netzpolitik.org: „Vertrauen Sie Profis!“