Impressionen vom Prozess gegen Gertrude S. alias „Coco Jill“ am 17.10.2014 am Landesgericht Wiener Neustadt
Als ZuschauerInnen anwesend: zwei Reporterinnen, einige RechtspraktikantInnen, keine Freunde oder Verwandten der Angeklagten. Sehr konzentrierte, sachliche Richterin, versucht hartnäckig aber erfolglos, aus der Angeklagten mehr als einsilbige Antworten herauszuholen. Staatsanwalt totales Pokerface, hat keinerlei Fragen. Verteidiger zeigt nicht allzu viel Engagement, stellt der Angeklagten ein paar Pflichtfragen („Bereuen Sie, was Sie da geschrieben haben?“), hakt aber nicht nach. Die Angeklagte gibt sich betont kooperativ, wurde offensichtlich genau instruiert, was sie auf welche Fragen antworten solle. Alles konnte der Verteidiger eben auch nicht voraussehen.
Richterin: Wen meinten Sie mit „Muserl“, denen Sie gerne Betonschwimmflügel verpassen möchten? Angeklagte: Das weiß ich nicht mehr. Ich hätte genauso gut Pupperl schreiben können.
R.: Meinten Sie vielleicht Moslems?
A.: Das weiß ich nicht mehr.
R.: Sie schrieben, die ungarischen Roma gehören erschossen, aber dann kommt man ins Gefängnis. Warum wollen Sie Roma erschießen?
A.: Sie haben meine Winterreifen gestohlen.
R.: Wurden sie dafür verurteilt?
A.: Nein, man hat nie heraus gefunden, wer das war.
R.: Warum glauben Sie, dass es die Roma waren?
A.: Da war ja alles offen, und auf einmal waren vier Roma in meinem Keller, obwohl nur einer ein Glas Wasser wollte, warum stehen dann alle vier da, wenn sie nichts stehlen wollen?
R.: Sie schrieben, dass Moslems Kinderschänder seien.
A.: Dazu möchte ich mich nicht äußern.
R.: Warum haben Sie solche Sachen gepostet?
A.: Ich habe nichts gepostet, ich habe nur auf Zeitungsberichte reagiert. Auf Fakten.
R.: Glauben Sie alles, was im Internet steht?
A.: Schweigt
R.: In welchen Foren haben Sie gepostet?
A.: Nur in geschlossenen Gruppen, „Wir für Österreich” und „FPÖ für Österreich”.
R.: Wie viele Menschen konnten lesen, was Sie gepostet haben?
A.: Das weiß ich nicht, nur die, die Mitglieder in diesen geschlossenen Gruppen sind.
R.: Wie viele Mitglieder hat so eine geschlossene Gruppe?
A.: So zwischen 60 und 500.
Die Reporterin, die neben mir sitzt, zückt ihr Handy und prüft nach: Gruppe „FPÖ für Österreich” offene Gruppe, mehr als 2000 Follower. Die Richterin unterbricht die Sitzung für zehn Minuten – sie hat auch ein Handy.
Als sie die Angeklagte damit konfrontiert, dass ihre Angaben offenbar nicht der Wahrheit entsprachen, macht die Angeklagte endgültig zu. Die Richterin vertagt zur Ladung von Uwe Sailer.
Fortsetzung am 14.11.2014
Der Zeuge Uwe Sailer konnte anhand von Screenshots belegen, dass Coco Jills Hasstiraden großteils auf ihrer eigenen Timeline erfolgten, ergo für ihre 573 FB-Freunde sichtbar waren. Zwei Kommentare, die Mitgliedern der muslimischen Gemeinschaft Inzucht und vom Koran legitimierten Kindsmissbrauch vorwarfen, wurden aus der Anklage genommen, da sie ohne weitere Recherchen keiner bestimmten FB-Seite zuordenbar waren.
Die Richterin erklärte in ihrem Urteilsspruch den Tatbestand der Verhetzung der Öffentlichkeit für erfüllt und erläuterte, dass dies vom Zeugen Uwe Sailer glaubhaft und nachvollziehbar nachgewiesen wurde. Die Postings der Angeklagten bezeichnete sie als widerwärtig, da sie offensichtlich darauf abzielten, Menschen zu erniedrigen und Hass zu schüren. (Beispiele: Muslime wurden als „pestizider Müll“ bezeichnet, es ging um „Neger, Afghanen, Albaner, von jedem Dreck a bissl was“, „Negermetastasen“, ungarischen Zigeunern, die man „am besten erschießen“ solle, von „Muserln, mit denen ich in Richtung Donau fahren und ihnen Betonschwimmflügerl verpassen“ würde etc.)
Als erschwerend wurde die wiederholte Tatbegehung über einen längeren Zeitraum angeführt, das nicht rechtskräftige Urteil bewegt sich jedoch auf Grund der bisherigen Unbescholtenheit der Angeklagten im unteren Rahmen: fünf Monate, auf drei Jahre bedingt.
Coco Jill
Bella Dor