Wochenschau KW 27/20

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Eine Rei­he von Pro­zes­sen, poli­ti­sche Rück- und Über­trit­te und ein Par­tei­aus­schluss haben die letz­te Woche gepflas­tert. Zudem hat sich ein „blau­er Baron“ mit der Poli­zei ein Auto­rennen gelie­fert, bei einem mut­maß­lich ehe­ma­li­gen FPÖ-Funk­tio­när sind ille­ga­le Waf­fen und NS-Devo­tio­na­li­en gefun­den wor­den. Die Iden­ti­tä­ren ver­su­chen nun über eine Stif­tung in Polen, ihr Ver­mö­gen dem Zugriff deut­scher und wohl auch öster­rei­chi­scher Behör­den zu entziehen.

Kla­gen­furt: Ver­ge­wal­ti­ger zu Haft­stra­fe verurteilt
Wieselburg/NÖ: Blu­ti­ge Nase, Trä­nen und unge­klär­te Nazi-Parolen
Inns­bruck: Hübsch rau­schig im Tiro­ler Unterland
St. Peter am Hart/OÖ: VP-Gemein­de­rat tritt nach Pos­ting zurück
Gmünd/NÖ: Kriegs­ma­te­ri­al und NS-Devo­tio­na­li­en in Büro
NÖ: Der blaue Baron auf der Flucht
Deutsch-Wagram/­Straß im Straßertale/NÖ: Ex-Blaue zum Ex-Blauen
Stettin/Polen: Iden­ti­tä­re Stiftung

Kla­gen­furt: Ver­ge­wal­ti­ger zu Haft­stra­fe verurteilt

In die­ser wider­li­chen Geschich­te sind die Ermitt­lun­gen, die gegen den 20-jäh­ri­gen Ange­klag­ten wegen des Ver­dachts auf Wie­der­be­tä­ti­gung lau­fen, nur mehr eine klei­ne Drauf­ga­be. Der Kärnt­ner stand in Kla­gen­furt vor Gericht, weil er ein 13-jäh­ri­ges Mäd­chen ver­ge­wal­tigt und schwer miss­braucht haben soll. Dafür erhielt er nicht rechts­kräf­tig 3,5 Jah­re Haft. In einem zwei­ten Fall wur­de er im Zwei­fel freigesprochen.

Am Diens­tag wur­de bekannt, dass die Staats­an­walt­schaft gegen den Ange­klag­ten wegen sechs wei­te­rer Delik­te ermit­telt. Es soll wei­te­re sechs Opfer geben, alle­samt jun­ge Mäd­chen. Die Lis­te der Vor­wür­fe ist lang: Ver­ge­wal­ti­gung, geschlecht­li­che Nöti­gung, ver­such­te schwe­re Nöti­gung, sexu­el­ler Miss­brauch Wehr­lo­ser oder psy­chisch Beein­träch­tig­ter, Anbah­nung sexu­el­ler Kon­tak­te mit Unmün­di­gen und sexu­el­ler Miss­brauch Unmün­di­ger. (kaernten.orf.at, 30.6.20)

Wieselburg/NÖ: Blu­ti­ge Nase, Trä­nen und unge­klär­te Nazi-Parolen

Das hört sich mehr nach Kaba­rett, denn als Gerichts­ver­hand­lung an: Ein 32-jäh­ri­ger Teil­neh­mer des Wie­sel­bur­ger Volks­fes­tes stand vor dem Kadi, weil er Hit­ler-Paro­len geru­fen haben soll. Sei­ne Ver­si­on klingt jedoch anders: Es habe eine Aus­ein­an­der­set­zung gege­ben, wo er ledig­lich als „Streit­schlich­ter“ auf­ge­tre­ten sei, nebst blu­ti­ger Nase, die er sich dabei geholt hat. 

