Auch wir haben die Broschüre in einer faksimilierten Variante „zugespielt“ bekommen – mit einem deutlichen Hinweis auf die Verfasserin. Die Broschüre, die übrigens online abrufbar und so wesentlich einfacher verbreitbar ist, stammt aus dem Jahr 2000 und wurde von Fatima Grimm verfasst. Die 2013 verstorbene Fatima Grimm ist als Übersetzerin, Autorin und extrem konservative Referentin zum Thema Islam bekannt. Die Konvertitin ist die Tochter des SS-Obergruppenführers und Generals der Waffen-SS Karl Wolff.
Himmler mit seinem Adjutanten Wolff
Fatima Grimm, die Verfasserin der Broschüre „Die Erziehung unserer Kinder“, wurde als Helga Lili Wolff 1934 in München geboren. Als sie 1960 zum Islam konvertierte, hatte ihr Vater seine erste kurze Haftstrafe längst hinter sich. 1962 wurde Karl Wolff wegen seiner Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit neuerlich in Haft genommen und 1964 wegen Beihilfe zum Mord an 300.000 Juden im Vernichtungslager Treblinka zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. 1969 wurde Wolff als haftunfähig entlassen.
Tochter Helga Lili beschreibt in einem Interview aus dem Jahr 2010 ihre Kindheit als „recht glücklich“. Eine Erwähnung, gar eine Auseinandersetzung mit der Person ihres Vaters fehlt in diesem Interview. Stellte der Übertritt zum Islam ihren Versuch dar, sich von der Ideologie ihres Vaters abzugrenzen, sich deutlich abzusetzen? Flucht wäre zuviel gesagt, meint sie an anderer Stelle. Die Konversion zum Islam habe ihr aber „ohne Frage geholfen, aus dem Schatten meines Vaters herauszutreten“ (faz.net, 18.8.15). Nicht wirklich, denn knapp vor seinem Tod legte auch ihr Vater das islamische Glaubensbekenntnis ab.
Auch Nazi-Bonzen wie Heinrich Himmler hegten Sympathien für bestimmte Strömungen im Islam (Muslimbrüder), wobei sich die in erster Linie auf den gemeinsamen Antisemitismus und ziemlich zynisch auf den Kampfgeist der bosniakisch-islamischen SS-Division „Handschar“ bezogen, weil, so Himmler, das eine „praktische und sympathische Religion“ sei, die den Menschen den Himmel verspricht, „wenn sie gekämpft haben und im Kampf gefallen sind“ (Peter Longerich, Heinrich Himmler, S. 277).
Der Großmufti von Jerusalem bei den bosnischen Freiwilligen der Waffen-SS
Antisemitismus findet sich nicht in der Broschüre von Fatima Grimm, aber neben einem erschreckendem Familien- und Frauenbild eine Verherrlichung des bewaffneten Dschihad, die in einem reaktionärem Verständnis ihres Glaubens begründet ist. Die Schrift, die auf ein Referat aus dem Jahr 1975 zurückgeht, kritisiert die „erziehungsfaulen“ Muslime und droht, „wenn wir in der Erziehung unserer Kinder so weitermachen“, mit dem Schreckgespenst einer „Masse von halb gebildeten Nationalisten, Sozialisten oder Humanisten“.
Was die Autorin in der Folge anbietet, ist der Auftrag an die Frauen („Von Natur aus sind wir vor allem anderen dazu ausersehen, Mutter zu sein“), ihre Kinder über die „Bereitstellung eines islamischen Milieus“ an den Dschihad heranzuführen: „Schon in den ersten Lebensmonaten“ sollen Worte wie „Allah, Muhammad, Islam und Qur’an mit liebevoller Stimme“ gesprochen werden. Später dann Kalligrafien an den Wänden und „gut rezitierte Verse aus dem Qur’an“ statt James Last. James Last? Der hat selbst 1975 Jugendliche nicht interessiert!
Am Ende einer islamischen Erziehung steht nach Fatima Grimm jedenfalls das Erziehungsziel Dschihad: „Ich meine, dass wir etwa um das 15. Lebensjahr herum damit rechnen dürfen, unsere Kinder für den Begriff des Dschihad aufgeschlossen zu finden.“
Was bedeutet Dschihad in der Vorstellung von Fatima Grimm?
