„Mehr und mehr bestätigen sich unsere Warnungen dahingehend, dass die Ostöffnung des Arbeitsmarktes für die österreichischen Arbeitnehmer zum Verhängnis wird“, fantasiert Bernhard Rösch, freiheitlicher Landtagsabgeordneter in Wien in einer Presseaussendung vom 21. Mai 2012. „Unsere schlimmsten Erwartungen werden bei weitem übertroffen. Österreich wird von billigen ausländischen Arbeitskräften überrannt. Im Burgenland wird jeder Arbeitsplatz durch einen billigen Ausländer ersetzt“.
Das sind nun also wirklich entsetzliche Nachrichten: Die FPÖ behauptet doch allen Ernstes, dass alle 96.788 im Burgenland unselbständig Beschäftigte keine österreichische Staatsbürgerschaft haben. Die Fehlinformation in der FPÖ-Presseaussendung mag eine Folge geringer Deutschkenntnisse und reduzierter Ausdruckskompetenz in der FPÖ-Presseabteilung sein. In einer anderen Zeile finden sich nämlich die Worte: „Im April 2012 lag die Anzahl der unselbständig Beschäftigten um 3.126 höher als im April 2011. Die Zahl der unselbständig beschäftigten Ausländer stieg um 3.180 — es gibt somit 54 Inländer weniger.“
Wie der Teufel es so will, ist aber auch diese Aussage falsch. Denn die FPÖ – nicht nur sprachlich, sondern offenkundig auch sozialpolitisch inkompetent – setzt Jobs mit aktiver Beschäftigung gleich. Jobs haben aber etwa auch Menschen, die gerade Präsenzdienst oder Zivildienst leisten bzw. sich in Kinder‑, Pflege- oder Bildungskarenz befinden (und daher gerade nicht aktiv sind). Und weil FPÖ-PolitikerInnen offenkundig nicht fähig oder Willens sind, Statistiken richtig zu lesen, eine kleine Hilfe: Die Zahl der aktiv Beschäftigten ist zwischen April 2011 (dem letzten Monat vor der so genannten Ostöffnung) und April 2012 um 3221 Menschen gestiegen. Im April 2012 waren also in Wahrheit um 41 Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft mehr im Burgenland aktiv beschäftigt als im April 2011.
Für das scheinbare Missverhältnis – 3180 zu 41- gibt es zwei sehr einfache Erklärungen: Zum ersten konnten im Burgenland durch die so genannte Ostöffnung zahlreiche Personen aus den EU-Erweiterungsländern, die auf die eine oder andere Weise auch vor dem 1. Mai 2011 im Burgenland erwerbstätig waren (etwa als Scheinselbständige oder anderen prekären Erwerbsformen) durch die „Arbeitsmarktliberalisierung“ eine formale Beschäftigung aufnehmen und zahlen nunmehr in Österreich Sozialversicherungsbeiträge und Steuern.
Zum anderen hat die Öffnung des Arbeitsmarktes eine Art regionalen Wirtschaftsboom ausgelöst, der mit regional ansässigen Arbeitskräften insofern nicht zu decken war, als sich BurgenländerInnen auf Grund der bisher geschlossenen Grenze zu Ungarn weit stärker am wiener bzw. am grazer Arbeitsmarkt orientierten als an regionalen Angeboten (die auch sehr beschränkt und im Vergleich schlechter entlohnt waren).
Anders ist nämlich nicht zu erklären, dass der Beschäftigungszuwachs zwischen April 2011 und April 2012 im Burgenland mehr als doppelt so hoch (+3,34%) ausgefallen ist wie im restlichen Österreich (+1,5%; im Vergleich etwa Wien als zweitbestes Bundesland +1,84%, Schlusslichter Kärnten mit +0,86% und Tirol mit +0,62%).
Die These vom regionalen Wirtschaftsboom wird im Übrigen auch durch die Tatsache gestützt, dass von den 3180 „neu“ beschäftigten „AusländerInnen“ im Burgenland nur 2341 aus EU-Erweiterungsländer stammen. Mehr als 26% der „neu“ beschäftigten Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft fanden also einen Job, obwohl sie persönlich gar nicht von der sogenannten „Ostöffnung“ erfasst waren und sich ihre rechtliche Position am österreichischen Arbeitsmarkt nach Mai 2011 gar nicht verändert hatte.
Auffallend ist auch, dass der Durchschnitt des verfügbaren Haushaltseinkommens im Jahr 2011 im Burgenland – endgültige Werte liegen noch nicht vor – deutlich stärker gestiegen ist, als in anderen Bundesländern.
Kurz zusammengefasst: Das Problem war die Sperre des Arbeitsmarkt bis zum Mai 2011, die Menschen aus östlichen Nachbarstaaten dazu gezwungen hat, schlecht entlohnte Tätigkeiten ohne sozialen Schutz zu übernehmen. Das wirkte sich auf die Löhne aller Menschen aus, die im Burgenland lebten. Mit dem Wegfall der Sperre können diese Menschen nunmehr auf „normale“ Arbeitsplätze kommen (bzw. deren bisherige scheinselbständige oder illegalisierte Tätigkeit in Normalarbeitsplätze mit „normalen Löhnen“ umgewandelt werden). Der Nachzieheffekt wirkt sich sowohl auf die Beschäftigtenzahlen wie auf die Löhne und Gehälter aller Menschen, die im Burgenland beschäftigt sind, positiv aus. Und wenn alle Menschen profitieren, findet die FPÖ das eben schlecht.
Der Aussendung des Herrn Rösch fehlt jede sachliche Grundlage. Stellt sich die Frage: Ist Herr Rösch einfach nur völlig inkompetent und überfordert beim Lesen von Statistiken bzw. beim Erfassen einfacher Zusammenhänge, oder betreibt er absichtlich absurde Hetze?
Anm.: Da sich die Feststellungen in diesem Beitrag auf Tabellen, die im WWW nur mit einiger Übung und ohne fixen Link zu finden sind, beziehen, können wir das nicht verlinken. Die angesprochenen Tabellen sind selbstverständlich inklusive Erläuterungen über unsere Mailadresse [email protected] zu beziehen.