Wochenschau KW 3/20

Lesezeit: 7 Minuten

Wer jeman­dem eine „fro­he Reichs­kris­tall­nacht“ wünscht und den 20. April als „Tag des Herrn“ bezeich­net, gehört vor ein Gericht. Und vor dem muss­te sich ein 24-Jäh­ri­ger in Feld­kirch ver­ant­wor­ten. Manch­mal lau­ter, manch­mal stil­ler ster­ben nun immer mehr braun-rechts­extre­me Medi­en, in den letz­ten Mona­ten durf­ten wir uns gleich von drei ver­ab­schie­den. Und ver­ab­schie­det hat sich im Bur­gen­land gleich eine gan­ze Orts­grup­pe aus der FPÖ. 

Innsbruck/Wels: ein­mal nichts, ein­mal unbe­ding­te Haft­stra­fe wegen NS-Tattoos
Feldkirch/Deutschland: Der Tag des Herrn für Nazis
Der stil­le Tod von „Unser Mitteleuropa“
Tadten/B: Ciao FPÖ-Ortspartei!
WKR-Ball: Engel­berg ver­sus Guggenbichler
Maut­hau­sen Komi­tee: Gedenk­stät­ten­schän­dung und Burschenbundball

Innsbruck/Wels: ein­mal nichts, ein­mal unbe­ding­te Haft­stra­fe wegen NS-Tattoos

Wäh­rend die Staats­an­walt­schaft Wels die Ermitt­lun­gen gegen einen aus Deutsch­land stam­men­den ange­hen­den Juris­ten wegen täto­wier­ter Haken­kreu­ze und „Schwar­zer Son­ne“ ein­ge­stellt hat, wur­den in Tirol einem 29-Jäh­ri­gen NS-Tat­toos zum Verhängnis:

Wegen einer vom Trä­ger ‚ver­ges­se­nen‘ NS-Täto­wie­rung ver­häng­te ein Schwur­ge­richt ges­tern über einen 29-Jäh­ri­gen 18 Mona­te (12 bedingt) Gefäng­nis. Der Vor­be­straf­te war schon 2012 einem Staats­an­walt mit dem ‚Son­nen­rad‘ am Arm auf­ge­fal­len, aber straf­frei geblie­ben. Letz­tes Jahr kam er als Opfer im T‑Shirt ans Gericht-und wur­de dies­mal prompt wegen Wie­der­be­tä­ti­gung ange­zeigt.“ (Tiro­ler Tages­zei­tung, 14.1.20, S. 5)

Feldkirch/Deutschland: Der Tag des Herrn für Nazis

Acht Mona­te bedingt und eine unbe­ding­te Geld­stra­fe von 3.360 Euro, das erhielt – auf­grund einer Bedenk­zeit durch den Staats­an­walt nicht rechts­kräf­tig – ein 24-jäh­ri­ger, in Deutsch­land bereits 2016 wegen Volks­ver­het­zung ver­ur­teil­ter Ger­ma­ne vom Lan­des­ge­richt Feld­kirch nach einem Schuld­spruch in zehn Ankla­ge­punk­ten. Der im Tat­zeit­raum im Bezirk Feld­kirch leben­de Deut­sche hat­te sich mit sei­nem täto­wier­ten NS-Sym­bol auf der Brust foto­gra­fie­ren las­sen und ein sol­ches Foto auf sei­ner Face­book­sei­te veröffent­licht. Zudem hat er eine SS-Fah­ne ver­schenkt und einen Kol­le­gen foto­gra­fiert, als der den Hit­ler­gruß mach­te; das Foto hat er ihm dann geschickt. Auch mit Sprach­nach­rich­ten in einer Whats­app-Grup­pe hat der Ange­klag­te nach Ansicht der Lai­en­rich­ter den Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­herr­licht. So hat der jun­ge Mann Hit­lers Geburts­tag als Tag des Herrn bezeich­net und sei­nen Kol­le­gen am 9.11.2018 eine fro­he Reichs­kris­tall­nacht gewünscht.“ (Neue Vor­arl­ber­ger Tages­zei­tung, 21.1.20)