Dann sei­en die Nazi-Paro­len gefal­len und ein Fest­gast gröll­te [sic!]: „Es wäre bes­ser, wenn der Hit­ler noch da wäre. Die Zeu­gen konn­ten vor Gericht nicht wirk­lich zur Auf­klä­rung bei­tra­gen, eine Frau brach im Zeu­gen­stand sogar in Trä­nen aus: „Ich weiß gar nicht, was ich da tue.“ Eine Poli­zis­tin mein­te im Zeu­gen­stand: „Es war viel los, es war nach Mit­ter­nacht, wir hetz­ten von einem Ein­satz zum nächs­ten. Es war ein­fach zu tur­bu­lent. Es hät­ten theo­re­tisch 200 bis 300 Fest­gäs­te sein kön­nen.“ (heute.at, 29.6.20)

Ange­sichts so vie­ler Tat­ver­däch­ti­ger ent­schie­den sich die Geschwo­re­nen ein­stim­mig für einen Freispruch.

Inns­bruck: Hübsch rau­schig im Tiro­ler Unterland

„Hübsch rau­schig“ soll der 22-jäh­ri­ge Tiro­ler nach Eigen­aus­sa­ge gewe­sen sein, als er im Zuge eines Kram­pus­lau­fes mehr­fach den Hit­ler­gruß gezeigt und „Sieg Heil“ geru­fen haben soll. Und er habe sich nichts dabei gedacht, als er auch noch Nazi-Bil­der (in Eigen­dik­ti­on „Bild­chen“) in Whats­App-Grup­pen getauscht hat. 

Weil er beim Kram­pus­lauf auf­grund sei­nes Alko­hol­pe­gels nicht mehr zurech­nungs­fä­hig war, gab’s bloß eine Geld­stra­fe. „Rich­ter Rüß­kamp ver­häng­te 1680 Euro – zur Hälf­te bedingt. (…) Dabei wur­de über den 22-Jäh­ri­gen für eine Nach­richt mit ‚SS 88‘ von der Bezirks­haupt­mann­schaft bereits eine Ver­wal­tungs­stra­fe von 100 Euro ver­hängt.“ (Kro­nen Zei­tung, 30.6.20, S. 23)

St. Peter am Hart/OÖ: VP-Gemein­de­rat tritt nach Pos­ting zurück

Wann sich der tür­ki­se Gemein­de­rat aus St. Peter am Hart, F. S., radi­ka­li­siert hat, kön­nen wir nicht sagen, aber wohl, dass diver­se Pos­tings und Kom­men­ta­re auf sei­nem Face­book-Account in nichts von jenen Rechts­extre­mer zu unter­schei­den sind. Zu viel war dann ein Foto, auf dem sich S. in Ram­bo-Pose mit Gewehr, umge­schnall­ten Patro­nen­gür­tel und dem Text „Wai­ting for Anti­fa … fuck that rat pack out of the coun­try if neces­sa­ry“ prä­sen­tiert hat­te. Ein Screen­shot davon mach­te die Run­de, und S. muss­te beim ÖVP-Bür­ger­meis­ter Robert Wim­mer vor­spre­chen. 

F.S. (St. Peter/Hart): Mit Waffen gegen die "fucking Antifa"; S. selbst mit Gewehr und Patronengürtel

F.S. (St. Peter/Hart): Mit Waf­fen gegen die „fuck­ing Anti­fa”; S. selbst mit Gewehr und Patronengürtel

„Nach die­sem halb­stün­di­gen Gespräch hat er sein Man­dat und alle wei­te­ren poli­ti­schen Funk­tio­nen zurück­ge­legt“, sagt Wim­mer. (…) Die per­sön­li­che Ent­täu­schung beim Bür­ger­meis­ter ist groß, das merkt man auch im OÖN-Gespräch deut­lich. Er ken­ne den Mann schon seit Jah­ren, die­ser sei ein gebür­ti­ger St. Pete­rer, ein erfolg­rei­cher Unter­neh­mer, des­halb wur­de ihm damals auch ein Lis­ten­platz ange­bo­ten. „Aber was er da gepos­tet hat, das ist ein­fach untrag­bar.“ (nachrichten.at, 1.7.20)

Der Bür­ger­meis­ter hät­te frü­her aufs Face­book-Kon­to sei­nes Gemein­de­rats schau­en sol­len, dann wäre ihm zumin­dest die­se böse Über­ra­schung erspart geblieben.

