Graz: Die ewige FPÖ-Finanzaffäre
Kickl kennt keine Rechtsextremen, und den „Volkskanzler“ kann er sich ins Tagebuch schmieren
FPÖ-Anzeige gegen Plattform „Demokratie Österreich“ abgewiesen
Team der „Burgtheater”-Produktion warnt vor der FPÖ
Graz: Die ewige FPÖ-Finanzaffäre
Neues tut sich in der Finanzaffäre der Grazer FPÖ, die mittlerweile eine der gesamten Landespartei geworden ist. Die Grazer FPÖ-Spitze trat vor fast drei Jahren wegen des Verdachts um veruntreute Gelder und dubiose Geldflüsse zurück. Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ermittelt inzwischen gegen zehn Haupt- und 18 Nebenbeschuldigte, darunter Mario Kunasek, Landesparteichef und Spitzenkandidat der FPÖ für die Landtagswahl. Ein Whistleblower aus den eigenen Reihen brachte die Affäre ins Rollen, gefolgt von einer Selbstanzeige des Klubfinanzreferenten. Die Grazer Staatsanwaltschaft musste wegen Befangenheit das gesamte Verfahren nach einem Jahr nach Klagenfurt abtreten. Bisher gab es nur in zwei Nebenverfahren Anklagen: Eine endete mit einer Diversion, die andere mit einem nicht rechtskräftigen Schuldspruch.
Ein enger Mitarbeiter im Vizebürgermeisterbüro von Mario Eustacchio, der sich im April das Leben nahm, wurde nie einvernommen, obwohl er quasi an einer Schaltstelle der Finanztransfers saß. Erst nach seinem Suizid wurden eine Razzia durchgeführt und Unterlagen sichergestellt. Die Staatsanwaltschaft erklärte, dass die Kriminalpolizei aufgrund begrenzter Resourcen nicht rechtzeitig ermitteln hätte können.
Ein weiterer Mann, der bis ins Detail dieselbe Funktion in Eustacchios Büro innehatte, allerdings viel länger, soll auch erst jetzt einvernommen werden. Dies habe man der „Kriminalpolizei explizit angeordnet”. Am Dienstag ergänzte die Staatsanwalt[schaft] noch, dass die Einvernahme des zweiten Mannes, wie auch jene des Verstorbenen — bereits „am 18.05.2022 angeordnet” wurde. Und: „Eine weitere Anforderung erfolgte am 24.04.2024 und eine Urgenz am 28.05.2024.” (derstandard.at, 3.8.24)
Auch das Land Steiermark ist mittlerweile auf die Idee gekommen, sich dem Verfahren als Opfer anzuschließen, was ermöglicht, Fördergelder zurückzufordern und Akteneinsicht zu erhalten.
Kickl kennt keine Rechtsextremen, und den „Volkskanzler“ kann er sich ins Tagebuch schmieren
Herbert Kickl behauptete in einem Interview auf Servus TV, keine Rechtsextremen in Österreich und Deutschland zu kennen. Die Standard-Journalistin Colette Schmidt zog daraus drei Schlüsse: „Erstens, der Mann kommt nicht viel herum; zweitens, er leidet unter Gedächtnisschwäche; oder drittens, er hält das Wahlvolk, dessen ‚Volkskanzler‘ er werden will, zum Narren.“
Währenddessen hat sich der Tiroler Kulturarbeiter David Prieth die Wortmarke „Volkskanzler” bis 2034 patentieren lassen, um deren Nutzung zu kontrollieren. Prieth plant, gegen die Nutzung des Begriffs durch die FPÖ vorzugehen. Sollte die FPÖ den Begriff etwa auf einem Plakat verwenden, würde Prith dagegen vorgehen.
Er wird seine Markenrechte geltend machen, die Vernichtung der Plakate fordern – oder finanzielle Entschädigung für die Verletzung seines „geistigen Eigentums“: „Ich will nicht in einem Land leben, in dem Volkskanzler-Plakate herumhängen. Wenn jemand das macht, dann bin das ich!“, erklärt David Prieth sein Vorgehen im profil-Interview. Dafür, dass dieses Vorhaben auch rechtlich gedeckt ist, hat der 36-Jahrige Veranstalter aus Innsbruck die vergangenen sechs Monate gekämpft – vor dem Patentamt. (profil.at, 4.9.24)
Priths Ziel ist es, den Begriff mit seiner NS-Vergangenheit zu konfrontieren, ihn durch künstlerische Aktionen umzucodieren und wieder „in den Untergrund zurück zu zwingen“ (profil). Damit kann sich Kickl vorerst den „Volkskanzler“ in sein Tagebuch schmieren. Wenn Prieths Markenrecht in zehn Jahren ausläuft, könnte insbesondere angesichts des Talents der FPÖ, sich alle paar Jahre selbst zu zerlegen, auch Kickl ausgelaufen sein.
FPÖ-Anzeige gegen Plattform „Demokratie Österreich“ abgewiesen
Die FPÖ hat zwei Klagen auf Unterlassung und eine Anzeige wegen angeblicher NS-Verharmlosung gegen die Anti-Volkskanzler-Kampagne der Plattform „Demokratie Österreich“ eingereicht. Der Grund war ein Video, in dem sich Herbert Kickl langsam in Adolf Hitler verwandelt.
Die Anzeige wegen NS-Verharmlosung wurde abgewiesen, weil es diese nicht gab, erklärte er [gemeint ist Robert Luschnik, einer der Initiatoren der Kampagne, Anmk. SdR]. Luschnik erwähnte auch, dass die Videos noch immer auf Youtube und anderen Plattformen zu sehen sind, da die FPÖ keine einstweilige Verfügung gegen die Videos vor Gericht eingebracht habe. Damit es vor der Wahl keine „gerichtliche Entscheidung gibt”, vermutet Luschnik. (derstandard.at, 5.9.24)
Die Plattform schickt nun einen Klein-LKW mit einer Video-Wall durch ganz Österreich. Dort sind drei Fragen an die FPÖ formuliert:
Und zwar, warum sie den „historisch belasteten Begriff Volkskanzler verwendet, der unweigerlich Assoziationen mit der NS-Zeit weckt”; warum sich die FPÖ weiterhin nicht von den rechtsextremen Identitären distanziere; und wann sie aufhöre, „Bibelzitate für den Wahlkampf” zu missbrauchen. (derstandard.at, 5.9.24)
Team der „Burgtheater”-Produktion warnt vor der FPÖ
In einem Gastkommentar im Standard (3.9.24) warnen Elfriede Jelinek, Mavie Hörbiger, Birgit Minichmayr, Caroline Peters, Claus Philipp und Milo Rau vor den dramatischen Folgen einer möglichen FPÖ-Regierung in Österreich.
Die Freiheitliche Partei und ihr „Volkskanzler” fordern einen sofortigen Stopp der „staatlichen Zwangsabgaben” (sprich Subventionen) für „woke Events” wie den European Song Contest und die Wiener Festwochen – nur ein besonders absurder Punkt in einem Wahlprogramm, das unter dem auf Joseph Goebbels’ „Festung Europa” anspielenden Titel „Festung Österreich” die Umwandlung der Republik Österreich in eine Art Ständestaat 2.0 fordert mit autoritärer Regierung und radikal-nationalistischer „Österreich zuerst”-Ideologie. (derstandard.at)
Das Team kritisiert die Gleichgültigkeit der Kunst- und Kulturszene gegenüber diesen Entwicklungen und ruft dazu auf, der FPÖ keine Stimme zu geben, um die Demokratie und die freiheitliche Gesellschaft zu schützen.