Inter­es­sant ist noch die Bemer­kung des Straf­ver­tei­di­gers: „Ver­tei­di­ger Ger­man Bertsch sprach sich für die Bei­be­hal­tung der Zustän­dig­keit von Geschwo­re­nen in Pro­zes­sen nach dem Ver­bots­ge­setz aus. Weil Haus­ver­stand und Bauch­ge­fühl von Bür­gern bei der Ein­schät­zung von Schuld oder Unschuld hilf­reich sei­en.“ (NVT) Da ver­las­sen wir uns doch lie­ber auf Fakten …

Der stil­le Tod von „Unser Mitteleuropa“

Knapp nach dem Aus der uralten neu­en Aula im Okto­ber und vor jenem des uralten Neo­na­zi-Blatts „Natio­nal Zei­tung“, deren Dahin­schei­den mit Ende Dezem­ber 2019 ver­laut­bart wur­de, hat es still und lei­se die weit rechts­ste­hen­de digi­ta­le Zei­tung „Unser Mit­tel­eu­ro­pa“ erwischt.

National-Zeitung verkündet nach 69 Jahren braunen Treibens ihr Aus

Natio­nal-Zei­tung ver­kün­det nach 69 Jah­ren brau­nen Trei­bens ihr Aus

Der 2016 gegrün­de­te Blog wur­de über eine unga­ri­sche Stif­tung getra­gen, Ver­mu­tun­gen lau­te­ten, dass er von Öster­reich aus betrie­ben wor­den war und die rech­te Sze­ne im Drei­eck Deutsch­land (AfD) – Öster­reich (FPÖ) – Ungarn (Job­bik) ver­net­zen hät­te sol­len. Die Domain wur­de gesperrt, das letz­te FB-Pos­ting am 6. Novem­ber abge­setzt. Der Grund für die­ses sang- und klang­lo­se Ver­schwin­den wird nir­gend­wo ange­ge­ben. 

"Unser Mitteleuropa": Account suspended

„Unser Mit­tel­eu­ro­pa”: Account suspended

Apro­pos rech­te Medi­en: Nach­dem Face­book die Sei­te von „Info-Direkt“ im Okto­ber 2019 gelöscht hat­te, erwisch­te es inzwi­schen auch den Inha­ber, Geschäfts­füh­rer und Redak­teur Micha­el Scharf­mül­ler. Sein FB-Pro­fil ist eben­falls ver­schwun­den. Es wäre wenig erstaun­lich, wenn sich auch „Info-Direkt“ bald vom rech­ten Medi­en­markt ver­ab­schie­den müsste.

Info-Direkt will Facebook-Sperre anfechten

Info-Direkt will Face­book-Sper­re anfechten

Update: Die rechts­extre­me Sei­te „Unser Mit­tel­eu­ro­pa” ist nach vier­ein­halb Mona­ten Pau­se am 21. März wie­der online gegangen.

Tadten/B: Ciao FPÖ-Ortspartei!

Das kommt natür­lich so knapp vor der Land­tags­wahl nicht ganz gele­gen, wenn es gleich eine gan­ze Orts­grup­pe zer­legt, wie es im bur­gen­län­di­schen Tad­ten pas­siert ist. Zuge­ge­ben, Tad­ten ist wohl kei­ne Metro­po­le, die man ken­nen müss­te, aber es wird die Lan­des-FPÖ doch schmer­zen, wenn gleich eine gesam­te Orts­grup­pe, die in dem Fall aus sechs oder sie­ben Per­so­nen bestand, die Par­tei ver­lässt. Die Orts­par­tei­ob­frau Sil­via Buri­an begrün­de­te ihren Schritt mit der Bezirks­par­tei Neu­siedl, von der Abweich­ler „in ein Win­kerl“ gestellt wür­den und „Per­so­nen“, denen es „nur um ihre eige­nen Plät­ze und Pfrün­de“ gehe. „Sie sei schon ‚ewig und drei Tage‘ bei der Par­tei: ‚Aber das, was da in der Bezirks­par­tei und in Neu­siedl abgeht, ist schon nicht mehr schön.‘“ Von einer „schwie­ri­gen Per­son“ sprach indes der Lan­des­par­tei­se­kre­tär über die reni­ten­te Ex-Obfrau, „weil sie ein­fach eine Per­son ist, die sich schwer tut, mit ande­ren zusam­men­zu­ar­bei­ten“. (burgenland.orf.at, 14.1.20)

Der 2018 mit ihrer Orts­grup­pe eben­falls aus­ge­tre­te­nen Maria Nako­vits gefällt Buri­ans Schritt, eben­falls dem Ibi­za-Shoo­ting­star Johann Gude­nus. 