Der Dschihad ist ein Verteidigungskampf gegen alle Kräfte, die den Islam anzugreifen versuchen. Wenn wir mit wachem, offenem Blick die Weltlage betrachten, so finden wir, dass dieser Angriff von allen nur erdenklichen Seiten mit allen nur möglichen Mitteln ohne Unterlass geführt wird.
Ein weiterer Schlüsselsatz lautet:
[K]ämpfen für Gottes Sache lässt sich zwar vor allem mit dem Schwert; wo dies jedoch nicht möglich oder notwendig ist, auch mit der Feder, dem Spaten, dem Skalpell oder meinetwegen sogar mit der Nähnadel oder dem Kochlöffel.
Da gibt es wohl selbst theologisch nicht mehr Spielraum für Interpretation! Dementsprechend dient die Broschüre schon seit Jahren als Beleg für Fundamentalismus. Grimm hat sich angeblich 2003 von dieser Schrift und ihrer Interpretation distanziert. Das ist allerdings wenig glaubhaft, denn in der Schrift „Frau und Familienleben im Islam“ (2005) hat sie die wesentlichen Passagen fast wortwörtlich wiederholt.
Illustration aus der Broschüre von Grimm
Die Broschüre – und da gibt es keine Zweifel – ist schlimm, sehr schlimm sogar. Die Fokussierung auf die Passagen über den Dschihad verdeckt allerdings, dass das Frauen‑, Familien- und Gesellschaftsbild, das da vorgestellt wird, mindestens so katastrophal ist wie die Passagen über den Dschihad. Die zielen auf Jugendliche um das 15. Lebensjahr ab, die anderen Empfehlungen auf die Zeit vorher.
Wenn also die Schrift tatsächlich zur Instruktion von KindergartenpädagogInnen verwendet würde, dann wäre das eigentliche Problem ihre Empfehlungen zur islamischen Erziehung in den Vorstufen. Für die sind nämlich –zumindest teilweise – KindergartenpädagogInnen auch zuständig. Im Unterschied zu muslimischen, christlichen, Nazi-Eltern werden deren Erziehungsmethoden und ‑ziele zumindest ansatzweise überprüft. Die Frage ist daher: Wird die Broschüre aktuell in einem islamischen Kindergarten verwendet? Werden die von ihr vorgeschlagenen Erziehungsziele in islamischen Kindergärten umgesetzt?
Der „Kurier“ (25.11.15) hat dazu einiges recherchiert, was uns sehr hellhörig gemacht hat. Die Anzeige stützt sich auf die „Aussagen eines ehemaligen Betreuers – der besagte Broschüre allerdings bereits im Jahr 2003 in einem Regal des Kindergartens gesehen haben will. Also vor zwölf Jahren.“ (Kurier) Das wäre ja noch fast vernachlässigbar, hätte sich nicht der ehemalige Betreuer selbst faktisch widersprochen, indem er dem „Kurier“ auch das Folgende mitteilte: „Eine Situation, in der die zitierte „Dschihad-Broschüre“ in dem Kindergarten von Pädagogen verwendet wurde, sei ihm nicht bekannt, sagt der Ex-Mitarbeiter.“ (Kurier) Dann teilte der Ex-Mitarbeiter dem „Kurier“ allerdings noch etwas mit, was bei uns alle Glocken läuten ließ „Derzeit läuft ein Verfahren wegen des Verdachts der Hetze und der NS-Wiederbetätigung gegen ihn.“
Die Anzeige gegen den ehemaligen Betreuer hat Rudi Anschober, Landesrat der Grünen in OÖ, eingebracht. Und im Unterschied zu dem ehemaligen Betreuer, der diese Anzeige substanzlos findet, haben wir viele Gründe und auch Belege, um da nachzulegen und die angezeigten Delikte noch zu erweitern.
➡️ Der seltsame Zeuge – ein Hetzer und …?
➡️ Der seltsame Zeuge (II)