F.S. (St. Peter/Hart): Mit Waffen gegen die "fucking Antifa"

F.S. (St. Peter/Hart): Mit Waf­fen gegen die „fuck­ing Antifa”

F.S. zu Bedrohungen gegenüber einer taz-Journalistin: "Super so ghearts ihr"

F.S. zu Bedro­hun­gen gegen­über einer taz-Jour­na­lis­tin: „Super so ghe­arts ihr”

Kommentar bei F.S.: "Schwarze =Verbrecher!"

Kom­men­tar bei F.S.: „Schwar­ze =Ver­bre­cher!”

Gmünd/NÖ: Kriegs­ma­te­ri­al und NS-Devo­tio­na­li­en in Büro

Waf­fen und NS-Nost­al­gie – eine häu­fig anzu­tref­fen­de Kom­bi­na­ti­on, die nach einer anony­men Anzei­ge auch bei einem 35-Jäh­ri­gen aus Gmünd anzu­tref­fen war. Wäh­rend die einen ihre Samm­ler­stü­cke ver­steckt hor­ten, hat­te der Wald­viert­ler sei­ne NS-Devo­tio­na­li­en, dar­un­ter Bro­schü­ren, das unter Neo­na­zis belieb­te Sujet „Euro­pean Tour 1939–1945“ samt Hit­ler­bild, eine Wein­fla­sche mit Hit­ler-Eti­kett und „Sieg Heil“-Aufschrift, offen­bar in sei­nem Büro zu Schau gestellt.

Nazi-Devotionalien im Büro (Gmünd; Foto: LPD NÖ)

Nazi-Devo­tio­na­li­en im Büro (Gmünd; Foto: LPD NÖ)

„Bei der Durch­su­chung des Büros wur­den ein schie­ßen­der Kugel­schrei­ber – die ver­bo­te­ne Waf­fe – sowie zwei Maschi­nen­pis­to­len mit Schall­dämp­fer – ille­ga­le Waf­fen in Form von Kriegs­ma­te­ri­al – ent­deckt. Gefun­den wur­den außer­dem grö­ße­re Men­gen an Muni­ti­on, Spreng­kap­seln, aber auch Schuss­waf­fen, die der Beschul­dig­te legal beses­sen hat­te.“ (APA via derstandard.at, 3.7.20)

Eine bemer­kens­wer­te Leis­tung ist den ermit­teln­den Behör­den gelun­gen: Nach nur weni­gen Tagen konn­ten sie fest­stel­len, die „Ermitt­lun­gen zur ‚offen zur Schau gestell­ten natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ein­stel­lung‘ des Man­nes hät­ten kei­nen Hin­weis auf eine Mit­glied­schaft in einem rechts­extre­men Netz­werk erge­ben“ (APA) – das, obwohl die Her­kunft der Waf­fen nicht geklärt wer­den konn­te. Die Nie­der­ös­ter­rei­chi­schen Nach­rich­ten berich­ten aller­dings, dass es sich „dem Ver­neh­men nach (…) bei ihm um ein frü­he­res, der­zeit in Gmünd wohn­haf­tes FPÖ-Bezirks­vor­stands­mit­glied, das aller­dings selbst nie in einem Gemein­de­rat ver­tre­ten war“ hand­le. Da hät­ten wir doch schon ein­mal ein rechts­extre­mes Netzwerk!

NÖ: Der blaue Baron auf der Flucht

Wir haben über den vom rechts­extre­men „Wochen­blick“ zum „Baron“ geadel­ten Nor­bert van Han­del und sei­nen Auf­stieg in der FPÖ vor einem Jahr berich­tet. Für ein Man­dat im Natio­nal­rat hat es auf­grund des Abstur­zes der FPÖ nicht gereicht, aber der Par­tei­chef Nor­bert woll­te auf die Diens­te des ande­ren Nor­bert denn doch nicht ganz ver­zich­ten und hat den beken­nen­den Mon­ar­chie-Fan zu sei­nem außen­po­li­ti­schen Bera­ter erkoren.