Ein Like für Burians FPÖ-Austritt von Maria Nakovits und Johann Gudenus

Ein Like für Buri­ans FPÖ-Aus­tritt von Maria Nako­vits und Johann Gudenus

Aber Buri­ans Ciao zur FPÖ könn­te der Beginn einer wun­der­ba­ren neu­en Par­tei­freund­schaft wer­den, DAÖ strahlt aus Wien selbst bis nach Tadten …

Burian bewirbt auf FB DAÖ-Veranstaltung

Buri­an bewirbt auf FB DAÖ-Veranstaltung

WKR-Ball: Engel­berg ver­sus Guggenbichler

Alle Jah­re wie­der gibt’s die Dis­kus­sio­nen um den Bur­schen­schaf­ter­ball der FPÖ in der Hof­burg, dies­mal mischt sich sogar der jüdi­sche ÖVP-Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­te Mar­tin Engel­berg ein – zwei Jah­re lang wäh­rend der tür­kis-blau­en Koali­ti­on ist ihm dazu öffent­lich hör­bar nichts ein­ge­fal­len. „‚Dass Iden­ti­tä­ren-Chef Mar­tin Sell­ner am Aka­de­mi­ker­ball der FPÖ teil­nimmt, offen­bart wie­der ein­mal, dass es inner­halb der FPÖ kei­ne kla­re Hal­tung gegen die­se Orga­ni­sa­ti­on gibt‘, betont Natio­nal­rats­ab­ge­ord­ne­ter der Volks­par­tei, Mar­tin Engel­berg.” Der Ver­an­stal­ter Udo Gug­gen­bich­ler kon­ter­te umge­hend in einer Pres­se­aus­sendung: „Engel­bergs zwi­schen den Zei­len her­aus­les­ba­re For­de­rung, man­che Bür­ger von einer Teil­nah­me am Ball aus­zu­schlie­ßen, hal­te ich für demo­kra­tie­po­li­tisch bedenk­lich. Das erin­nert an die spä­ten Drei­ßi­ger-Jah­re, wo unbe­schol­te­ne Bür­ger auf­grund ihrer Reli­gi­on aus­ge­grenzt wur­den. Eine sol­che Vor­gangs­wei­se hal­te ich für gefährlich.“ 

Vor­bei ist’s offen­bar mit jeg­li­chen Distan­zie­run­gen vom rechts­extre­men Rand, wie es der damals frisch geba­cke­ne Vize­kanz­ler Stra­che noch am Ball 2018 ange­kün­digt hat­te, aus ist’s eben­falls mit der Abgren­zung von den Iden­ti­tä­ren – wohl frei nach dem Mot­to, „Ist der Ruf erst rui­niert, lebt es sich ganz unge­niert“. Dass Gug­gen­bich­ler den mör­de­ri­schen Ras­sen­wahn der Nazis mit der rechts­extre­men Gesin­nung von Sell­ner gleich­setzt, passt zu zwei wesent­li­chen Merk­ma­len der FPÖ: ihrer aus­ge­präg­ten Lern­re­sis­tenz und Opferhaltung.

