„Es wächst zusammen, was zusammengehört.“ Der Satz stammt zwar von Willy Brandt, aber der Mauerfall ist für die Rechten sicher ähnlich bedeutsam wie die allmähliche Verschmelzung von FPÖ und Identitären. Als Anfang Juni 2014 die freiheitliche Fan-Seite „Unser blauer Stammtisch“ einen Sohn von Reinhold Lopatka, Klubchef der ÖVP, als Identitären outete, hing der Haussegen zwischen FPÖ und Identitären schief.
„Was für eine Pöbelseite, unglaublich“, plusterte sich ausgerechnet „Ed Win” auf, besser bekannt als Edwin Hintsteiner, der Salzburger Ober-Identitäre, den wir schon unter ganz anderen Namen kennengelernt haben. Und Martin Sellner, der Wiener Chef, tadelt die blauen Kameraden von der „Pöbelseite“ noch strenger: “Schämt euch!“
Mittlerweile haben die Freiheitlichen jegliches Schamgefühl verloren, was die Sympathie für die Identitären betrifft. Oder sie kehren es taktisch wieder hervor – wie Generalsekretär Kickl und der Präsidentschaftskandidat Hofer. Als der ORF (ZIB 2) nach dem Sturmangriff der Identitären auf das Audimax einen Beitrag gestaltete, in dem auch das Verhältnis zur FPÖ beleuchtet werden sollte, richtete Kickl dem ORF aus, „die Identitären hätten mit der FPÖ nicht zu schaffen“ (ZIB 2,15.4.2016). Der Präsidentschaftskandidat Hofer brauchte etwas länger für seine gewundene Erklärung:
Und jeder muss für sich entscheiden, mit wem er Kontakte pflegt. Ich werde diesen Kontakt nicht pflegen und nicht suchen, weil ich das Gefühl habe — ich kenne es ja nicht, ja — aber weil ich das Gefühl habe, aufgrund der Aktivitäten, die ich bisher gesehen habe, dass das eine Bewegung ist, die mir nicht gefallen kann. (ORF, ZIB 2, 15.4.2016)
Das wären eigentlich deutliche Distanzierungen. Bloß stimmten sie mit der blauen Wirklichkeit nicht überein. Waren die Kontakte bis 2015 auf einzelne Treffen zwischen RFJ und Identitären beschränkt, so hat sich das Bild im Lauf des Vorjahres komplett geändert. Identitäre sind Funktionäre und Mandatare der FPÖ, gemeinsame Aktionen sind üblich, die Sympathie für die offen rechtsextreme Pöbeltruppe ist unverkennbar.
Das Statement von Heinz-Christian Strache vom 18. April, in dem er die Identitären zu einer „nicht-linken Bürgerbewegung“ adelt und den gewalttätigen Sturm auf die Theatervorführung im Audimax als „friedlichen Aktionismus“ verharmlost, ist zwar skandalös, aber konsequent.
Schließlich gibt es da auch ein Foto aus dem Jahr 2015, das Strache an einem gedeckten Tisch in einem Gasthaus zeigt. Mit Strache neben Leibwächtern am Tisch: Patrick Lenart, „Leiter“ der Identitären in der Steiermark und Peter D., ein steirischer Identitärer und Burschenschafter, der am 15. November 2015 in Spielfeld einen Fotografen attackiert hatte.

Der Chef einer Partei, die Regierung und Bundespräsident stellen will, beim gemütlichen Tafeln mit den Vertretern einer rechtsextremen Truppe, die der Verfassungsschutz in seinem Bericht so beschrieb:
Unter dem Deckmantel das jeweilige Land respektive „ganz Europa“ vor einer „Islamisierung“ und vor Massenzuwanderung schützen zu müssen, wird auf einer pseudo-intellektuellen Grundlage versucht, das eigene rassistisch/nationalistisch geprägte Weltbild zu verschleiern. Die Distanzierung vom Neonazismus in öffentlichen Statements ist als taktisches Manöver zu werten, da sich in den Reihen der Bewegungseliten amtsbekannte Neonazis befinden und Kontakte in andere rechtsextremistische Szenebereiche bestehen.
➡️ Sie wachsen zusammen (II) : Strache und die Identitären im Burgtheater
➡️ Sie wachsen zusammen (III) : FPÖ, Hofer und die Identitären
➡️ Sie wachsen zusammen (IV): Blau-identitäre Köpfe