Nun erhält die Bezeich­nung „der blaue Baron“ uner­war­tet einen zusätz­li­chen Bedeu­tungs­in­halt: 

So fiel der Poli­zei am Diens­tag gegen 17 Uhr ein Luxus­wa­gen auf, der über die A1 ras­te. Doch der Len­ker igno­rier­te sämt­li­che Stopp­ver­su­che. Statt­des­sen stieg er aufs Gas. Erst nach zehn Kilo­me­tern ende­te die Ver­fol­gungs­jagd. Der sofort durch­ge­führ­te Alko­test ergab 1,06 Pro­mil­le im Blut. Die Poli­zei nahm dem „blau­blü­ti­gen“ Len­ker den Schlüs­sel ab. Nor­bert van Han­del ist sei­nen Füh­rer­schein vor­erst los. (krone.at, 2.7.20 https://www.krone.at/2183348)

Deutsch-Wagram/­Straß im Straßertale/NÖ: Ex-Blaue zum Ex-Blauen

Es sind nicht die ers­ten und wer­den auch bei wei­tem nicht die letz­ten sein: jene frei­heit­li­chen Hasar­deu­re, die offi­zi­ell ins Stra­che-Lager wech­seln. Dies­mal sind es der Deutsch-Wagra­mer Gemein­de­rat Wer­ner Cer­mak und der erst im letz­ten Jahr zum Obmann der FPÖ-Orts­grup­pe Straß-Schönberg-St.Leonhard gekür­te Emme­rich Köcher, sowie Andre­as Feicht­la­buer, Gemein­de­rat in Straß.Cermak wur­de vom nie­der­ös­ter­rei­chi­schen FPÖ-Par­tei­vor­stand aus­ge­schlos­sen. Dass Cer­mak auf Face­book schon län­ger ras­sis­tisch unter­wegs war, hat bis­lang nicht für einen Aus­schluss gereicht. Auch nicht sei­ne „mora­li­schen Ver­feh­lun­gen“, wie die FPÖ Cer­maks ille­ga­le Hand­lung ver­bal beschönigt:

„Vor Jah­ren haben wir ihm trotz mora­li­scher Ver­feh­lung – er hat­te ille­gal sei­ne Wie­ner Gemein­de­woh­nung zum dop­pel­ten Miet­preis unter­ver­mie­tet und einen klei­nen Aus­flug zum BZÖ gemacht – eine zwei­te Chan­ce gege­ben. Das war sicht­lich ein Feh­ler”, räumt Bezirks­par­tei­ob­mann LA Die­ter Dor­ner heu­te ein. (meinbezirk.at, 2.7.20)

Es ent­behrt nicht einer gewis­sen Komik, dass bei­de Gemein­de­rä­te noch im Jän­ner für die FPÖ ange­tre­ten sind und ein Man­dat ein­ge­sackt haben, das bei­de natür­lich auch jetzt behal­ten wollen.

Stettin/Polen: Iden­ti­tä­re Stiftung

Viel haben die Iden­ti­tä­ren rund um Mar­tin Sell­ner ver­sucht, um ihre peku­niä­ren Schäf­chen ins Tro­cke­ne –sprich: auf ein Bank­kon­to – zu brin­gen. Doch spä­tes­tens nach­dem bekannt gewor­den war, dass der Atten­tä­ter von Christ­church auch an Sell­ner gespen­det hat­te, haben diver­se Ban­ken in Öster­reich, aber auch anders­wo, kal­te Füße bekom­men und die iden­ti­tä­ren Kon­ten gekün­digt. Jetzt ver­such die rechts­extre­me Grup­pie­rung, ihr Geld über eine Stif­tung im pol­ni­schen Stet­tin anzu­le­gen. 

Though offi­ci­al­ly cited as extre­mists by aut­ho­ri­ties in Ger­ma­ny and sub­ject to finan­cial rest­ric­tions the­re and in Aus­tria, high-ran­king mem­bers of the net­work set up a finan­cial enti­ty tied to a pro­per­ty in the Polish port city of Szc­ze­cin, an inves­ti­ga­ti­on by POLITICO has found. Under Polish juris­dic­tion, the foun­da­ti­on appears to act as a finan­cial hideout for the group’s ope­ra­ti­ons. How exact­ly the cash rou­ted through the Polish foun­da­ti­on is being used is unclear. (politco.eu, 30.6.20)