Maut­hau­sen Komi­tee: Gedenk­stät­ten­schän­dung und Burschenbundball

Am 2. Jän­ner wur­de die KZ-Gedenk­stät­te Maut­hau­sen von Neo­na­zis geschän­det: Sie beschmier­ten das nie­der­län­di­sche Denk­mal mit Haken­kreu­zen. Das ist die vier­te Schän­dung der Gedenk­stät­te in den letz­ten elf Jah­ren, sagt Wil­li Mer­nyi, der Vor­sit­zen­de des Maut­hau­sen Komi­tees Öster­reich (MKÖ). Die­ses neu­er­li­che rechts­extre­me Ver­bre­chen an einem Ort, an dem die Natio­nal­so­zia­lis­ten 100.000 Men­schen ermor­det haben, müss­te alle Demo­kra­ten auf­rüt­teln. Des­halb ver­ste­hen wir nicht, dass bis­her weder Lan­des­haupt­mann Stel­zer noch Lan­des­po­li­zei­di­rek­tor Pilsl die Öffent­lich­keit infor­miert haben: Was wird unter­nom­men? Ermit­telt der Ver­fas­sungs­schutz? Konn­ten die Täter aus­ge­forscht wer­den? Die frü­he­ren Schän­dun­gen sind ja lei­der unauf­ge­klärt geblie­ben.

Das Maut­hau­sen Komi­tee weist dar­auf hin, dass in Ober­ös­ter­reich seit Jah­ren die meis­ten rechts­extre­men Straf­ta­ten aller Bun­des­län­der began­gen wer­den. 2019 erhielt Lan­des­haupt­mann Tho­mas Stel­zer gleich zwei Offe­ne Brie­fe, in denen er auf­ge­for­dert wur­de, für eine wirk­sa­me Bekämp­fung die­ser Straf­ta­ten zu sor­gen. Der eine Brief kam von 91 bekann­ten Per­sön­lich­kei­ten, unter ihnen Lite­ra­tur­no­bel­preis­trä­ge­rin Elfrie­de Jeli­nek, Alt­bun­des­kanz­ler Franz Vra­nitz­ky und der frü­he­re Raiff­ei­sen-Gene­ral­an­walt Chris­ti­an Kon­rad. Den ande­ren Brief haben inter­na­tio­na­le Dach­or­ga­ni­sa­tio­nen von KZ-Über­le­ben­den an Stel­zer geschickt.

Die Appel­le schei­nen wenig bewirkt zu haben, sonst wür­den Ober­ös­ter­reichs Lan­des­haupt­mann und Lan­des­po­li­zei­di­rek­tor zum jüngs­ten Neo­na­zi-Anschlag auf die Gedenk­stät­te Maut­hau­sen Stel­lung neh­men statt ihn still­schwei­gend zu über­ge­hen, kri­ti­siert der MKÖ-Vorsitzende.

Dass Stel­zer wie­der den Ehren­schutz für den rechts­extre­men Bur­schen­bund­ball über­nimmt, ruft im Maut­hau­sen Komi­tee eben­falls Kri­tik her­vor. Dem Ball­aus­schuss gehö­ren Wolf­gang Kitz­mül­ler und Peter Hamet­ner an. Kitz­mül­ler wur­de im Inter­net als Kon­takt­per­son der Bur­schen­schaft „Ger­ma­nia zu Ried“ genannt, die ein Geheim­kon­zert mit dem Neo­na­zi-Lie­der­ma­cher „Fyl­gi­en“ durch­ge­führt hat. Hamet­ner wur­de im Inter­net als Kon­takt­per­son der Bur­schen­schaft „Donau­hort zu Aschach“ genannt, die als Ver­bin­dungs­lied das „Treu­e­lied“ der SS singt und in ihrem „Waf­fen­spruch“ mit „deut­schen Hie­ben“ droht. Das sind nur zwei Bei­spie­le für das Gedan­ken­gut der Burschenschafter.

„Der Rek­tor der Johan­nes-Kep­ler-Uni­ver­si­tät hat sich aus guten Grün­den vom Bur­schen­bund­ball zurück­ge­zo­gen“, betont Mer­nyi.Dass Stel­zer den Ewig­gest­ri­gen trotz­dem Ehren­schutz gewährt, hat wohl mit sei­nem schwarz-blau­en Bünd­nis zu tun, ist aber ein völ­lig fal­sches Signal. So macht man den Rechts­extre­mis­mus salon­fä­hig!(Pres­se­aus­sendung, 17.1.2020)