Im Juli 2010 wurde eine sehr ausführlich begründete parlamentarische Anfrage an das Innenministerium zu den Alpen-Donau-Nazis gestellt. In ihr wurden Strukturen, Aktivitäten, Verbindungen (etwa in die FPÖ) und Personen im Umfeld der Neonazi-Gruppe genannt. Die Namensliste in der Anfrage führte dazu, dass ein Verfassungssschützer das BVT verlassen musste. Die Anfrage selbst bewirkte eine Intensivierung der Ermittlungen mit fast zwanzig Hausdurchsuchungen in Wien, Niederösterreich und Tirol.
Im Jänner 2013 wurden dann Gottfried Küssel, Felix B. und Christian A. als Betreiber der Nazi-Seite Alpen-donau.info und des Forums schuldig erkannt und wegen NS-Wiederbetätigung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Im Prozess konnten den Angeklagten bestimmte Nicknames aus dem Forum zugeordnet werden: zweifellos „Heiler“ und „Heidegger“.
Schon vor dem Prozess wurde klar, dass es noch weitere Verantwortliche für alpen-donau.info gab. Zum einen, weil Webseite und Forum auch nach der Verhaftung der drei Hauptverdächtigen weiterbetrieben wurde: Aus den Alpen-Donau-Nazis waren die Alpen-Mur-Nazis geworden, die etwas hilflos versuchten, den braunen Laden am Laufen zu halten. Richard Pfingstl stemmte sich für kurze Zeit 2014 im Alleingang gegen die Wirklichkeit und versuchte die stinkende braune Leiche Alpen-Donau noch einmal wiederzubeleben. Vergeblich.
Zudem stellte sich heraus, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen weitere Verantwortliche von alpen-donau.info in der BRD ermittelte: gegen Jörg Lange etwa, einen engen Freund des Neonazi Meinolf Schönborn. Lange verstarb unter merkwürdigen Umständen im März 2012. Ob gegen die beiden anderen von der Staatsanwaltschaft Hamburg Verdächtigten noch ermittelt wird, ob sie angeklagt bzw. verurteilt wurden, entzieht sich unserer Kenntnis.
Auch im Prozess gegen Küssel & Co wurden weitere Namen genannt. Was ist mit ihnen? Wurde bzw. wird gegen sie ermittelt? Schließlich sind zwei der drei Verurteilten von 2013 mittlerweile schon wieder auf freiem Fuß. Und zumindest einer von den beiden versucht sich schon wieder heftig im Anschluss an die Szene. Der dritte, Gottfried Küssel, probt den Freigang, wie die Antwort des Justizministers auf eine parlamentarische Anfrage belegt.
Konkret: Wurde gegen die weiteren Betreiber von alpen–donau weiter ermittelt? Was ist mit den Administratoren und Moderatoren aus „alinfodo.com“? Und welche UserInnen des Forums wurden wegen NS-Wiederbetätigung angeklagt und verurteilt? Schließlich schreiben wir mittlerweile das Jahr 2016.
Das wollten wir mit einer neuerlichen parlamentarischen Anfrage zu alpen-donau klären, diesmal an das Justizministerium. Die Antwort des Justizministeriums fiel trotz ihrer Kürze informativ und bemüht aus. Vor allem birgt sie eine Überraschung.
Gegen einen Administrator von Webseite und Forum, der sich programmatisch „Antisem“ nannte, „ist nach Anklageerhebung wegen § 3g VerbotsG und anderer Delikte ein Hauptverfahren beim Landesgericht für Strafsachen Wien anhängig“ .
Wie der Standard in seiner Ausgabe vom 21.9.2016 berichtet, soll der Prozess am 17. Oktober vor dem Landesgericht Wien starten. Spätestens dann sollte klar werden, wer hintere „Antisem“ steckt. Die User „Nüs“ und „Stuka Franz“ können sich ebenfalls schon auf ihre Verfahren nach dem Verbotsgesetz beim Landesgericht Wien freuen.
So erfreulich diese Verfahren sind, sie können noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Was ist mit Verfahren gegen „Heimatlos“ und „RSD“, die ebenfalls zur Spitzengarnitur von alpen-donau gehört haben bzw. was ist mit den Alpen-Mur-Nazis, die 2011 nach der Verhaftung von Küssel & Co. versucht haben, das Rad noch weiterzudrehen? Und was ist mit Karl Ashnikow, der im Nazi-Forum immer frisch und kenntnisreich aus der FPÖ berichtet und dabei kräftig gegen „Kanacken und anderen Randgruppendreck“ sowie gegen das „Lesbenvieh Lunacek“ gehetzt hat?